Politik
"Das sind keine..." – Rektor belehrt Martin Thür im ORF
Hat Österreich zu wenig Ärzte? Die Politik schreit laut Ja, doch ein MedUni-Rektor gibt klar kontra – und klärt auch gleich Martin Thür auf.
Mehr als 11.000 Bewerber ritterten beim heurigen Aufnahmetest um einen der 1.850 Plätze für ein Medizinstudium. Weil es aber in den Krankenhäusern fast überall an Ärzten fehlt – in den kommenden Jahren wird mehr als ein Drittel der praktizierenden Ärzte ihr gesetzliches Pensionsalter überschritten haben – , wird der Ruf nach mehr Ausbildungsplätzen immer lauter.
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker fordert ebenso eine Aufstockung der Studienplätze, da summa summarum nur 70 Prozent der in Österreich fertig studierten Ärzte auch hierzulande tätig werden. Die Ärztekammer sieht dafür ein Problem an den Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem.
"Es mangelt uns nicht an Ärzten!"
In der ZIB2 Freitagnacht schlug sich Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, klar auf die Seite der Ärztekammer: "Es mangelt uns nicht an Ärzten, sondern an attraktiven Stellen. Wir bringen sie nicht dort unter, wo sie versorgungssichernd sind." Im gesamten System müsse an vielen Stellschrauben gedreht werden, denn "was nach ihrer Promovierung passiert, liegt in der Hand vieler anderer Player aber nicht bei den Universitäten", so der Professor.
"Da schieben sich alle die heiße Kartoffel im Kreis herum", kommentierte Moderator Thür die gegenseitigen Schuldzuweisungen. "Da haben Sie recht", gab der Rektor zu. Die Situation nerve ihn auch persönlich, dennoch plädierte er auf eine "profunde Auseinandersetzung mit dem Gesundheitssystem". Die Politik müsse "im eigenen System Änderungen vornehmen, um die ausgebildeten Ärzte unterzubringen." Die wenig geschätzten Kassenarzt-Tarife seien da auch ein Mosaikstein.
Unis stehen "mit dem Rücken zur Wand"
Doch warum nicht einfach mehr Ärzte ausbilden, wenn so viele lieber privat praktizieren? Er wehre sich aus zwei Gründen dagegen, erklärte Fleischhacker. Zum Einen sei es Steuergeld, das dafür ausgegeben werden müsste, aber aus seiner Sicht wohl anders besser ausgegeben wäre und zum Anderen habe er einfach nicht mehr Platz und Personal dafür: "Wir haben nicht mehr Kapazitäten [...] Es ist auch ein Quantitätsproblem auf Seiten der Ausbildner", die Universitäten stünden dahingehend "ein bisschen mit dem Rücken zur Wand".
"Sind keine Numerus-Clausus-Flüchtlinge"
Als Martin Thür den Begriff "Numerus-Clausus-Flüchtlinge" aussprach, brach der Professor in Fleischhacker durch. Er lehnte diese Bezeichnung entschieden ab und belehrte Thür, dass das ganz normale junge Menschen seien, die Medizin studieren wollen. Denn, so der Uni-Manager weiter, einige würden auch in Deutschland die Kriterien für eine Studienzulassung erfüllen, würden aber trotzdem lieber in Österreich lernen wollen, "weil's bei uns einfach auch schön ist, und fein, und angenehm!"
Wie der politische Diskurs anhand solcher Begriffe geführt wird, besorgt Fleischhacker: "Man darf das nicht so immer durch die selbe Brille betrachten. Das ist ein Zusatzding, das mich besorgt an der Diskussion. Es gibt so eine polarisierende Schwarz-Weiß-Malerei: Hier die guten Österreicher, da die bösen Numerus-Clausus-Flüchtlinge, die uns die Studienplätze wegnehmen... Das ist für mich keine konstruktive Diskussion."