Kopfgeld nach Bluttaten
10.000 €! Mutmaßlicher Täter fühlte sich wertgeschätzt
Der Obdachlosen-Verdächtige soll sich durch das Kopfgeld von 10.000 € erstmals wertgeschätzt gefühlt haben. Ein Blick in eine verlorene Teen-Seele.
In einem dunklem Kapuzen-Sweater, grauer Jogginghose und Badeschlapfen wurde am Mittwochvormittag der 17-jährige, mutmaßliche Obdachlosen-Killer am Wiener Landl vorgeführt. Der Vorwurf: Körperverletzung! Er soll im September seine Mutter (56) verprügelt haben - die 56-Jährige war im Spital gelandet, der Teen wurde kurzfristig festgenommen.
Mutmaßlicher Obdachlosen-Killer vor Gericht am Mittwoch - die Bilder:
Bei der Vorführung war durchaus erkennbar, dass der 17-Jährige den Rummel und die viele Aufmerksamkeit genoss, er versuchte dabei dennoch eiskalt zu wirken: Mit starrem Blick schlapfte er in den Gerichtssaal, seine Mutter weinte einstweilen bittere Tränen. Zu Beginn der Verhandlung wollte er sich per Handzeichen zu Wort melden, die Staatsanwältin dreht den Burschen sofort ab.
Beim Prozess selbst gab sich der Teenager überheblich, gähnte provokant und stellte seine Langweile offen zur Schau. Der Jugendliche aus einem zerrütteten Elternhaus, mit zwar ordentlichen und bemühten Elternteilen, hatte bereits in seiner Kindheit schwere Schicksalsschläge erleiden müssen. Die AHS hatte er einfach abgebrochen, zuletzt hatte er es mit einem Gastro-Job versucht.
Messer am Knöchel
Bis zum Vorfall im September mit seiner Mutter lebte der Verdächtige bei der 56-Jährigen in Wien-Ottakring, hatte aber auch zu seinen Vater in Weinviertel ein gutes Verhältnis, dort versteckte er schließlich raffiniert in einem Sofa auch die Tatwaffe, ein Kampfmesser.
Die nächtlichen, blutigen Streifzüge durch Wien waren vom Teenager stets gut durchdacht - mit dunkler Kleidung, Messer am rechten Knöchel, tief ins Gesicht gezogenes Kapperl schlenderte er durch die Bundeshauptstadt, achtete dabei auch stets auf Kameras. Nur bei der dritten Tat am Hernalser Gürtel war er von einer Kamera erfasst worden.
„Ich wollte, dass es anderen noch schlechter geht als mir“
Die Polizei veröffentlichte in der Folge Fotos und setzte sogar ein Kopfgeld in der Höhe von 10.000 Euro aus. Dadurch dürfte sich der Jugendliche erstmals so richtig wertgeschätzt gefühlt haben. Denn in den Einvernahmen gab er unumwunden zu: "Ich wollte, dass es anderen noch schlechter geht als mir." Die Opfer seien wehrlos und leicht verfügbar gewesen. Warum er sich schließlich am Montag in Beisein von Anwalt Manfred Arbacher-Stöger doch gestellt hat, dazu gibt es nur Erklärungsansätze: "Er wollte reinen Tisch machen und nicht in 5 oder 10 Jahren dafür belangt werden“, so Staradvokat Manfred Arbacher-Stöger. Weiters habe er sein Leben neu ordnen wollen und hatte seit einigen Wochen eine neue Beziehung.
Obdachlosenmorde in Wien
Im Juli und August 2023 waren zwei Obdachlose (56, 51) getötet und eine obdachlose Frau schwer verletzt worden. Am Montag stellte sich der mutmaßlich Verdächtige überraschend der Polizei.
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Beim Prozess am Mittwoch wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben (Dauer 6 bis 8 Wochen) - die Verhandlung wegen Körperverletzung wird sicherlich nicht vor dem Frühjahr 2024 fortgesetzt werden. Und in Wahrheit ist jener Prozess für den 17-Jährigen eher nebensächlich: Denn für die drei mutmaßlichen Bluttaten (es gilt die Unschuldsvermutung) wird sich der Jugendliche auch nächstes Jahr verantworten müssen.
15 Jahre Haft drohen
Er soll im Juli einen 56-jährigen Unterstandslosen und einen 51-jährigen Obdachlosen erstochen und im August eine Obdachlose schwer verletzt haben. Dafür droht dem zum Tatzeitpunkt erst 16 Jahre alten Teenager maximal 15 Jahre Haft wegen zweifachen Mordes und Mordversuches.
Fraglich ist natürlich, ob er bei den Taten zurechnungsfähig oder nicht zurechnungsfähig war. Der Bursche wurde am Mittwoch in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert. Danach wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Antrag auf Untersuchungshaft gestellt. Die Unschuldsvermutung gilt.