Politik

"Das Virus ist noch da und nicht auf Urlaub gefahren!"

Gesundheitsminister Anschober (Grüne) hat am heutigen Donnerstag gemeinsam mit den Virologen Lukas Weseslindtner und Dorothee von Laer zur aktuellen Corona-Lage und dem Status der Antikörpertests Stellung bezogen.

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Anschober beginnt die Pressekonferenz im Gesundheitsministerium – ungewohnt gänzlich ohne Plexiglas-Schutzschild vor dem Rednerpult – mit erfreulichen Nachrichten: "Wir sind schon fast an der Schallmauer zur Unterschreitung der 1.000er-Grenze, was aktive Erkankte betrifft", ist der Gesundheitsminister guter Dinge. Doch auch er möchte die Österreicher wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen: Anschober greift die am Mittwoch geäußerte Warnung von WHO-Nothilfekoordinator Michael Ryan wieder auf: Corona kann ein Langzeitproblem werden. Dass viele Österreicher nun offenbar glauben würden, die Gefahr sei gebannt und sich deshalb im Alltag immer öfter sorglos verhalten, sei ein Fehler.

Neue Cluster innerhalb 24 Stunden eingrenzen

Anschober: "Es ist eben nicht vorbei. Das Virus ist noch da und nicht auf Urlaub gefahren. Singapur kann ein Lied davon singen, wie schnell es mit einer zweiten Welle gehen kann." Es werde wohl in Österreich auch weiter zu kleinen, kontrollierbaren Corona-Wellen kommen, so der Gesundheitsminister. Es gelte jetzt, eine große zweite Welle "mit aller Kraft" zu vermeiden.

Die Strategie der Regierung: "Containment 2.0". Dabei wird derzeit auf zwei Säulen – Tests und Kontaktverfolgung – gesetzt. Zum einen sollen die bisherigen PCR-Tests innerhalb 24 Stunden bei Verdachtsfällen ein Ergebnis liefern und zum anderen wird auf das Kontaktpersonen-Management gesetzt. Die regionalen Gesundheitsbehörden sollen klären, wer mit möglichen Infizierten in Kontakt stand. Hiermit sollen innerhalb von 24 Stunden mögliche Cluster ermittelt und abgegrenzt werden.

Die in aller Eile entwickelten Antikörpertests seien eine "zweite Linie" im Kampf gegen das Virus. Mittlerweile gebe es einige Tests, die eine hohe Genauigkeit aufweisen und auch schon in klinischen Studien Verwendung finden. Mittels dieser Tests könne die Antikörperprävalenz in der Bevölkerung gemessen werden. Dadurch entstehe ein ganzheitliches Bild, wie weit sich das Virus bereits hatte ausbreiten können. Es gebe eine "sehr rasche und dynamische Entwicklung in diesem Bereich". Bisher scheiterte eine flächendeckende Umsetzung daran, dass die notwendige höchste Genauigkeit, der "Gold-Standard" nur in Hochsicherheitslaboren in Tests am Virus selbst erzielt werden konnte.

Werden Öffnungsmaßnahmen beschleunigt?

Angesprochen auf das deutsche Ampelsystem für Corona-Maßnahmen, erklärte Anschober, dass er dieses System in Österreich nicht umsetzen wolle. Es bringe nicht viel, mit willkürlich festgelegten Grenzwerten zu arbeiten – "49 Infizierte sind genauso dramatisch und gefährlich wie 51". Bei einer Cluster-Bildung müsse erst vor Ort und bei einer Ausbreitung regional eingegriffen werden. Trotzdem seien bundesweite Grundregeln weiterhin wichtig.

Hierzulande werde man (vorerst) weiterhin alle 14 Tage einen Öffnungsschritt in Begleitung von Sicherheitsmaßnahmen setzen. Durch die zwei Wochen Pause dazwischen habe die Regierung immer alle Eingriffsmöglichkeiten, sollte sich die Corona-Entwicklung wieder verschlechtern. Gleichzeitig stellte der Grünen-Politiker die Möglichkeit einer schnellere Öffnung in Aussicht. Man werde die erste Juni-Hälfte für eine genaue Analyse nutzen und dann das weitere Vorgehen besprechen. Danach könne es vielleicht eine Beschleunigung der Öffnungsmaßnahmen geben.

"Jede einzelne Infektion ist eine zuviel"

Beide Experten sprachen sich im Rahmen der Pressekonferenz für eine Fortsetzung der Maskenpflicht aus. "Das Virus ist nicht weniger ansteckend als früher. Es hat immer noch die gleiche Reproduktionsrate", warnt der Wiener MedUni-Forscher Weseslindtner: "Auch wir als Virologen lieben Viren nicht. Jede einzelne Infektion ist eine zuviel." Der Mund-Nasen-Schutz könne "ganz sicher" dazu beitragen, dass das Coronavirus eingedämmt wird. Auch die Tiroler Virologin Dorothee von Laer übt Kritik an den Masken-Kritikern: Die Masken seien "absolut nicht unsinnig" und im Vergleich zu einem Shutdown eine "erträgliche Maßnahme". Ein erneutes Aufflammen der Pandemie würde Österreichs Wirtschaft in massive Turbulenzen stürzen. Auch Anschober betont die möglichen Auswirkungen: "Wir müssen verhindern, dass aus der Gesundheitskrise eine soziale Krise wird".