Politik

"Habt uns verarscht!" Rauch in Sozialmarkt attackiert

Gesundheitsminister Johannes Rauch bekam es in einem Sozialmarkt mit einer wütenden Mutter zu tun: "Ihr habt uns erst eingesperrt und dann verarscht!"

Roman Palman
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen) während einem Medientermin zum SARS-CoV-2 Abwassermonitoring am 13. Februar 2023 in Innsbruck.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen) während einem Medientermin zum SARS-CoV-2 Abwassermonitoring am 13. Februar 2023 in Innsbruck.
EXPA / APA / picturedesk.com

Die Gesellschaft ist gespalten. Das Coronavirus und seine Folgen haben tiefe Gräben aufgetan. Drei Jahre Pandemie fügten den Bürgern Österreichs viele Traumata zu. Die türkis-grüne Regierung will diese nun in einem gemeinsamen Dialogprozess aufarbeiten. 

"Seit Corona merkt man eine Aufgeregtheit in der Gesellschaft, erhöhte Aggressivität", beschrieb Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) die Situation bei einem ungewöhnlichen Medienauftritt am Mittwoch.

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    Bundeskanzler Karl Nehammer rechnete am 15. Februar 2023 mit den Corona-Maßnahmen der letzten Jahre ab.
    Bundeskanzler Karl Nehammer rechnete am 15. Februar 2023 mit den Corona-Maßnahmen der letzten Jahre ab.
    Martin Juen / SEPA.Media / picturedesk.com

    "Ihr habt uns erst eingesperrt und dann verarscht"

    Wie tief diese Gräben sind, die nun zugeschüttet werden sollen, zeigt Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) parallel zu dem Kanzlerauftritt in einem Blogbeitrag. Darin berichtet er von einer prägenden Begegnung mit einer jungen Mutter (27) aus Niederösterreich in einem Sozialmarkt.

    Die Frau namens Sabine sei richtig sauer gewesen: auch wegen fehlender Kinderbetreuung, aber vor allem wegen Corona. Rauch bekam ihren Frust zu spüren: "Eine Zeit lang [...] habe sie die Maßnahmen verstanden und mitgetragen … aber dann: 'Ihr habt uns erst eingesperrt und dann verarscht', sagt sie."

    Der Gesundheitsminister stellt klar: Sabine ist nicht alleine in ihrem Ärger. Nur mehr ein Drittel der Menschen hätten noch Glauben daran, dass das politische System in Österreich gut funktioniere. Das Vertrauen in die Bundesregierung und das Parlament sei ähnlich gering. Und drei Viertel würden denken, dass "die Politik Menschen wie mich oft als Menschen zweiter Klasse behandelt", zitiert Rauch aus dem aktuellen "Sora Demokratiemonitor".

    Dann auch noch Ibiza, Teuerung und die russische Invasion der Ukraine. All diese Krisen gingen selbst in Österreich, einem der reichsten Länder des Planeten, an die Substanz der Demokratie. Jetzt, kurz vor dem ersten Jahrestag von Wladimir Putins Überfall der Ukraine, drei Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie, sucht der Minister Versöhnung: "Es ist Zeit für einen Neustart."

    "Wo wir Mist gebaut haben, ..."

    "Wir müssen darüber reden, wie wir gemeinsam dieses Land gestalten möchten", so Rauch weiter: "Was wir brauchen, ist ein breiter öffentlicher Diskurs unter Beteiligung möglichst vieler Menschen. Da geht es um die Möglichkeit, Dampf abzulassen, gehört zu werden, Zukunft zu gestalten." Er will deshalb mit dem Kanzler diesen Dialogprozess starten, der sich durch Ehrlichkeit und Bürgernähe auszeichnen soll.

    Dann die knallharte Ansage von Johannes Rauch: "Wir müssen dort hingehen, wo es weh getan hat und noch immer weh tut. Dort, wo wir Mist gebaut haben, müssen wir es sagen. Dort, wo die Wissenschaft zu Unrecht attackiert wurde, müssen wir für sie streiten. Dort, wo manche den Eindruck haben, ungerecht behandelt worden zu sein, wir aber glauben, unser Bestes getan zu haben, müssen wir reden."

    Nur so ließen sich die aktuellen Krisen überwinden, nur so könnten die geschlagenen Wunden heilen, ist der Sozialminister überzeugt. Er schließt mit einem Appell an alle Bürger. Das ist sein Wortlaut:

    Rauch-Appell "um unserer Zukunft willen"

    "Wir stehen an einer Zeitenwende. Unsere Demokratien, unsere Art und Weise, wie wir leben, als offene, als demokratische Gesellschaften, sehen sich Angriffen gegenüber. Algorithmen in sozialen Medien, Trollfarmen und Desinformation, gesteuert von Feinden der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wollen uns eine neue, konstruierte Wirklichkeit vormachen.

    Ihr Ziel: dass wir uns streiten, uns spalten, in die Haare bekommen, dass Risse durch unsere Familien, Vereine, Freundschaften gehen. Dass wir uns bekämpfen und auseinanderfallen. Dass wir einander hassen, anstatt danach trachten, uns gegenseitig in Frieden leben zu lassen, so, wie wir es, jede:r für sich, für uns entscheiden.

    Das kann und darf nicht sein.

    Deshalb: Lasst uns ins Reden kommen! Um unserer Zukunft willen, um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder willen."

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      ALEX WROBLEWSKI / AFP / picturedesk.com