"Geht nicht"

Abschiebung von Straftätern rechtlich gar nicht möglich

Bundesverwaltungsgericht-Chef Christian Filzwieser zerstört in einem Interview Polit-Träume von schnellen Abschiebungen straffälliger Migranten.

Roman Palman
Abschiebung von Straftätern rechtlich gar nicht möglich
Christian Filzwieser ist seit Februar 2024 Präsident des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG).
HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com

Seit Februar 2024 ist Christian Filzwieser Präsident des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BVwG). Nun, nach einem halben Jahr in seiner neuen Funktion, gab der Top-Jurist der "Kleinen Zeitung" ein Interview. Darin sprach er über die ernüchternde Realität der Asylverfahren in Österreich und die ORF-Haushaltsabgabe.

Aktuell sind elf Richterstellen schon lange unbesetzt, weil die Regierung sich noch nicht auf die Personalien einigen konnte. Ein Vorschlag "mit den Besten der Besten" sei durch den Personalsenat vor Monaten an das zuständige Justizministerium von Alma Zadic (Grüne) übermittelt worden.

Verfahren im Asylbereich nehmen zu

Filzwieser gibt sich aber zuversichtlich, dass eine Einigung "so bald als möglich" erfolgen werde. Schleunigste Nachbesetzungen wären wichtig: "Nachdem die Verfahren vor allem im Asylbereich um bis zu 25 Prozent gestiegen sind, ist diese Situation gar nicht ideal."

Und das hat Folgen: "Wenn Asylverfahren nicht ausreichend schnell erledigt werden, müssen wir intern umschichten und dann leiden andere Bereiche, in denen es auch genug zu tun gibt."

Dazu rechnet Filzwieser künftig auch noch mit deutlich schwierigeren Verfahren, nachdem der Verfassungsgerichtshof erstmals in vielen Jahren die Abschiebung eines Mannes nach Afghanistan bestätigt hat. Laute Stimmen aus der Politik wollen dies auch für Syrer erreichen.

Auch in letzterem Fall sei die Rechtsprechung "inzwischen nicht mehr so klar". Es müsse wohl im Einzelfall bewertet werden, wie die Lage vor Ort sei. "Es könnte für beide Staaten künftig negative Entscheidungen geben, die dann auch vor Höchstgerichten halten", sagt der BVwG-Präsident. Nachsatz: "Solche Prognosen sind immer schwierig."

"Geltende Rechtslage erlaubt es nicht"

Die Polit-Träume, dass Straftäter nach schweren Verbrechen einfach aus Österreich auch in ein womöglich nicht sicheres Herkunftsland abgeschoben werden könnten, zerschlägt er völlig:

"Die geltende Rechtslage erlaubt es schlicht nicht, sich über den Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention hinwegzusetzen. Auch ein sehr schwerer Straftäter kann nicht abgeschoben werden, wenn ihm im Herkunftsland eine unmittelbare Gefahr droht. Die Politik könnte das theoretisch ändern, derzeit geht das aber verfassungsrechtlich nicht", konstatiert Filzwieser.

Kritik an Edtstadler-Idee

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will deshalb die Genfer Flüchtlingskonvention "weiterentwickeln", um schwere Verbrechen als Ausschlusskriterium für den Flüchtlingsstatus zu definieren.

Das würde nach Ansicht des BVwG-Chefs nur wenig bringen: "Die Genfer Flüchtlingskonvention hat kaum unmittelbare Auswirkung auf einen effizienten Verlauf unserer Asyl- und Fremdrechtsverfahren, da sind nationale Gesetze und vor allem der EU-Asylpakt deutlich entscheidender". Letzterer wird die Höchstgerichte wohl noch ordentlich beschäftigen.

Ende der ORF-Haushaltsabgabe?

Ebenso intensiver gerichtlicher Aufarbeitung dürfte wohl die ORF-Haushaltsabgabe bedürfen. Derzeit sei damit noch die Behörde beschäftigt, doch "hier erwarten wir sehr viele Verfahren und auch hier wird es wohl Höchstgerichtsentscheidungen geben."

Könnte die ORF-Haushaltsabgabe dadurch schließlich wieder gekippt werden? Filzwieser: "Letztlich kann jedes Gesetz verfassungswidrig sein".

Zur Person

Dr. Christian Filzwieser studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und ist Absolvent der London School of Economics & Political Science. Er war Leiter der Grundsatz- und Dublinabteilung des Bundesasylamts, Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenat, Richter des Asylgerichtshofs, Richter und Kammervorsitzender des Bundesverwaltungsgerichts sowie dortiger Koordinator für den Fachbereich Fremdenwesen und Asyl. Ab Oktober 2022 leitete er die Gruppe V/B (Integrierte Grenzverwaltung, Fremdenpolizei, Asyl, Grundversorgung und Rückkehr) im Innenministerium. Mit 1. Februar 2024 wurde er zum Präsident des Bundesverwaltungsgerichts ernannt. – Quelle: BVwG

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    Auf den Punkt gebracht

    • Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Christian Filzwieser, spricht in einem Interview über die Herausforderungen bei Asylverfahren in Österreich, den Personalmangel und die Abschiebung von Straftätern
    • Er betont, dass die geltende Rechtslage es nicht erlaubt, Straftäter einfach abzuschieben, da dies gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde
    • Filzwieser äußert auch Bedenken hinsichtlich der Abschiebung von Menschen nach Afghanistan und Syrien und bezweifelt, dass die Weiterentwicklung der Genfer Flüchtlingskonvention in Bezug auf schwere Verbrechen als Ausschlusskriterium für den Flüchtlingsstatus effektiv wäre
    • Außerdem erwartet er eine intensive gerichtliche Auseinandersetzung mit der ORF-Haushaltsabgabe
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