Politik

Regierung ohne ÖVP? "Frage des Selbstbewusstseins"

Im ersten "Heute"-Interview als SP-Chef kritisiert Hans Peter Doskozil das "Versagen der Regierung". Er will Österreich "aus der Stagnation befreien".

Clemens Oistric
Hans Peter Doskozil im Gespräch mit Clemens Oistric (<em>"Heute"</em>)
Hans Peter Doskozil im Gespräch mit Clemens Oistric ("Heute")
Helmut Graf

Etwas mehr als 24 Stunden sind seit seiner Kür zum elften Parteichef in der Geschichte der SPÖ vergangen. Hans Peter Doskozil (52) ist der zweite Burgenländer (nach Fred Sinowatz) der das Spitzenamt der Roten innehat und sorgte gleich in seiner Siegesrede mit seiner Absage an eine Koalition mit der FPÖ und einer – vorsichtig formuliert – kritischen Haltung gegenüber einer Großen Koalition für Aufsehen. Im "Heute"-Interview spricht er nun über innerparteiliche Auseinandersetzungen, Personalsuche und die Blockadehaltung der SPÖ im Parlament:

"Heute"Herr Vorsitzender, wie kurz war Ihre Nacht nach dem Sieg am SPÖ-Parteitag – haben Sie das Ergebnis gefeiert?
Doskozil: Ehrlich gesagt: es war reichlich unspektakulär. Ich habe mich mit einigen Unterstützerinnen und Unterstützern, die denselben Weg hatten, noch kurz auf der Autobahnraststätte Steinhäusl getroffen und einen Kaffee getrunken. Dann bin ich nach Hause gefahren. Es war alles in allem doch ein anstrengender Tag – und das deutsche Cup-Finale war auch noch …

Wie geht es in der SPÖ jetzt weiter – mit wem tauschen Sie sich über die nächsten Schritte aus?
Ich führe so viele Gespräche wie möglich. Zuerst natürlich mit meinem Team, aber auch mit vielen wichtigen Akteurinnen und Akteuren der Partei. Es ist kein Lippenbekenntnis von mir, dass ich versuche, auf möglichst alle zuzugehen. Noch in der ersten Wochen-Hälfte sollten auch die Bundesparteigremien zusammenkommen, damit wir die nächsten Schritte gemeinsam besprechen und festlegen können. 

Ihr Vertrauter Max Lercher soll in die Bundesgeschäftsstelle zurückkehren. Ist die Personalie gesetzt?
Max Lercher ist eine der wichtigsten Zukunftshoffnungen der SPÖ. Aber ich kommuniziere jetzt keine Personalentscheidungen. Das wird in den Gremien besprochen und beschlossen. 

"Das Versagen dieser Regierung führt auch dazu, dass wir bei der Teuerung zu den traurigen Spitzenreitern in Europa gehören."

Stimmt es, dass der Posten der Klubobfrau im Parlament in weiblicher Hand bleibt?
Auch dafür gilt die gleiche Antwort.

Wird die SPÖ unter Ihrer Führung weiter Gesetze im Parlament blockieren?
Die Regierung sollte regieren, die Opposition kontrollieren. Wenn die Regierung nichts zustande bringt, wenn sie in keiner wesentlichen Frage bereit ist, andere Meinungen und andere Parteien einzubinden, ist es reichlich seltsam, diese Zusammenarbeit von anderen einzufordern, wenn es gerade opportun ist.

Aber was hat die Bevölkerung davon? Sollte nicht der einzige Gradmesser für Zustimmung oder Ablehnung der SPÖ sein, ob ein Gesetz gut ist für die Menschen oder nicht?
Das alles zeigt, wie wichtig es ist, Österreich aus der lähmenden Stagnation zu befreien, in die es von der derzeitigen Bundesregierung manövriert wurde. Das Versagen dieser Regierung führt auch dazu, dass wir bei der Teuerung zu den traurigen Spitzenreitern in Europa gehören und immer mehr Menschen nicht wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Auch da gibt es keinerlei Bemühung, Ideen anderer aufzugreifen.

Viele hat Ihre Koalitionsabsage an die ÖVP abgeschreckt. War das in der Hitze des Gefechts dahingesagt oder ist das für Sie in Stein gemeißelt?
Ich habe gesagt, dass ich eine Koalition mit der FPÖ ausschließe, aber wieder Wähler zur Sozialdemokratie zurückholen will, die wir an die Freiheitlichen verloren haben. Dann wären wir stark genug, damit auch das Ziel einer Regierung ohne ÖVP erreichbar ist. Das ist eine Frage des Selbstbewusstseins. 

"Wir wollen ein neues sozialdemokratisches Jahrzehnt in Österreich einleiten."

Die SPÖ liegt in Umfragen bei 20-22 Prozent. Glauben Sie wirklich, dass sich eine Ampel-Mehrheit 2024 ausgehen kann? Wenn ich nicht glauben würde, dass wir wieder Wahlen gewinnen und Blau-Schwarz verhindern können, wäre ich nicht angetreten. Wir wollen gemeinsam ein neues sozialdemokratisches Jahrzehnt in Österreich einleiten. Die Chancen waren noch nie so groß wie jetzt. Mit einer neuen Aufbruchsstimmung als geeinte, starke Partei erreichen wir das.

Sie haben angekündigt, auf Ihre Kritiker in der Partei zugehen zu wollen – in welcher Form soll dies geschehen?
Das war nicht einfach so dahingesagt. Mir ist es ernst damit, dass wir Gräben wieder zuschütten und eine neue Form des Miteinander in der Vielfalt erreichen müssen. Dazu werde so viele Gespräche führen wie nötig und wie möglich. Um Wahlen zu gewinnen, braucht es die Sozialdemokratie in ihrer gesamten Breite.

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    <strong>Hans Peter Doskozil</strong> feierte am 3. Juni seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt: Die Ergebnisse wurden vertauscht.
    Hans Peter Doskozil feierte am 3. Juni seine Wahl zum SPÖ-Parteichef am Sonderparteitag. Zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt: Die Ergebnisse wurden vertauscht.
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