Sicherheitssexperte knallhart:

"Dass die Neutralität uns schützt, ist illusorisch"

Franz-Stefan Gady warnt, dass die USA künftig Europa nicht mehr beschützen wollen. Österreichs Neutralitätspolitik würde damit kollabieren.

Newsdesk Heute
"Dass die Neutralität uns schützt, ist illusorisch"
Franz-Stefan Gady hat eine klare Einstellung zur österreichischen Neutralität: "Dass [sie] uns schützt, ist illusorisch."
picturedesk.com; Screenshot ORF

Egal, ob Kamala Harris oder Donald Trump das Rennen um das Weiße Haus für sich entscheidet, Europa muss sich künftig auf der Weltbühne emanzipieren, sagt der Politikberater und Verteidigungsexperte Franz-Stefan Gady in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" am Montag.

"Die Trends, die in den USA vorherrschen, gehen in die Richtung, dass Europa ein rauerer Wind aus den Vereinigten Staaten entgegenschlagen wird." Quer über Sicherheits-, Außen- sowie Wirtschafts- und Schuldenpolitik werde es immer öfter "America first" heißen.

Europa müsse künftig selbst für die eigene Sicherheit sorgen, "wir haben uns [...] bereits in den letzten Jahren in falscher Sicherheit gewiegt. Zunehmend hätten die USA kein Interesse und auch nicht mehr die Kapazität für uns Schutzmacht zu spielen.

"Funktioniert nicht mehr"

"Der sicherheitspolitische Fokus der USA wird künftig nicht mehr in Europa liegen – sie werden sich militärisch sehr stark auf Asien konzentrieren, sei es unter Harris oder Trump. Generell wollen sie auch nicht mehr die Ordnungsmacht sein, die sie lange waren", so Gady.

Deutschland und anderen europäischen Staaten könne man eine gewisse "sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei" vorwerfen. Militärische Sicherheit sei an die USA ausgelagert worden, Energiesicherheit an Russland und die wirtschaftliche Wachstumssicherheit an China. Das endet jetzt: "Es war klar, dass dieses Modell – umgemünzt auf ganz Europa – nicht mehr für den Rest des 21. Jahrhunderts funktionieren wird."

Österreichern wird "etwas vorgemacht"

Ein möglicher russischer Sieg in der Ukraine könnte ihm zufolge auch die europäische Sicherheitsarchitektur in Teilen kollabieren lassen – "und dazu die österreichische Neutralitätspolitik, wie sie jetzt vermittelt wird."

Für seine österreichische Heimat findet der weltgewandte Südsteirer knallharte Worte: "Dass die Neutralität uns schützt, ist illusorisch." Die militärische Macht der USA hätte auch Österreich bislang einen Schlupfwinkel gewährt: "Vertreter mancher Parteien sollten sich nach dem Aufstehen einmal in Richtung Westen verbeugen und den USA Danke sagen. Dafür nämlich, dass sie überhaupt mit ihrer Neutralitätspolitik den Österreicherinnen und Österreichern etwas vormachen dürfen."

Was unsere Neutralität wirklich ist

Die Neutralität Österreichs ist nicht Teil des Staatsvertrages mit den Alliierten, sondern in einem separaten Bundesverfassungsgesetz klar geregelt. Es besagt, dass Österreich seine Neutralität verteidigen und weder Militärbündnissen beitreten, noch Militärbasen fremder Staaten auf eigenem Territorium zulassen wird – nicht mehr, nicht weniger.
Wörtlich heißt es in Artikel I:

(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Quelle: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Neutralitätsgesetz

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    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Franz-Stefan Gady, Politikberater und Verteidigungsexperte, betont in einem Interview, dass Europa sich künftig auf der Weltbühne emanzipieren muss, unabhängig davon, ob Kamala Harris oder Donald Trump die US-Präsidentschaft gewinnt
    • Er warnt, dass die USA ihren sicherheitspolitischen Fokus nach Asien verlagern und Europa selbst für seine Sicherheit sorgen muss, während er die österreichische Neutralitätspolitik als illusorisch bezeichnet
    red
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