TV-Duell im ORF
"Da hat er Recht"! Kogler stimmt überraschend Kickl zu
Kickl gegen Kogler fanden in einem TV-Duell voller persönlicher Beleidigungen und harten Kontern überraschend auch Gemeinsamkeiten.
Herbert Kickl gegen Werner Kogler, FPÖ gegen Grüne, Opposition gegen Regierung – unterschiedlicher könnten politische Positionen kaum sein. Die zweite Runde der ORF-TV-Duelle startete mit einer Paarung, die ordentlich Sprengkraft birgt. Zur Primetime traf am Dienstag im Studio von Alexandra Maritza Wachter der selbsternannte "Volkskanzler" auf den amtierenden Vizekanzler. Beide schenkten sich nichts!
Der Einstieg forderte aber Empathie. Wachter wollte von beiden Parteichefs wissen, wie beide die Sorgen und Ängste der jeweils anderen Wählerschaft wahrnehmen.
Da konnte Kogler nur mutmaßen, gestand Probleme mit Integration und Migration ein. Dazu noch Unsicherheiten nach Zeiten hoher Inflation, "hätte ich mal vermutet".
Kickl war dagegen voll aufmunitioniert, attestierte Kogler ein handfestes Minus bei der kommenden Wahl: Die Grünen hätten ihre Versprechen in Sachen Anstand, Gentechnik und Frieden gebrochen.
Brandmauer
Dann fiel das Stichwort "Brandmauer" gegen die FPÖ. Kogler will eine deutliche Abgrenzung und ein Bekenntnis gegen "mit Anlauf rechtsextreme" Parteien in Regierungsverantwortung. Da dürfe man auch nicht so wie die ÖVP zwischen Kickl und der Partei unterscheiden, denn "die vernünftigen Funktionäre kann man mit dem ornithologischen Feldstecher suchen dort".
Die Retourkutsche Kickls richtete sich gegen die Person Koglers selbst. Dieser habe "nicht das Format eines Vizekanzlers". Seine Handlungen während der Corona-Pandemie seien ein "Schandfleck der Zweiten Republik" gewesen: "Wenn Sie einen Extremisten, einen Antidemokraten sehen wollen, dann schauen Sie in einen Spiegel."
Hitler-Streit
Kogler hatte als Konter auf die erwartbaren Corona-Angriffe ein Foto der damaligen Demos im Gepäck, wo ein Teilnehmer mit einem Schild samt Hitlerportrait und "Impfung macht frei"-Schriftzug hochhielt. Kickl sei damals nur wenige Meter daneben gestanden, habe nicht darauf reagiert, schildert er den Hintergrund. Das beweise laut dem Grünen, dass der Freiheitliche keine Berührungsängste zum äußersten rechten Rand habe. Was Kickl da zuvor über ihn behauptet habe, passe zu dessen "Verdrehung und Lügenpropaganda".
Wütend zog Kickl folgend über eine aktuelle Kampagne eines Ex-Grünen her, die ihn mit Adolf Hitler vergleicht. Hitler sei der größte Massenmörder der Menschheitsgeschichte, er verbitte sich solche Vergleiche. Kogler stellte dann aber klar: "Ich bin auch dagegen, dass der Herr Kickl als Hitler dargestellt wird." Von dieser Kampagne wisse er nichts und habe auch nichts damit zu tun.
Flüchtlinge
In Sachen Migration will Kickl eine "No Way"-Botschaft wie in Australien und einen rigorosen Schutz der Außengrenze. Das sei "die einzige Möglichkeit". Der einzige in der EU, der hier auf dem richtigen Wege sei, wäre Viktor Orbán.
Der Grünen-Obmann warf Kickl daraufhin vor, auf dem Autokraten-Auge blind zu sein: 90 Prozent der Aufgegriffenen seien über die ungarische Grenze nach Österreich gekommen, obwohl man das Land beim Grenzschutz unterstützt habe. Ungarn sei nicht wie dargestellt ein "Vorbild", sondern lasse die Flüchtlingsströme hinein und schicke sie umgehend weiter. Kickl sei "von vorne bis hinten verlogen, wie die gesamte Politik des Herrn Orbán". Der Angesprochene konstatierte, dass das Problem schon in Griechenland beginne.
Herr Karner
Danach wurde noch die Messenger-Überwachung angeschnitten: Kickl wisse besser, was es zum Schutz gegen den Terror brauche als der aktuelle Staatsschutzchef, weil er einmal Innenminister gewesen war.
Kickl sei heute und auch damals schon ein "Sicherheitsrisiko" gewesen, donnerte Kogler zurück. Dazu zog er in Zweifel, dass der Terror-Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien unter blauer Verantwortung verhindert hätte werden können – dazu sei die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten zu sehr von Kickl beschädigt worden: "Bei Ihnen hat ja gar nichts funktioniert als Innenminister, da kann ja der Herr Karner mehr. [...] Da muss man ja die ÖVP in Schutz nehmen."
Kickl: "Hören Sie auf, einen Blödsinn daherzureden. Erkundigen Sie sich, bevor Sie da den Mund aufmachen."
