Politik

Ein Jahr vor Wahl! ÖVP-Absage für Klimaschutzgesetz

Seit 923 Tagen ist Österreich ohne Klimaschutzgesetz. Die ÖVP sperrt sich: Es wird sich in dieser Regierung nicht mehr ausgehen, sagt Karlheinz Kopf.

Roman Palman
WKO-Generalsekretär <strong>Karlheinz Kopf</strong> (ÖVP, r.) schielt auf WIFO-Chef <strong>Gabriel Felbermayr</strong> im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Titel "Wettbewerbsfähigkeit Österreichs" am 12. Juli 2023 in Wien.
WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf (ÖVP, r.) schielt auf WIFO-Chef Gabriel Felbermayr im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Titel "Wettbewerbsfähigkeit Österreichs" am 12. Juli 2023 in Wien.
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Die Energiepreise gehen zurück, doch so niedrig wie vor Covid und der Teuerungskrise werden sie wohl nicht mehr werden. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr spricht deshalb von einer "langfristigen Veränderung in der Struktur der österreichischen Wettbewerbsfähigkeit". Teurer werdende Produkte aus Österreich würden in Folge im Ausland auch weniger Absatz finden. 

Österreich ist wegen der hohen Stromkosten und vor allem der Abhängigkeit von russischem Erdgas – u.a. dank Sebastian Kurz – stärker betroffen als etwa unser Nachbarland Deutschland. "Was mir Sorgen macht, sind die langfristigen Effekte und da muss man auch langfristige Instrumente einführen", so Felbermayr. Es brauche nun neben Förderungen, steuerlichen Vorteilen und Investitionsfreibeträgen auch endlich Rahmenbedingungen wie das lange ausstehende Klimaschutzgesetz.

Wirtschaftskammer-Generalsekretär und seit 1994 ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat, Karlheinz Kopf, fordert mehr – und gleichzeitig auch irgendwie weniger. So will er die derzeit ein Jahr gültige Strompreiskompensation verlängern. "Deutschland hat's bis 2030 und das wäre auch im Sinne eines 'level playing fields' sinnvoll, das mit Deutschland gleichzuschalten". Das Ziel: ein Industriestrompreis mit dem Unternehmen langfristig rechnen können

ÖVP sagt Klimaschutzgesetz ab

Dazu will Kopf noch eine Senkung der Lohnnebenkosten und schnellere Genehmigungsverfahren. Am Ende der gemeinsamen Pressekonferenz lässt der VP-Mandatar gegenüber dem ORF-Radio Ö1 aber noch eine Bombe platzen: Er sei dagegen, für einzelne Wirtschaftssektoren starre [Treibhausgas-]Ziele festzusetzen. 

Deshalb werde sich das Klimaschutzgesetz (KSG) in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr ausgehen. Kopf wörtlich: "Das ist schwierig, weil die Zeit schon verdammt knapp ist und wir eigentlich sehr sehr weit auseinander sind."

Die Regierung schafft es also nicht, einen ihrer zentralen Arbeitspunkte innerhalb von vier Jahren umzusetzen! Denn im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen sich die Bundesregierung die Erreichung der Klimaneutralität bereits mit dem Jahr 2040 festgelegt. Das ganze mit türkiser Signatur von damals noch VP-Chef Sebastian Kurz.

Eigene und EU-Ziele nicht erreichbar

Dazu müssen in jedem Sektor weitreichende Maßnahmen gesetzt werden, welche die Treibhausgas-Emissionen auf null oder quasi null reduzieren. Ohne ein Klimaschutzgesetz ist dieses Ziel aber unerreichbar. Im Rahmen des Klimavolksbegehrens, welches im Juni 2020 erfolgreich über die Bühne ging, wurde ein solches aktiv von knapp 380.000 Personen eingefordert.

Über das Klimaschutzgesetz

Das im Jahr 2011 beschlossene und zuletzt 2017 geänderte Klimaschutzgesetz (KSG) setzt Emissionshöchstmengen für insgesamt sechs Sektoren fest und regelt die Erarbeitung und Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen außerhalb des Emissionshandels in der Europäischen Union (EU). Es bildete damit eine "wesentliche Säule der österreichischen Klimapolitik bis zum Jahr 2020", so das Klimaministerium auf seiner eigenen Webseite. Seit 2020 wurde aber kein jährliches Treibhausgasbudget mehr festgelegt, das KSG ist somit ersatzlos ausgelaufen.

Auf dem aktuellen Weg verfehlt Österreich selbst die laxeren Emissionsvorgaben der EU (Klimaneutralität erst bis 2050) aber klar: Um das Ziel zu erreichen, braucht es eine Reduktion um 48 Prozent der Treibhausgase außerhalb des Emissionshandels bis 2030 gegenüber 2005. Erlaubt ist dann nur noch ein jährlicher Ausstoß von 29 Millionen Tonnen. Im derzeitigen Szenario schafft Österreich aber gerade mal die Hälfte der notwendigen Einsparungen von insgesamt 27 Millionen Tonnen.

Verfehlung kostet gleich doppelt

Bei Nichterreichen der EU-Klimaziele bis 2030 drohen Österreich immense Strafzahlungen. Der Rechnungshof hatte 2021 errechnet, dass die Republik Kompensationszahlungen in Höhe von bis zu 9,2 Milliarden Euro leisten werde müssen.

Doppelt bitter: Die wetter- und klimabedingten Kosten der Klimaerwärmung würden in Österreich derzeit bei durchschnittlich einer Milliarde Euro pro Jahr liegen, so der Rechnungshof damals. "Bis Mitte des Jahrhunderts könnten die gesellschaftlichen Schäden mit 4,2 Milliarden Euro bis 5,2 Milliarden Euro pro Jahr zu beziffern sein. Bei einer stärkeren Temperatursteigerung könnte sich dieser Betrag auf 8,8 Milliarden Euro erhöhen."

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