Politik

"Das sag ich z'Fleiß" – Kogler lässt im ORF aufhorchen

Die ORF-Sommergespräche gingen in die zweite Runde, diesmal mit Vizekanzler Werner Kogler. Der grüne Bundessprecher stichelte gegen Mikl-Leitner.

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    Der zweite Gast bei den alljährlichen ORF-Sommergesprächen: Grünen-Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler.
    Der zweite Gast bei den alljährlichen ORF-Sommergesprächen: Grünen-Bundessprecher und Vizekanzler Werner Kogler.
    Sabine Hertel

    Moderatorin Susanne Schnabl stellte einleitend die Frage, ob die Grünen in vier Jahren Regierungsbeteiligung unser Leben verändert haben – oder das Regieren die Grünen. Ob die Sendung eine Antwort auf diese Frage lieferte, sei dahingestellt und liegt wohl im Auge des Betrachters. Dennoch wurden viele Themen angeschnitten, ganz im Stile Werner Koglers fiel die eine oder andere Antwort dabei etwas großzügiger aus. Bevor es in das mitunter auch schon als "Besenkammer" betitelte Sprechzimmer 23 im neu renovierten Parlament ging, schlenderten Schnabl und Kogler durch den Plenarsaal.

    "Sag ich z'Fleiß"

    Zuschauer, Abgeordneter, Regierungsmitglied – Kogler kennt alle Perspektiven. Das Abgeordnetendasein habe er sehr geschätzt. Angesprochen auf den "präfaschistoid"-Sager in Richtung Johanna Mikl-Leitner versucht er, zu relativieren. Zurücknehmen will er ihn aber nicht, denn: "so eine Herangehensweise und Sprachverwendung (ist) vergleichbar mit Zeiten, die wir schon hatten". Er wolle der "Frau Landeshauptmann" jedoch nichts unterstellen. Es gehe lediglich darum, dass eine Obrigkeit nicht bestimmen könne und solle, wer und was normal ist, so der Vizekanzler im Gespräch. Frau Landeshauptmann? "Das sag ich ja z'Fleiß", spielt er auf die Gender-Debatte in Niederösterreich an.

    Kein Vertrauen in Lebensmittelkonzerne

    Angekommen in der "Besenkammer" ging es ans Eingemachte. Schnabl hakte hinsichtlich der nach wie vor hohen Lebensmittelpreise nach, derer sich der Vizekanzler gemeinsam mit Konsumentenschutzminister Johannes Rauch schon vor Monaten annehmen wollte. Das Streichen der Mehrwertsteuer sieht Kogler nicht als der Weisheit letzter Schluss. Denn: "Momentan hab ich kein Vertrauen in die Konzerne", die die Streichung an die Konsumenten weitergeben müssten. 

    Stattdessen verfolge man das Prinzip, mittels Direktzahlungen und Steuererleichterungen jenen zu helfen, die weniger verdienen. Über das Streichen der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel könne man dann reden, wenn die Preise stärker ansteigen würden als in Deutschland, was aktuell nicht der Fall sei. Nicht zuletzt, da die Bundeswettbewerbsbehörde ein Auge auf die Lage in den Supermärkten habe und "reinfahre". Außerdem wolle man Abstand zum Gießkannenprinzip halten. Er sieht sogar eine leichte Entspannung der Situation: in manchen Bereichen seien die Lebensmittelpreise zuletzt weniger stark gestiegen. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass der Ukraine-Krieg uns erst in diese Lage gebracht habe, so Kogler.

    Die Ärmsten entlasten

    Ein weiteres Thema, das viele Menschen hierzulande beschäftigt, sind die steigenden Wohnkosten, vor allem in Form von Mieterhöhungen. Hier verweist Kogler darauf, dass die Inflation sinke, wenn auch langsam. Aus seiner Sicht lägen die Erhöhungen teilweise deutlich über der Inflation, hier müsse man eingreifen. Dennoch verweist er mehrmals darauf, dass jene Gruppen mit finanziellen Zuwendungen bedacht würden, die es am bittersten nötig hätten. Etwa mithilfe des Kinderarmutspakets oder der Inflationsabgeltung für Angehörige des untersten Einkommensviertels. 

    Vor allem die Abschaffung der kalten Progression sei ein wichtiger Schritt gewesen, von dem alle etwas hätten. Aktuell stehen man weiters in Verhandlungen mit dem Finanzminister, um Absetzbeträge zu installieren, die beispielsweise Alleinerziehende steuerlich stärker profitieren lassen würden. 

    Banken sollen etwas zurückgeben

    Kogler gesteht zwar ein, dass wir uns einer Krisensituation befinden, dennoch zeigt er sich recht zufrieden mit Aspekten der Regierungsarbeit. Angesprochen auf die weitverbreitete Unzufriedenheit mit dem türkis-grünen Krisenmanagement meint er: "Ich verstehe die Unzufriedenheit gut." Die Sorgen und Ängste der Menschen in Kriegs- und Krisenzeiten seien berechtigt – europa- und weltweit hätten viele Institutionen an Vertrauen eingebüßt, relativiert er das Phänomen. 

