Gesundheit
Fake-Covid-Mittel Ivermectin ist hochgiftig
Ein Hype, der zu schweren Vergiftungen führen kann: Nicht nur der Hersteller, sondern auch Gesundheitsbehörden warnen vor der Einnahme von Ivermectin.
Schon länger geistern in den sozialen Medien diverse Erzählungen zur vermeintlichen Wunderwaffe Ivermectin gegen Covid-19 herum. Ein Präparat, mit dem eigentlich ein Parasitenbefall von Tieren bekämpft wird – nicht Viren wie SARS-CoV-2. Experten warnen vor der eigenmächtigen Einnahme. "Sie sind kein Pferd. Sie sind keine Kuh", twittert im Spätsommer die US-Arzneimittelbehörde FDA.
Damals wuchs das Interesse an einem Arzneistoff namens Ivermectin zur Covid-19-Behandlung beim Menschen - und es hat bis heute nicht nachgelassen. Ein Arzneistoff, der sich vor allem unter Corona-Leugnern und Impfgegnern großer Beliebtheit erfreut, auch der später Coronavirus-positive FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte es propagiert.
Begehrte Schmuggelware
Der Handel mit dem Entwurmungsmittel ging sogar soweit, dass der heimische Zoll seit Jahresanfang bei 428 Aufgriffen 24.169 Stück geschmuggelte Tabletten des Arzneimittels entdeckte. "Bei der Anzahl der dabei beschlagnahmten Ivermectin-Sendungen rangiert Österreich EU-weit auf Platz zwei", hieß es aus dem Finanzministerium.
Behauptung: Ivermectin wirkt gegen Covid-19
Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht bisher keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19 in Bezug auf die Notwendigkeit künstlicher Sauerstoffzufuhr oder die Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion. Dazu verweist die deutsche Behörde auf eine übergreifende Analyse von 14 klinischen Studien vom Juli 2021. In dieser schreiben Forscherinnen und Wissenschaftler: "Wir sind unsicher in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin bei der Behandlung oder Vorbeugung von Covid-19." Insgesamt sprächen die verfügbaren zuverlässigen Erkenntnisse nicht für die Verwendung zur Covid-19-Behandlung oder -Vorbeugung außerhalb gut konzipierter Studien.
Auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA empfiehlt eine Ivermectin-Anwendung nur im Rahmen klinischer Untersuchungen. Sie schrieb im März über uneinheitliche Studien-Ergebnisse: Einige hätten keinen Nutzen gezeigt, andere einen möglichen. "Die meisten von der EMA geprüften Studien waren klein und wiesen zusätzliche Einschränkungen auf, darunter unterschiedliche Dosierungen und die Verwendung von Begleitmedikamenten", begründet die EU-Behörde ihre Entscheidung gegen einen Einsatz in der Pandemie.
„"Auswirkungen ungewiss!"“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab bereits im März eine Einschätzung zu der Arznei und betonte im September noch einmal: "Die Auswirkungen von Ivermectin auf Sterblichkeit, künstliche Beatmung, Hospitalisierung, Dauer des Klinikaufenthalts und Virusbeseitigung bleiben ungewiss, da die Beweise für jedes dieser Ergebnisse sehr unsicher sind." Die 16 untersuchten Studien mit insgesamt rund 2.400 Teilnehmern zeigten "ein hohes Risiko für Verzerrungen und eine hohe Ungenauigkeit".
Wofür Ivermectin eigentlich eingesetzt wird
Bei Tieren wird Ivermectin in Form von Injektionen oder Pasten zur Behandlung bei Parasitenbefall verwendet. Hochkonzentrierte Dosen für große und schwere Lebewesen wie Kühe oder Pferde unterscheiden sich stark von denen, die für Menschen gedacht sind.
FAKTEN: Ivermectin kann in geringer Dosierung beim Menschen gegen bestimmte Fadenwürmer und Krätzemilben eingesetzt werden. Gegen Covid-19 ist das Medikament weder zugelassen noch sehen Experten eindeutige Effekte gegen Covid-19. Bei falscher Dosierung kann Ivermectin hochgiftig sein.
Nach Angaben auf dem Beipackzettel kann die Verwendung des Medikaments zu Lebererkrankungen, Blut im Urin, Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Atembeschwerden, Hodenschmerzen, Gleichgewichtsstörungen oder Krampfanfällen kommen. Eine Überdosierung könne zu Koma oder Tod führen, schreiben die Experten der FDA.
In Österreich spricht sich sogar der Hersteller MSD (Merck Sharp & Dohme) gegen eine eigenmächtige Einnahme aus: "Es gibt keine aussagekräftige Evidenz für die Anwendung von Ivermectin bei Sars-CoV-2", teilte das Unternehmen jüngst mit. Der Virologe Christoph Steininger von der Medizinischen Universität Wien rät "dringend" von einer Covid-19-Behandlung mit Ivermectin ab: "Zusätzlich zur fehlenden Zulassung und Wirkung (ist) die Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen zu bedenken."