Eltern wollen nur das Beste – und setzen darum häufig hohe Ansprüche an sich und ihren Nachwuchs. Doch wer zu streng ist, riskiert mehr als nur ein paar Tränen: Kinder fühlen sich unter Druck gesetzt, die Nähe schwindet und der Stress steigt bei allen Beteiligten.
Wer nur auf Kontrolle setzt, verliert oft das, was im Familienalltag am wichtigsten ist: eine starke, liebevolle Verbindung. Was die eigene Erziehung für eine Rolle spielt und was Eltern hilft, wenn sie merken, dass sie zu streng reagieren, hat die Sozialpädagogin Susanne Fischer "20 Minuten" verraten.
"Die Familie ist der prägendste Ort für die psychische und physische Gesundheit von Kindern", so die Expertin. Seien Eltern dauerhaft gestresst oder emotional überfordert, würden sie oft strenger reagieren, als sie eigentlich möchten. "In solchen Momenten fehlt die Sensibilität, um kindliche Bedürfnisse richtig wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Kinder spüren dann, dass ihre Grundbedürfnisse nicht beantwortet werden." Das führe schlussendlich zu Frustration, Rückzug oder Wut.
Neben mangelnder Feinfühligkeit und fehlender sicherer Bindung könnten außerdem unrealistische Erwartungen an das Kind die Entwicklung negativ beeinflussen.
Woher diese kühle Strenge komme, sei für Fischer klar: "Eltern geben oft unbewusst weiter, was sie selbst erlebt haben – etwa, wenn sie in einem kühlen, emotionsarmen Elternhaus aufgewachsen sind. Strenge entsteht aber oft auch aus Überforderung: Wer erschöpft ist und den Zugang zu sich selbst verliert, reagiert aus dem Affekt heraus mit Härte, weil er emotional nicht mehr anders kann. Kinder erfahren dann oft Abwertung."
„Kinder erfahren dann oft Abwertung.“
Ein klares Warnzeichen seien hier vor allem dauerhaft zu hohe Erwartungen an das Kind. "Erwartungen, die dessen Entwicklung nicht entsprechen." Die Alarmglocken sollten ebenfalls schrillen, wenn nur noch Regeln und Konsequenzen dominieren.
Die Folge seien Wutanfälle, Rückzug, Schlafprobleme oder körperliche Symptome, wie Bettnässen, bei den Kindern. Langfristig jedoch auch Unsicherheit, Ängstlichkeit oder ein geringes Selbstwertgefühl. "Manche Kinder ziehen sich zurück, andere reagieren mit Aggression. In beiden Fällen fehlt ihnen das Gefühl, geliebt und wertgeschätzt zu sein – so wie sie sind."
Gar keine Strenge sei laut der Sozialpädagogin jedoch auch keine Lösung. "Strenge bedeutet für mich Halt, Klarheit, Orientierung und Sicherheit. Entscheidend ist, dass sie in einer tragfähigen, liebevollen Beziehung vermittelt wird. Wenn Kinder spüren, dass sie gesehen und geliebt werden, können sie mit klaren Regeln sehr gut umgehen." Richtig sei am Ende der goldene Mittelweg, da manche Kinder mehr Führung brauchen würden und andere mehr Freiraum. "Wenn die emotionale Verbindung stimmt, dürfen Eltern auch klar und bestimmt sein. Solange Kinder wissen: Ich bin geliebt."
Die Lösung, wenn man selbst merkt, dass man zu oft zu streng reagiert: Hinterfragen, warum man so reagiert. "Wer seine Stressmuster kennt, kann früher gegensteuern. Wichtig ist auch der Austausch mit anderen Eltern oder dem Partner – um sich selbst besser einzuordnen und zu entlasten."