Politik

"Zutiefst verstörend" – Minister will nun Preise prüfen

Die multiplen Krisen hinterlassen ihre Spuren. Über 1,3 Millionen Menschen sind in Österreich armutsgefährdet. Wie der Sozialminister darauf reagiert.

Rene Findenig
Im Kampf gegen die Armut in Österreich: Sozialminister Johannes Rauch (Grüne).
Im Kampf gegen die Armut in Österreich: Sozialminister Johannes Rauch (Grüne).
Screenshot ORF

Es sind Zahlen, die in einem Land wie Österreich sprachlos machen: über 200.000 Menschen sind akut in die Armut gerutscht, über 1,3 Millionen Menschen armutsgefährdet, so die nackten Zahlen der Statistik Austria. Das Netzwerk Armutskonferenz ortet zudem eine Zunahme von Menschen, die trotz Arbeit armutsgefährdet seien. Prekär ist die Situation auch bei Kindern (30 Prozent gefährdet), Frauen in der Pension (28 Prozent), Alleinerzieherinnen (52 Prozent) und Arbeitslosen (67 Prozent). Steigende Mieten, Lebensmittelkosten und Energiepreise verschärfen die Situation immer weiter.

Zahlreiche Sozial- und Hilfsorganisationen schlagen deswegen seit Monaten Alarm, doch das Problem weite sich auch immer mehr in die Mittelschicht aus, sagt etwa Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger. Forderungen nach Maßnahmen wie einer Kindergrundsicherung, einer Energiegrundsicherung, einer Mietpreisbremse und einer Neuaufstellung von Arbeitslosengeld und Mindestsicherung gibt es immer wieder. Dazu nahm am späten Donnerstagabend Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) in der ORF-"ZIB2" bei Moderatorin Marie-Claire Zimmermann Stellung.

"Zutiefst verstörende Einzelschicksale"

Österreich hatte eine "Reihe von Krisen", die sich "überlagern und gegenseitig verstärken" würden, so Rauch. Sagen müsse man aber auch, der Sozialstaat in Österreich verhindere Schlimmeres, so der Minister. Er teile aber die Einschätzung, dass hinter den Armutszahlen Schicksale, Personen und Familien stünden und er da alles tue, um den Menschen zu helfen, so Rauch. Ein tiefer Einschnitt in den Sozialstaat sei in der Zeit der schwarz-blauen Regierung passiert, den Einschnitten haben man aber einige "Giftzähne ziehen" können. Er selbst habe bei einem Termin "zutiefst verstörende Einzelschicksale" erlebt, so Rauch, und da werde er auch handeln. 

Zum Beispiel will Rauch "auf den Grund gehen", warum im Lebensmittelhandel teils dreifache Preise für Produkte verlangt würden. Ein "kluger Vorschlag" sei auch das deutsche Modell der Armutsabsicherung bei Kindern, man müsse ihnen ermöglichen, "ein Leben in Würde" mit ihren Eltern zu führen. Das große Aber: "Das ist aktuell nicht mehrheitsfähig in der Regierung", aber er wolle "Schneisen schlagen", etwa mit der doppeklten Familienbeihilfe im August in vielen Fällen. Und es würde eine Neuaufstellung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe fehlen, so Rauch. 

"Kultur des Willkommens"

Die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner "stellen sich oft schwierig dar", so Rauch, es gebe immer Gegenforderungen. Aber: Sozialkürzungen werde es mit ihm nicht geben. "Wir sind angetreten, um Armut zu halbieren und nicht Sozialleistungen zu halbieren", so Rauch. Das werde mit den Grünen nicht passieren. In Sachen Pflege- und Spitalskrise erklärte Rauch, es müsse die Pflegemilliarde geben, um Entlastung zu schaffen. Er habe auch den Landeshauptleuten und Bundesländern als "Dienstherr" in den Landesspitälern die Hand ausgestreckt, damit man sich an einen Tisch setze, so Rauch.

Die Bezahlung sei ein Punkt, der Personalmangel ein zweiter, da könne man nicht ganz rasch Abhilfe schaffen, aber zumindest die Notversorgung in Österreich sicherstellen, so Rauch. Das System sei leistungsfähig, aber ohne Reform werde es in fünf Jahren nicht mehr finanzierbar sein und nicht mehr funktionieren. "Darunter leiden wir heute", so Rauch dazu, dass Österreich lange Politik gemacht habe, nach der alles, was von außen komme, "böse" sei. Eine "Kultur des Willkommens" müsse man deshalb wieder pflegen, sonst werde man verlieren im Vergleich zu anderen Staaten.

1/5
Gehe zur Galerie
    Die Inflation stieg im Mai auf acht Prozent.
    Die Inflation stieg im Mai auf acht Prozent.
    APA-Grafik / picturedesk.com