Politik
Aufregung um Abschiebung – Nehammer unter Druck
Aufregung um einen geplanten Abschiebeflug 2021 in München. Der damalige Innenminister Nehammer soll aus Kalkül Druck auf Deutschland ausgeübt haben.
Im Sommer 2021, als die Taliban kurz vor der Machtübernahme standen, hat die afghanische Regierung Europa bereits dazu gedrängt, keine Abschiebungen mehr durchzuführen. Österreich und Deutschland sollen damals dennoch versucht haben, einen Abschiebeflug zu starten, das berichten jetzt der "Falter" und mehrere deutsche Medien. Politisch verantwortlich waren damals die beiden Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Horst Seehofer (CSU).
Wie die Auswertung von vertraulichen Dokumenten der deutschen Bundesregierung zeigen, soll vor allem Nehammer federführend gewesen sein und Druck auf seinen deutschen Amtskollegen ausgeübt haben.
Angst vor FPÖ als Auslöser?
Konkret geht es um einen Abschiebeversuch am 3. August 2021, damals hätte die Maschine um 20.30 Uhr vom Flughafen in München stattfinden sollen. Abgehoben ist das Flugzeug allerdings nicht. Denn die Abschiebung eines Mannes wurde Stunden zuvor durch ein österreichisches Gericht gestoppt. Außerdem soll es ein Veto aus Kabul gegeben haben – Grund dafür dürften mehrere Explosionen in der afghanischen Hauptstadt gewesen sein. Die Männer, die aus Deutschland hätten abgeschoben werden sollen, waren bereits in der Maschine, als die Nachricht kam, dass keine Abschiebung stattfinden würde.
Die Recherche von NDR, WDR, der Süddeutschen Zeitung und des Falters zeigen nun offenbar, dass Österreich allen voran aus innenpolitischen Gründen zur Abschiebung gedrängt haben soll. Wie das Ö1-Morgenjournal am Mittwoch berichtet, soll die deutsche Botschaft nach Berlin gemeldet haben, dass die ÖVP eine erstarkende FPÖ fürchte, die der ÖVP wenig Spielraum lasse. Hintergrund dürfte der Tod der 13-jährigen Leonie gewesen sein – das Mädchen war wenige Wochen zuvor getötet worden.
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Nehammer verteidigt Maßnahme
Den generellen Abschiebestopp wegen Sicherheitsbedenken aus Kabul hätten beide Länder damals nicht akzeptieren wollen. Horst Seehofer erklärte auf den Vorfall angesprochen, dass er sich nicht erinnern könne. Eine Abschiebung, nur um seinen österreichischen Amtskollegen einen Gefallen zu machen, halte er aber für unwahrscheinlich.
Der nunmehrige Bundeskanzler erklärt gegenüber dem ORF-Radio in einer schriftlichen Stellungnahme, dass es kein Geheimnis gewesen sei, dass Abschiebungen so lange stattfinden sollten, wie es rechtlich möglich war. Gegenüber Ö1 erklärten die Grünen, dass die handelnden Personen die Rechtslage offenbar erkannt hätten, da die Abschiebung nicht stattgefunden habe.