Gesundheit
Diese Gefahren bringt die Durchseuchung
Die Zahlen werden weiter steigen. Welche Gefahren diese Menge an Infizierten mit sich bringen, erklären zwei Virologen im "Heute"-Interview.
Diese Woche haben wir die höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie erreicht. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung auch bei solchen Zahlen keinen Lockdown verhängt, lässt sich annehmen, sie nimmt die hohen Zahlen in Kauf. Was dahinter steckt und wo die Gefahren eines solchen Manövers liegen, erklären zwei Virologen im "Heute"-Interview.
Aufrechterhaltung des täglichen Lebens
"Ob die Regierung einen Lockdown macht oder nicht, ist eine politische Entscheidung", meint Virologin Judith Aberle vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien. "Stattdessen sollen alle anderen Maßnahmen forciert werden: Booster-Impfung, FFP2-Maske, Lüften, Abstand halten und Kontaktreduktion. Omikron unterläuft das Immunsystem, sprich auch die Geimpften und Genesenen können sich infizieren. Damit sind viel mehr Menschen betroffen." Dass es jetzt so viele Betroffene wie nie zuvor gibt, könnte zum Einen den Ablauf des täglichen Lebens beeinflussen. Wenn viele Mitarbeiter systemrelevanter Betriebe zugleich ausfallen, wäre die Sicherstellung des Service nicht mehr garantiert.
Genau dieses Szenario sieht Virologe Christoph Steininger von der MedUni im Vordergrund. "Das European Centre for Disease Prevention and Control hat in einer Aussage sogar die Option diskutiert, die Quarantäne bei systemrelevantem Personal, das geimpft ist und Maske trägt, aufzuheben. Das sei ein Zeichen dass man sich nicht nur um das Gesundheitssystem, sondern um alle Lebensbereiche mittlerweile Sorge macht. Die Aufrechterhaltung des täglichen Lebens sieht der Virologe als Hauptentscheidungskriterium. Damit würde das Risiko, die Infektion weiterzugeben, wieder steigen. "Letztlich wird es einen Kompromiss brauchen, damit das öffentliche Leben weiterhin funktioniert," meint Steininger.
Gefahr einer neuen Mutation
Wie hoch ist die Gefahr einer neuen Variante, wenn sich Omikron jetzt ungehindert ausbreiten kann? "Das Virus verändert sich laufend, weil es mit jeder Vermehrung Fehler macht, also mutiert", so Abele. "Wenn es sich in vielen Ländern stark verbreitet, ist die Wahrscheinlichkeit neuer Varianten höher." Tatsächlich müsse man die weltweite Viruszirkulation im Verhältnis zur Impfquote betrachten, um die Gefahr einen neuen Variante einschätzen zu können. Dem stimmt auch Steininger zu: "Würde man die Anzahl der in den nächsten Wochen infizierten Österreichern mit der globalen Anzahl an Erkrankten vergleichen, ist das aus virologischer Sicht überhaupt nicht relevant."
"Aus lebensgefährlicher Erkrankung milde Infektion machen"
Laut Steininger sei das realistischste Ziel, aus der lebensgefährlichen Erkrankung eine milde Infektion zu machen. "Das können wir erreichen, indem wir möglichst viele Menschen einer Grundimmunisierung zuführen. Und selbst wenn wir die Infektion nicht verhindern können, können wir sie deutlich abmildern." Aber dazu brauche es mehrere Dinge: Eine Grundimmunisierung in der Bevölkerung anhand derer sich weisen wird, wie häufig und wie lange wir Booster-Impfungen brauchen werden. Bei sehr infektiösen Viren schätzt man, dass man deutlich über 90 Prozent Grundimmunisierte braucht, um eine epidemiologische Veränderung herbeizuführen."
Wie lange das noch dauert, bis wir diese Stufe erreicht haben, "hängt davon ab wie viel Prozent der Bevölkerung wirklich immunisiert sind, wie häufig noch neue Varianten entstehen und wie stark die Kreuzimmunität ist", hält der Mediziner fest. Die Kreuzimmunität hält Steininger auch für eine Zukunftsperspektive: "Wenn wir eine Grundimmunität gegen 12 Varianten oder mehr haben, dann tut uns auch die 4. oder 5. Variante nicht mehr so weh."