Politik

"Das hätte Charme" – Doskozil will Rot-Grün-Neos

Hans Peter Doskozil im "Heute"-Interview: Der SP-Grande rechnet mit Neuwahlen 2022, will dann eine "Ampel" – und bereitet sich auf die 4. Impfung vor.

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Hans Peter Doskozil (SP) vor einem 15.000-Euro-Baum.
Hans Peter Doskozil (SP) vor einem 15.000-Euro-Baum.
Sabine Hertel

Weihnachtsinterview mit Hans Peter Doskozil (SP) in Eisenstadt. Vor seinem Büro steht ein Baum, geschmückt mit 24 hochkarätigen Weinen aus dem Burgenland. Doskozils Büroleiter Herbert Oschep hat sie zusammengetragen – und für 15.000 Euro zugunsten von "Licht ins Dunkel" versteigert. Julia Jurtschak, die Verlobte des Landeschefs, lässt sich dennoch lieber vor einem klassischen Christbaum ablichten. Im September 2022 soll geheiratet werden. Ob ihr Liebster dann schon eine neue Aufgabe hat? Der "Heute"-Talk über Corona, die SPÖ und eine "Ampel" für Österreich:

"Heute": Herr Landeshauptmann, das Burgenland hat die niedrigste Inzidenz und die höchste Impfquote Österreichs; auf der Corona-Ampel sind Sie nun wieder auf Orange gestellt. Was macht das Burgenland besser in der Pandemiebekämpfung?
Hans Peter Doskozil: Wir haben das Thema nie aus den Augen verloren. Manche hatten im Sommer das Gefühl, Corona sei vorbei und die Politik auf Bundesebene hat viel versprochen. Wir hingegen haben den Fokus bewusst auf die Impfung gelegt, wodurch wir uns einen Vorsprung im Vergleich zu anderen Bundesländern erarbeiten konnten. Jetzt profitieren wir davon, die Entwicklung der vierten Welle sowie die Entwicklung nach den Öffnungsschritten haben dies gezeigt.

"Omikron bedeutet auch, dass wir eine vierte Impfung benötigen."

Wie sind Sie eigentlich auf Ihre Impflotterie gekommen? Haben Sie ein bisschen amerikanisches TV geschaut?
Es ging uns darum, die burgenländische Bevölkerung mit positiven Anreizen zur Impfung zu motivieren. Eine der Ideen war eben die Impflotterie, die anfangs kritisch beurteilt und sogar etwas ins Lächerliche gezogen wurde. Im Nachhinein hat man gesehen, dass es sich ausgezahlt hat. Dass dies der richtige Weg war, sieht man ja daran, dass andere Bundesländer die Idee kopieren.

Geben Sie den Burgenländern angesichts der hohen Impfrate eine Garantie ab: Nie wieder Lockdown?
Die Bundes-ÖVP hat ja schon propagiert, dass dies der letzte Lockdown sei, so weit möchte ich nicht gehen, denn wir haben in dieser Krise schon gesehen, dass man nichts vorhersagen kann. Man kann positive Ausblicke geben, das ist auch sehr wichtig, dass die Politik gemeinsam mit der Bevölkerung positiv in die Zukunft blickt. Aber Dinge versprechen – das können wir uns nicht mehr leisten.

Video: Doskozil zu möglichen neuen Lockdowns

Jetzt droht eine heftige Omikron-Welle. Experten sind sich einig, dass die dritte Impfung bei dieser Variante unabdingbar ist. Wie wollen Sie die burgenländische Bevölkerung zum dritten Stich motivieren? Kommt eine Impflotterie 2.0?
Die dritte Impfung läuft bei uns schon massiv an, wir sind auch hier an erster Stelle. Omikron bedeutet aus meiner Sicht aber auch, dass wir eine vierte Impfung benötigen, die höchstwahrscheinlich im März/April kommt und auf Omikron zugeschnitten ist. Ich glaube, dass man die Bevölkerung auch darauf vorbereiten muss, mit dieser Variante mittelfristig zu leben.

Video: Doskozil zur 4. Impfung

Die Länder haben das Pandemie-Management zuletzt stark an sich gezogen. Sollte das in Zeiten von Omikron so bleiben?
Das ist ein Weg, der zu Beginn der Pandemie eingeschlagen worden ist. Ich selbst war nicht immer glücklich damit, jetzt sind wir aber in der Situation, dass sich die burgenländische Bevölkerung gewisse Vorteile erarbeiten konnte. Deshalb bin ich durchaus ein Befürworter dieser Taktik. Man sollte den eingeschlagenen Weg nicht verlassen.

