Politik
"Aufg'legter Blödsinn" – ÖGB-Chef teilt im ORF aus
Die Diskussion rund um eine mögliche Arbeitszeitverkürzung erhitzt die Gemüter. Im ORF-Interview spricht Gewerkschafts-Chef Wolfgang Katzian Klartext.
Die Debatte rund um eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden wird immer hitziger geführt. Während sich SPÖ-Chef Andreas Babler zuletzt eindeutig dafür ausgesprochen hat, steigt beispielsweise Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer vehement auf die Bremse. Wir werden sogar noch mehr arbeiten müssen, nicht weniger, ist er überzeugt. Die derzeit geführte Debatte über weniger Arbeit führe das Land "in ein Drama, ist ultrapopulistisch und auch abgehoben." Darauf angesprochen, platzt im Ö1-"Journal zu Gast" nun ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian der Kragen.
"Dieses reflexartige 'Njet' zur Arbeitszeitverkürzung ist in die Jahre gekommen", so der Obergewerkschafter. "Diese schwindeligen Berechnungen, wenn man das von heute auf morgen so und so machen würde, dann würde die Welt explodieren. Das ist ein aufgelegter Blödsinn, weil das gar niemand fordert. Alle, alle, alle Arbeitszeitverkürzungen der Geschichte sind nicht von einem Tag auf den anderen gemacht worden, sondern mit entsprechenden Übergangszeiten".
Die letzte Arbeitszeitverkürzung sei bald 50 Jahre her, die Produktivität jedoch in der Zwischenzeit um 100 Prozent gestiegen. Nun sei es höchste Zeit für den nächsten Schritt, so Katzian: "Wer jammert, dass er keine Leute findet, soll mal über die Arbeits- und Rahmenbedingungen nachdenken, über den Verdienst. Natürlich werden die Leute überall dort hingehen, wo es bessere Arbeitszeiten gibt. Und wo nicht – und das sind meist die, die am meisten jammern –, dort wollen die Leute nicht arbeiten."
"Der Spieß hat sich umgedreht"
An Mahrer gerichtet: "Wenn der Wirtschaftskammer-Präsident und viele andere jetzt sagen, über Arbeitszeitverkürzung kann man nicht sprechen weil es den Arbeitskräftemangel gibt, dann schauen wir doch einfach mal auf die aktuellen Zahlen des AMS. Wir haben 310.000 Arbeitslose, dem gegenüber stehen 110.000 offene Stellen. Dass es eine Arbeitskräftebedarf gibt, ist klar, wenn es einen Mangel gibt, dann hat dieser eine andere Ursache als eine Arbeitszeitverkürzung, die nicht einmal noch stattgefunden hat", poltert der 66-Jährige im Ö1-"Journal".
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Fakt sei: "Viele Arbeitgeber haben ein echtes Problem damit, dass sich der Spieß umgedreht hat und viele Arbeitnehmer jetzt sagen, unter diesen Bedingungen arbeite ich nicht", so der rote ÖGB-Chef.
Während SPÖ-Chef Babler von einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden "in acht bis neun Jahren" spricht, möchte sich Katzian über die Dauer einer Übergangszeit nicht festlegen. In einigen Kollektivverträgen habe man bereits eine Verkürzung umgesetzt, wie im Handel oder Papierindustrie.