Gesundheit
Antigentests erfüllen WHO-Mindestanforderungen nicht
Forscher untersuchten acht verschiedene Antigentests bei Kindern. Die geringere diagnostische Sensitivität erhöhe das Risiko, Fälle zu übersehen.
Die Engpässe bei den PCR-Tests lassen vielen Bundesländern Österreichs keine Wahl: Sie müssen auf die Schnelltests zurückgreifen. Laut Novelle können "Wohnzimmertests" in 3G-Bereichen wie am Arbeitsplatz wieder anerkannt werden. "Heute" hat berichtet. Die Kritik lässt nicht lange auf sich warten: Schon in der Vergangenheit war man den als sehr unsicher geltenden "Nasenbohrertests" skeptisch gegenübergestanden und hatte sie früh nicht anerkannt.
Die Genauigkeit dieser Tests bei Erwachsenen ist sehr unterschiedlich und oft wesentlich geringer als von den Herstellern angegeben. Die Schwäche der Antigentests: "Im Speichel kann die Viruslast schon sehr hoch sein, trotzdem ist im vorderen Nasenbereich bei symptomlosen Menschen zwei, drei Tage lang noch kein Virus nachweisbar." Auch Hochinfektiöse können so mit Antigentests übersehen werden, sagt Mikrobiologe Michael Wagner, Uni Wien, gegenüber dem "Kurier".
17 Studien analysiert
Es ist jedoch nicht klar, wie gut sie bei Kindern funktionieren. Um diese Wissenslücke zu schließen, analysierten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) 17 relevante Studien, die die Genauigkeit von Lateral-Flow-Antigentests mit PCR-Tests verglichen, die als Referenzstandard gelten. Diese umfassten 6.355 Kinder und 8 Antigentests von 6 verschiedenen Marken. Ihre Erkenntnisse wurden in BMJ Evidence-Based Medicine veröffentlicht.
Bei 11 der Testauswertungen wurden Proben aus dem Rachen und der Nase entnommen, bei den übrigen wurden Proben nur aus der Nase entnommen. In einer Studie wurden die Proben unter Aufsicht entnommen, in allen anderen Studien wurden die Proben von geschultem Personal entnommen.
Die Daten aus allen 17 Studien wurden gepoolt, um die diagnostische Sensitivität und Spezifität dieser Tests zu messen.
Die Sensitivität gibt an, wie gut ein Test Personen erkennt, die eine Infektion haben. Die Spezifität gibt an, wie gut ein Test Personen erkennt, die keine Infektion haben.
Asymptomatische Kinder zu 44 Prozent nicht erkannt
Bei Kindern mit Symptomen gab es 28 Prozent falsch-negative Ergebnisse, die gepoolte diagnostische Sensitivität lag bei knapp 72 Prozent. Die gepoolte diagnostische Spezifität konnte hingegen knapp 99 Prozent erreichen, basierend auf 3.413 Kindern in 13 Studien.
Bei den Kindern ohne Symptome betrug die gepoolte diagnostische Sensitivität nur noch knapp über 56 Prozent und die gepoolte diagnostische Spezifität 98,6 Prozent, basierend auf 2.439 Kindern in 10 Studien.
Das Fazit des Autorenteams: "Unter Berücksichtigung der testspezifischen gepoolten Ergebnisse erfüllte kein Test, der in diese Überprüfung einbezogen wurde, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) oder der britischen Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) empfohlenen Mindestleistungsanforderungen.“
Die Gefahr, Fälle zu übersehen
Die geringere diagnostische Sensitivität im Vergleich zur PCR, erhöhe das Risiko, Fälle zu übersehen, einschließlich solcher mit prä-symptomatischer Infektion, die noch nicht in die infektiöse Phase eingetreten seien. Ob dies durch häufige Tests ausgeglichen werden könne, halten die Forscher für fraglich.
Zu bedenken gilt, dass die Forscher nur 8 Tests überprüft haben, es aber mehr als 500 Lateral-Flow-Tests für den professionellen Einsatz auf dem Markt gibt. Außerdem seien die Ergebnisse möglicherweise nicht auf künftige SARS-CoV-2-Varianten oder geimpfte Kinder anwendbar.