"Es wird aus meiner Sicht notwendig sein, die ÖVP als juristische Person zu belangen."

Apropos Bund: Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Bundeskanzler Karl Nehammer?
Persönlich ist die Zusammenarbeit, die erst ein paar Wochen besteht, sicherlich besser als davor. Es gibt Kommunikation und Austausch. Die ÖVP, an derer Spitze Karl Nehammer bekanntlich steht, hat noch mit Skandalen aus der Vergangenheit zu kämpfen. Die Partei selbst gilt in den Affären als Beschuldigte, es wird den Untersuchungsausschuss geben – auch da steht die Inseraten-Politik im Mittelpunkt.

Rechnen Sie mit einem juristischen Nachspiel für die ÖVP?
Der Revisionsbericht des Finanzministeriums ist bemerkenswert. Allein deshalb muss sich die Finanzprokuratur die Frage stellen: Wem gegenüber trete ich auf, wenn es darum geht, Schadenersatz für den Steuerzahler einzufordern? Es wird nicht reichen, dass man sagt, die Frau Beinschab hat das mitverursacht. Es wird aus meiner Sicht notwendig sein, die ÖVP als juristische Person zu belangen. Ich bin gespannt, ob sich eine Finanzprokuratur, die dem Finanzministerium untergeordnet ist, traut, diesen Schritt zu gehen.

Video: Doskozil zur Chat-Causa

Abgesehen davon scheint der Umgang miteinander nun höflicher.
In der ÖVP ist offensichtlich ein Schalter umgelegt worden. Ja, man wird kontaktiert, aber aus meiner Sicht ist das reines Kalkül Richtung Wahl.

Wann haben Sie das letzte Mal mit dem Kanzler telefoniert?
Wir haben ein paar Tage vor der Landeshauptleute-Konferenz telefoniert, um Inhalte zu besprechen. Am Mittwoch werden wir uns bei einem Covid-Gipfel im Kanzleramt physisch sehen.

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    Am Freitag empfing Hans-Peter Doskozil (SP) das <em>"Heute"</em>-Team im Landhaus in Eisenstadt.
    Am Freitag empfing Hans-Peter Doskozil (SP) das "Heute"-Team im Landhaus in Eisenstadt.
    Sabine Hertel

    Ist es ein wertschätzender Austausch? Sind Sie per Du?
    Ja, natürlich, das ist unter Politikern an und für sich üblich, wertschätzend miteinander umzugehen.

    Na ja …
    Bei uns funktioniert das.

    Zu Weihnachten wird auch die Migrationsthematik immer schlagend. Flüchtlinge aufnehmen: ja/nein?
    Man muss sich dem Thema grundsätzlich stellen: Wie gehen wir mit diesen Menschen um, wenn sie nach Europa kommen? Wie schaffen wir es tatsächlich, sie zu integrieren? Wie schaffen wir es, dass sie menschenwürdig leben können? Es ist nicht damit getan, zu sagen, dass jemand zu uns kommen kann, um damit sein soziales Gewissen zu beruhigen. Man muss aus meiner Sicht den Menschen sagen, was die Perspektiven im Land sind, aber das vermisse ich derzeit auf allen Ebenen.

    Video: Doskozil zur Migrationsfrage

    Ihre vierte OP an den Stimmbändern ist nun exakt ein Jahr her. Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Sind weitere OPs notwendig?
    Es ist noch immer eine Herausforderung und ich muss regelmäßig Sprachtraining machen. Aber angesichts dessen, was ich 2018 als Prognose bekommen habe – nämlich den Beruf wechseln zu müssen – bin ich jetzt sehr zufrieden und guter Hoffnung, dass es auch so bleibt.

    Unterm Weihnachtsbaum werden Sie aber nicht singen?
    Ich glaube, das will keiner hören (lacht).

    "Wir wollen ein Pflegemodell schaffen, das in Österreich einzigartig sein wird."

    In Ihrem Budget für 2022 sind rund 1,4 Milliarden Euro vorgesehen. Schwerpunkt Corona?
    Ein großer Teil geht natürlich in den Bereich Gesundheit und Soziales, da haben wir enormen Investitionsaufwand. Wir bauen zwei Spitäler. Und auch das Thema Pflege ist mir sehr wichtig. In dem Bereich kann man sehen, dass die Regierung nichts weiterbringt und auch kein Interesse daran hat. Wir wollen ein Pflegemodell schaffen, das in Österreich einzigartig sein wird. Mit dem Anstellungsmodell für pflegende Angehörige haben wir bereits den Anfang gemacht, jetzt widmen wir uns dem "Mittelbau" zwischen der Pflege daheim und den Heimen.