Zusammenlegung der Krankenkassen
Diese sei "völlig verkehrt gemacht" und die Patientenmilliarde erwiesenermaßen nur ein "Marketing-Gag" gewesen, ärgerte sich Kogler. Das habe der Rechnungshof bestätigt, die Mehrkosten von 215 Millionen Euro würden Österreich immer noch belasten. "Die Frau Hartinger hat im Gesundheitsministerium eine Baustelle hinterlassen, die ihresgleichen sucht. Da wird heute noch zusammengeräumt, bei dem Schutt der da umeinanderliegt. Das ist auch das Ergebnis der blauen Regierungsbeteiligung."
Kickl wiederum verteidigt die damaligen Änderungen unter FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein. Die Mehrkosten seien entstanden, weil die Freiheitlichen wegen Ibiza nicht lange genug regiert hätten. Er wolle "im Interesse der Patienten" sogar noch weitere Straffungen. Eine "aufgeblähte, wuchernde Verwaltungsbürokratie" dazwischen fresse den Großteil des Budgets auf. Er wolle verhindern, dass sich Landeshauptleute als Denkmäler-Ersatz "ein Spital in die grünen Wiesen" setzen.
Gemeinsamkeiten
Da offenbarten sich plötzlich Gemeinsamkeiten zwischen Blau und Grün. Kogler stimmte zu, dass die Spitalsplanung über Landesgrenzen hinweg "immer ein Fiasko" sei. Das kenne er etwa aus dem Burgenland und der Steiermark: "Von Hartberg bis Oberwart kannst du locker in kurzer Zeit mit dem Fahrrad fahren. Da werden Krankenhaus-Denkmäler in die Höhe gezogen, nur damit die Steirer nicht im Burgenland auf die Welt kommen und umgekehrt. Absurd."
Das Gleiche bei der Großgeräteplanung, wo die modernsten Maschinen nicht eingesetzt würden, "weil sich irgendwer durchsetzen will". Zum Abschluss kassierte auch noch die Ärztekammer: Diese sei vielleicht eine gute Standesvertretung, aber "sicher nicht für die Patienten". Genau damit habe der Grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch aufgeräumt.
"Kriegstreiber"
Kogler schlug erstmal noch den Bogen zurück zum Anfang des Duells, wo Kickl die Grünen – wie schon so oft – "Kriegstreiber" geschimpft hatte: "Wenn es einen Kriegstreiber, einen Kriegsverbrecher gibt, dann ist das Putin. Und dort sitzen Sie [Kickl] am Schoß!" Als neutrales Land könne man hier sehr wohl einen Beitrag leisten. Neutralität heiße nicht, "teilnahmslos am Rande zu stehen, wenn in der Ukraine massenvergewaltigt wird, massengemordet wird, Kinder verschleppt werden und auch Spitäler für Kinder, die Krebs haben, vernichtet werden. Es ist einfach dort: Wenn der Kriegstreiber Putin den Krieg beendet, dann ist der Krieg vorbei."
Auch Kickl holte folgend weiter ebenfalls bis nach Moskau aus: "Schauen wir bei der Eskalationsspirale zu und treiben das immer weiter, oder ist irgendwer mal so gescheit, aus dieser Eskalationsspirale herauszusteigen. Und wenn es Putin nicht ist,.... vielleicht jemand auf europäischer Ebene. Der Klügere gibt manchmal nach."
Sehnsucht Frieden
Zum Abschluss hielt der Grünen-Chef noch ein Plädoyer für den Frieden, Verbalwatsche für die FPÖ inklusive: "Die größte Sehnsucht ist nach Frieden. Am besten, es hat überhaupt keiner Waffen. Aber wenn es so ist, dass die einen aggressiv vorgehen, dann muss sich der andere verteidigen können. Es ist ein Unterschied zwischen einem echten und ehrlichen Frieden und abgrundtiefer Naivität, dass wir kein Erniedrigungsdiktat dort haben. Die ukrainische Bevölkerung hat das Recht, sich zu verteidigen. Sie soll leben dürfen, wie sie will." Wenn Putin nicht Paroli geboten werde, werde diese nie aufhören.
Damit fand er aber auch noch eine weitere Übereinstimmung zu den freiheitlichen Forderungen: "Es muss immer einen Gesprächskanal geben." Wien biete sich auch als Verhandlungsort an. "Das machen wir ja, das macht Scholz, das macht Macron. Das weiß er [Kickl] halt nur nicht, weil wir es nicht im Fernsehen erzählen."
Am Ende war klar: Trotz einiger Übereinstimmungen, Freunde werden diese beiden nicht mehr.
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Auf den Punkt gebracht
- Das TV-Duell zwischen Herbert Kickl (FPÖ) und Werner Kogler (Grüne) im ORF war geprägt von persönlichen Beleidigungen und harten Kontern, offenbarte jedoch auch überraschende Gemeinsamkeiten
- Trotz ihrer gegensätzlichen politischen Positionen stimmten beide in der Kritik an der Spitalsplanung und der Ärztekammer überein, während sie sich in Fragen der Migration, Corona-Politik und internationaler Konflikte scharf widersprachen