Irre Kehrtwende bei ÖVP
Anti-Kickl-Hardliner könnte FPÖ-Chef zum Kanzler machen
Lange Zeit galt Christian Stocker als Anti-Kickl-Hardliner innerhalb der Volkspartei. Nun könnte er dem FPÖ-Chef den Weg ins Kanzleramt ebnen.
Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Karl Nehammer soll der bisherige Generalsekretär Christian Stocker vorübergehend die Geschicke der ÖVP leiten. In einem ersten Statement am Sonntagnachmittag kündigte der Niederösterreicher an, für Gespräche mit der von Herbert Kickl geführten FPÖ offen zu sein. "Sollten wir zu den Gesprächen eingeladen werden, nehmen wir diese Einladung an", so das Urgestein der Volkspartei.
Der Schritt Stockers kommt trotz des Zusammenbruchs der Austro-Ampel überraschend. In den vergangenen Monaten etablierte sich der designierte ÖVP-Chef als Anti-Kickl-Hardliner, schloss eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen unter ihrem Parteichef vehement aus.
"Wir werden nicht mit der Kickl-FPÖ regieren"
"Herbert Kickl ist und bleibt ein Radikaler", stellte der 64-jährige Rechtsanwalt aus Wiener Neustadt noch im August klar. Dies würde auch sein Wahlprogramm zeigen. Als Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht Kickl als Wahlsieger mit dem Auftrag der Regierungsbildung beauftragte, feuerte Stocker gegen den Freiheitlichen Parteichef. "Wir werden nicht mit der Kickl-FPÖ regieren", stellte er damals klar. Auch wenn sich die Programme überschneiden, habe Kickl den "Österreichplan nicht verstanden".
Auch nachdem der FPÖ-Chef gemeinsam mit Viktor Orban eine "Wiener Erklärung" unterschrieben hatte, wetterte der ÖVP-Mann gegen Kickl: "Er vertritt Österreich nicht." In diesem Zusammenhang sprach er gar von einer "politischen Amtsanmaßung" – "Heute" berichtete.
Erst bei einer Nationalratssitzung im Dezember flogen zwischen dem bisherigen ÖVP-General und der FPÖ beim Thema Asyl die Fetzen. "Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner", wetterte der Niederösterreicher. Kickl habe bei der Suche nach einem Regierungspartner genauso versagt wie als Innenminister.
"Die Situation hat sich verändert"
Während das Tischtuch zwischen Stocker und dem FPÖ-Chef lange Zeit als zerschnitten schien, könnte nun ausgerechnet er Kickl ins Amt des Bundeskanzlers hieven. Ja, er habe Kickl stets kritisiert, nahm Stocker am Samstag auf seine immer sehr harten Worte über die Person und den politischen Kurs Kickls Bezug. Mittlerweile habe sich die Situation jedoch verändert. Es gehe jetzt um Verantwortung für das Land. Auch aus diesem Grund begrüße er die Entscheidung Van der Bellens, am Montag den Obmann der stimmenstärksten Partei, der FPÖ, in der Hofburg zu begrüßen. Diesem den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen, habe er stets für richtig gehalten.
In einer Ansprache am Sonntagnachmittag hatte Bundespräsident Van der Bellen ein Treffen mit Kickl angekündigt. Erst nach diesem Gespräch am Montagvormittag um 11 Uhr wird Klarheit herrschen, ob Kickl den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten wird.
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Auf den Punkt gebracht
- Nach dem Rücktritt von Bundeskanzler Karl Nehammer soll Christian Stocker vorübergehend die ÖVP leiten und zeigt sich offen für Gespräche mit der FPÖ unter Herbert Kickl, obwohl er zuvor eine Zusammenarbeit vehement ausgeschlossen hatte.
- Stocker betont, dass sich die Situation verändert habe und es nun um Verantwortung für das Land gehe, während Bundespräsident Van der Bellen ein Treffen mit Kickl angekündigt hat, um über die Regierungsbildung zu entscheiden.