Diphtherie wurde einst als "Würgeengel der Kinder" bezeichnet. Weil die Krankheit heute kaum mehr bekannt ist, sinkt die Impfbereitschaft. Das wurde einem 10-Jährigen in Berlin (Deutschland) nun zum tödlichen Verhängnis.
Im September 2024 wurde der Bub mit entzündeten Mandeln in ein Spital in Potsdam eingewiesen. Später wurde Diphterie diagnostiziert und er musste auf die Intensivstation verlegt und künstlich beatmet werden. Nach Monaten ist der Waldorfschüler nun gestorben. Nach Angaben des Brandenburger Gesundheitsministeriums war es nicht geimpft. Der Sprecher des Potsdamer Klinikverbunds erklärte, die Erkrankung sei ohne rechtzeitige Behandlung "mit einer Sterblichkeit von bis zu 50 Prozent verbunden". Selbst mit frühzeitiger Therapie liege die Letalität bei rund zehn Prozent.
Die Diphtherie ist eine durch den Erreger Corynebacterium diphtheriae hervorgerufene Infektionskrankheit. Sie ist weltweit verbreitet, kommt aber in Industrieländern aufgrund der Impfprophylaxe heute selten vor. Die klassischen Eintrittspforten sind der Atmungstrakt und die Haut.
Die Hautdiphtherie kommt hauptsächlich in den tropischen Regionen vor und manifestiert sich als schlecht heilende Geschwüre, bedeckt von schmutzig grauen Membranen.
Die klassische Diphtherie betrifft die Atemwege und beginnt mit Halsschmerzen, Müdigkeit und Lymphknotenschwellung. Die Bakterien siedeln sich im Rachen – besonders in der Gegend der Mandeln – an, vermehren sich auf der Schleimhaut und bilden ihren Giftstoff. Die Keime bleiben im Halsbereich, während das Toxin über die Blutbahn in den ganzen Körper verbreitet werden kann. Im Nasenrachenraum bilden sich Pseudomembranen (griech: "diphthera", Lederhaut), die sich über eine oder beiden Gaumenmandeln sowie über die restlichen Gewebe des weichen Gaumens ausdehnen und beim Abtragen stark bluten. Die Pseudomembranen können auch Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien befallen und zu Atemnot und Ersticken führen, die ohne sofortige Maßnahmen lebensbedrohlich werden können. Das Krankheitsbild kann von einer lokalen Infektion (Nase, Rachen, Kehlkopfdiphtherie) über eine Infektion der Atemwege bis zu einer schweren toxischen Form (Herzmuskel-, Nieren-, Leberschäden) variieren.
Die Therapie muss so früh wie möglich eingeleitet werden. Sie erfolgt gleichzeitig mit Antibiotika und einem Diphtherie-Antigift. Bei vollständiger Grundimmunisierung und regelmäßig durchgeführten Auffrischungen ist der Krankheitsverlauf in der Regel mild. In Österreich ist der Erkrankungs- und Todesfall an Diphtherie meldepflichtig.
Nach 20 diphtheriefreien Jahren wurden in Österreich seit 2014 einzelne Fälle von Schleimhaut-Diphtherie oder Hautdiphtherie gemeldet. Im Jahr 2022 wurden 63 Diphtherie-Fälle bestätigt. Ein Diphtherie-Fall verlief tödlich. Im Jahr 2023 wurden insgesamt vier Fälle von Diphtherie gemeldet.
Die Impfung bietet laut dem deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) einen zuverlässigen Schutz gegen die Symptome der Diphtherie, nicht aber vor der Infektion mit dem Erreger. Hierzulande ist die Diphterie-Impfung für Kinder bis 15 Jahre im kostenlosen Impfprogramm enthalten und wird im Rahmen einer Sechsfach-Impfung im dritten, fünften und elften bis zwölften Lebensmonat geimpft. Eine Auffrischung für Erwachsene ist privat zu zahlen.