    Sie haben den Mindestlohn von 1.700 Euro netto im Burgenland eingeführt. Auf Bundesebene hat die SPÖ nicht sehr laut eingestimmt.
    Vielleicht gibt es innerhalb der Partei unterschiedliche Ansichten, aber uns muss alle das Ziel tragen, die Löhne und das Einkommen für die Menschen so weit voranzutreiben, dass man auch tatsächlich davon leben kann.

    "Eine der zentralen Botschaften müsste sein: 1.700 Euro netto Mindestlohn für ganz Österreich."

    Sollte 1.700 Euro netto Mindestlohn bundesweit kommen?
    Das wäre aus meiner Sicht dringendst geboten. Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen: Man muss mit einer klaren Botschaft in die nächste Wahl gehen. Eine der zentralen Botschaften müsste sein: 1.700 Euro netto Mindestlohn für ganz Österreich als Bedingung einer nächsten Regierungsbeteiligung. Das wäre meine Vorgehensweise.

    Wollen Sie Spitzenkandidat der SPÖ werden? Laut einer „Heute“-Umfrage halten die Österreicher Sie für die heißeste Aktie. Kommt das in Ihrer Lebensplanung vor?
    Wenn ich immer auf die Lebensplanung gehört hätte, dann wäre vieles nicht eingetreten. Man ist immer im Nachhinein gescheiter. Das Wichtigste für mich ist, dass es Potenzial für die SPÖ gibt. Die Sozialdemokratie ist eine Partei, die sicherlich prädestiniert dafür ist, die Themen, die jetzt wichtig sind – im Bereich der Gesundheitsversorgung, Pflege, Bildung oder Löhne – auch glaubwürdig in Angriff zu nehmen.

    Trauen Sie das der Vorsitzenden zu?
    Diese Beurteilung sollten wir jetzt nicht öffentlich diskutieren. Ich habe gesagt, wie man aus meiner Sicht Wahlen gewinnen könnte, da gibt es vielleicht auch andere Meinungen. Das muss man jetzt intern aufarbeiten.

    Video: Doskozil zum Zustand der SPÖ

    Kann die SPÖ noch Wahlen gewinnen?
    Mit ein bisschen Geschick muss die SPÖ in der Lage sein, wieder Erste zu werden. Ich habe es im Burgenland gesehen: Man gewinnt die Bevölkerung, wenn man Themen glaubwürdig auf den Tisch legt, sie dann auch umsetzt und nicht nur verspricht.

    Falls die SPÖ gewinnt: Kommt dann wieder Rot-Schwarz? Im Rathaus soll man bereits eifrig daran basteln.
    Ich halte grundsätzlich wenig davon, über Koalitionen zu diskutieren, ehe die Wähler das Wort hatten. Aber mit Blick auf die Dreier-Koalition in Deutschland, die ja sehr vielversprechend gestartet ist, würde ich schon sagen: Auch Österreich würde etwas Neues guttun, das Aufbruch signalisiert. Eine "Ampel" hätte Charme.

    Hans Peter Doskozil (51) will seine Verlobte Julia Jurtschak (38) im September heiraten.
    Hans Peter Doskozil (51) will seine Verlobte Julia Jurtschak (38) im September heiraten.
    Landesmedienservice

    Hochzeit im September 2022 in Andau
    Burgenlands Landeschef holt die coronabedingt mehrmals verschobene Hochzeit mit seiner Verlobten Julia Jurtschak im September 2022 nach: "Sonst sagt sie noch nein", so Doskozil. Die Feier wird im Weingut Scheiblhofer in Andau stattfinden – "in kleinem Rahmen", wie der 51-jährige betont. Seine Familienplanung betrachte er weiterhin als abgeschlossen.

    Schauen wir auch privat nach vorne: Wann heiraten Sie Ihre Julia?
    Es muss bald so weit sein, sonst sagt sie irgendwann nein (lacht). Spaß beiseite: Wir haben das aufgrund der Virussituation zwei Mal verschoben. Es war einfach nicht möglich. Die Feier ist jetzt für September 2022 geplant.

    Wie siehts mit der Familienplanung aus?
    Ich habe zwei tolle Kinder, sie stehen gut im Leben und ich bin mit ihnen sehr zufrieden.

    Video: Doskozil privat

    Wie feiern Sie Weihnachten?
    Am 24. Dezember werden wir im familiären Kreis, also mit meinen Eltern und meinen Kindern, im Burgenland feiern. Am 25. Dezember geht es auf eine Tour nach Deutschland zu Julias Familie.