    Die Schere zwischen Spar- und Kreditzinsen, die dazu führt, dass Menschen ihre Kredite kaum mehr abzubezahlen wissen, Sparer durch die Finger schauen, während die Banken Gewinne schreiben, "muss man nicht hinnehmen". Die Banken wurden schon einmal von den Steuerzahlern gerettet, nun sei es an der Zeit, dass sie etwas zurückgeben. Kogler will jedoch vermeiden, sie zum Feindbild zu erklären, denn ein stabiles Banken- und Finanzsystem sei essenziell. 

    Schere zwischen Spar- und Kreditzinsen soll geschlossen werden

    Eine Übergewinnsteuer sei für ihn nicht aus der Welt, für Energiekonzerne habe man sie bereits eingeführt. Aber ab wann würde eine solche Steuer Sinn ergeben? "Wenn der Beweis erbracht ist, dass die Diskrepanzen ökonomisch nicht mehr erklärbar ist", wofür es Indizien gebe. Man müsse derlei Maßnahmen jedoch "ökonomisch vernünftig" vorbereiten, so Kogler. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, die Bankenabgabe zu erhöhen, "wenn's einfach und schneller geht". 

    Außerdem wäre es möglich, über den Konsumentenschutz "reinzufahren", weil die Bürger direkt betroffen seien. In diesem Zusammenhang verweist Kogler auf eine bereits laufende Klage von Johannes Rauch gegen eine der größten Banken Österreichs. Wichtig sei, die Vernunft walten zu lassen, "sozial gerecht und ökonomisch vernünftig" zu handeln, wiederholt Kogler sein wirtschaftspolitisches Mantra. 

    Bodenversiegelung eindämmen, "überall Photovoltaik rauf"

    Kärnten und Koglers Heimatbundesland, die Steiermark wurden kürzlich von schweren Unwettern heimgesucht. Darauf angesprochen sieht Kogler Fragen der Versicherung als wenig prioritär.

    Er fokussiert auf das große Ganze: der Planet "fiebert", daher stellt sich die Frage wie wir "Aspirin, Pulverln und Pflaster" verteilen.

    Die Hochwassersituation könne man entschärfen, noch wichtiger sei jedoch, die Bodenversiegelung einzudämmen. Konkret bedeutet das: weniger neue Einfamilienhäuser oder Supermärkte in Ortskernen. Das bedeute jedoch keine Absage an Eigenheime für die junge Generation, es gebe genug einschlägig gewidmete Flächen.

    "Wir sollten den Menschen aber nicht einreden, dass wir neun Millionen Einfamilienhäuser haben können", schränkt er den Wunsch nach den eigenen vier Wänden ein. Auch Flüssen müsse man wieder mehr Raum geben. Kogler will eine Allianz für den Bodenschutz, womit alle ökologischen Fragen zusammenhängen würden. Außerdem wolle er Supermarktketten dazu verpflichten, "dass überall Photovoltaik raufkommt", was man vonseiten des Bundes fördern könnte. Angesprochen auf das noch ausstehende Klimaschutzgesetz wird Kogler angesichts der Pattsituation eine Spur weniger gesprächig, abschreiben will er es aber noch nicht.

    Zuversicht im Gesundheitsbereich

    Generell sieht er hinsichtlich der Klimapolitik den Verzicht nicht als das ausschlaggebende Thema, stattdessen fokussiert er auf die Chancen, die sich ergeben. Keine eindeutige Antwort entlockte ihm Schnabl bezüglich der Beschuldigtenrechte, die im Zusammenhang mit in der Öffentlichkeit kursierenden Chatnachrichten immer wieder diskutiert werden. An sich halte er sie für wichtig, dafür würden so Ermittlungen in heiklen Bereichen wie der Kinderpornographie oder dem Terrorismusverdacht erschwert – man müsse daher abwägen. 

    Aktuell steht Gesundheitsminister Rauch erneut in Verhandlungen mit den Ländern, was die Ausgestaltung des krankenden Gesundheitssystems anbelangt. Kogler will auch hier nicht Schwarzmalen: im Vergleich mit anderen Ländern sei unser Gesundheitssystem immer noch eines der besten. Er glaub nicht daran, dass es "an die Wand fährt", wenn man weiterhin nicht den Kopf in den Sand und stattdessen Mittel reinsteckt. Er zeigt sich zuversichtlich, "dass da etwas besser werden kann, wenn alle mitspielen". 

    "Es geht um die Zukunft unseres Planeten"

    Wo sind die Grünen in zwei Jahren? Das will Moderatorin Schnabl von ihm wissen. Doch Kogler ziert sich, nur ungern blicke er weiter als sechs Monate in die Zukunft. Für ihn ist sehr offen, wie die neue Regierung nach der kommenden Nationalratswahl im Herbst 2024 ausschauen wird.

    Zum Schluss gab es noch eine Übung, bei der sich der Vizekanzler zur Abwechslung in Zurückhaltung üben musste. Er solle seine vierjährige Vizekanzlerschaft in einem Satz – wohlgemerkt ohne Beistrich – beschreiben. "Es geht um die Zukunft unseres Planeten", schreibt er ohne langes Zögern. "Das treibt mich an. Das schreibe ich nicht, dann hätte ich schon wieder zwei Sätze."