Es trickst es aus
Entdeckt! So entkommt Coronavirus unserem Immunsystem
Eine Studie der MedUni Wien und MedUni Innsbruck hat herausgefunden, dass SARS-CoV-2 unsere Proteine zum Schutz vor dem Immunsystem "stiehlt".
Eine rasche und wirksame Immunreaktion ist entscheidend für die Bekämpfung von viralen Infektionen und das Verhindern postinfektiöser Komplikationen. Das Komplementsystem, ein zentrales Element der antiviralen Immunantwort, bezeichnet eine Kaskade von Proteinen, die vor allem im Blutkreislauf und an Schleimhäuten, wie den Atemwegen, zu finden ist. Aktiviert durch drei verschiedene Wege, spielt es eine wichtige Rolle bei der Elimination von Viren, indem es die direkte Zerstörung (Lyse) der Erreger fördert. Wirtszellen werden durch bestimmte Faktoren, den sogenannten Komplement-regulatorischen Proteinen, vor den Auswirkungen des Komplementsystems geschützt.
Eine neue Studie aus Österreich zeigt nun, dass sich SARS-CoV-2-Viren drei dieser regulatorischen Proteine, CD55, CD59 und Faktor H, zunutze machen, um erfolgreich der komplementvermittelten Lyse zu entgehen. Die Forschungsarbeit vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie der MedUni Innsbruck wurde im Journal "Emerging Microbes & Infections" publiziert.
Viruselimination erheblich beeinträchtigt
Bei der Kultivierung von SARS-CoV-2-Viren in menschlichen Zellen entdeckten die Forscherinnen und Forscher, dass die Viruspartikel die zellulären Proteine CD55 und CD59 aufnehmen. Außerdem fanden sie heraus, dass SARS-CoV-2-Viren auch Faktor H, ein weiteres Komplement-regulatorisches Protein, das vor allem im Blut vorkommt, an ihre Oberfläche binden. In weiteren Experimenten konnten die Wissenschafter dann zeigen, dass sich die mit Komplement-regulatorischen Proteinen umhüllten Viruspartikel nicht vom Komplementsystem zerstören ließen.
Durch das Entfernen von CD55, CD59 und Faktor H von der Virusoberfläche oder die Hemmung ihrer Funktionen konnte die komplementvermittelte Lyse der Viren gezielt wiederhergestellt werden. "Durch die Umhüllung mit diesen Wirtsproteinen kann SARS-CoV-2 alle drei Wege der Komplementaktivierung umgehen, was eine reduzierte oder verzögerte Viruselimination zur Folge hat", erklärt Studienleiterin Anna Ohradanova-Repic.
„Durch die Umhüllung mit diesen Wirtsproteinen kann SARS-CoV-2 alle drei Wege der Komplementaktivierung umgehen.“
Verlauf und Folge beeinflusst
Da das Komplementsystem engmaschig mit anderen Komponenten des Immunsystems verknüpft ist, beeinflusst dies aber nicht nur die Zerstörung von Viruspartikeln, sondern kann auch starke Entzündungen verursachen, die sowohl bei schweren COVID-19-Infektionen als auch bei Long-COVID eine problematische Rolle spielen. "Die Aufdeckung solcher Resistenzmechanismen, die es den Viren ermöglichen, über längere Zeit im Wirt zu verweilen, kann uns helfen, akute Komplikationen und Langzeitfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen besser zu verstehen", berichtet Erstautorin Laura Gebetsberger von der MedUni Wien.
Auf den Punkt gebracht
- Eine Studie der MedUni Wien und MedUni Innsbruck hat herausgefunden, dass SARS-CoV-2 bestimmte regulatorische Proteine des Wirts, wie CD55, CD59 und Faktor H, nutzt, um der Zerstörung durch das Komplementsystem des Immunsystems zu entgehen
- Diese Entdeckung könnte helfen, akute Komplikationen und Langzeitfolgen von SARS-CoV-2-Infektionen besser zu verstehen, da die Viren durch diesen Mechanismus länger im Wirt verweilen und starke Entzündungen verursachen können