Gesundheit
Hitze! Darum sterben irgendwann auch gesunde Menschen
Ein Hitzerekord schlägt den anderen. In Kanada haben die Temperaturen bereits hunderte Tote gefordert. Ein Problem ist dabei die Luftfeuchtigkeit.
In Österreich steht uns die nächste Hitzewelle mit bis zu 38 Grad bevor. Auch in Finnland meldeten die Wetterbehörden für Sonntag 33,5 Grad in Kevo - im äußersten Norden des Landes. Rekordwerte, die allerdings ein Klacks im Vergleich zu den derzeit herrschenden Temperaturen in Kanada sind:
Die nordwestliche Pazifikküste der USA und die Küste im Westen Kanadas werden derzeit von einer beispiellosen Hitzewelle mit Temperaturen gegen 50 Grad Celsius heimgesucht. Alleine in der kanadischen Provinz British Columbia wurden nach Angaben des leitenden Rechtsmediziners der Provinz von Freitag bis Mittwoch 486 Tote registriert – verglichen mit einem Durchschnitt von 165 Toten in solchen Zeiträumen. Dass Hitze töten kann, ist nicht erst seit dem Jahrhundertsommer 2003 bekannt. Damals starben in dem Land 975 Menschen als Folge der andauernden Hitze. Doch was macht die Hitze in Nordamerika für Menschen so gefährlich?
Schweiß kühlt den Körper
Grundsätzlich funktioniert der Mensch bei einer Körpertemperatur von rund 37 Grad Celsius, wobei dieser Wert von Mensch zu Mensch schwankt. Um diese Temperatur unabhängig von der Außentemperatur zu halten, stehen dem Körper verschiedene Mechanismen zur Verfügung. So beginnen wir zu zittern, wenn es kalt ist und die Körpertemperatur zu sinken beginnt. Die Warnsignale kommen dabei von den Nervenenden in der Haut.
Das ist auch bei großer Hitze so. Das Problem ist, dass der Körper stets mehr Energie produziert, als er für die eigenen 37 Grad braucht. Wird das Wetter also genauso heiß, beginnen wir zu überhitzen. Und müssen uns abkühlen – indem wir schwitzen.
Steigt also die Hauttemperatur auf über 32 Grad Celsius, fängt der Körper an, Schweiß abzusondern. Und dieser verdunstet beim Kontakt mit der Luft, wobei Verdunstungskälte entsteht. Sie kühlt die Haut und das Blut, das durch die darunterliegenden Gefäße fließt, ab. Das Blut wiederum kühlt über den Kreislauf die Organe im gesamten Körper. Bei großer Hitze kann ein untrainierter Mensch bis zu zwei Liter pro Stunde schwitzen – und muss also viel trinken, um nicht zu verdursten.
Wenn Schwitzen nichts mehr bringt
Doch dieses körpereigene Kühlsystem kann an seine Grenzen stoßen – und das passiert zurzeit in den Hitzegebieten Nordamerikas. Denn dort herrscht neben der extremen Hitze auch eine hohe Luftfeuchtigkeit. Damit ist die Konzentration von Wasserdampf in der Luft gemeint. Wie viel Wasserdampf die Luft aufnehmen kann, hängt von der Temperatur ab: Je höher die Temperatur, desto mehr Dampf.
Ist die Luft nun wie im Nordwesten Nordamerikas mit Dampf gesättigt, kann sie kaum noch zusätzliches Wasser aufnehmen. Das heißt, der Schweiß auf der Haut kann nicht mehr verdunsten – das Kühlsystem des Körpers funktioniert nicht mehr richtig. Auch mit einem nassen T-Shirt im Schatten sitzen und viel Wasser trinken hilft dann nicht mehr. Die Folge ist ein Hitzschlag, der zum Tod führen kann.
Kühlgrenztemperatur-Effekt
Dieser Zustand, wenn extreme Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit das Kühlsystem des Körpers lahmlegen, nennt man den Kühlgrenztemperatur-Effekt oder auf Englisch "Wet Bulb Temperature Effect". Diese Kühlgrenztemperatur kann relativ einfach gemessen werden, indem man ein Thermometer mit einem nassen Lappen umwickelt. Dieser Lappen simuliert das Schwitzen, indem er Wasserdampf an die Umgebungsluft abgibt. Aufgrund der dabei entstehenden Verdunstungskälte zeigt das Thermometer im Vergleich zur äußeren Lufttemperatur eine tiefere Temperatur an. Ist die Luftfeuchtigkeit allerdings schon zu hoch, fällt die angezeigte Temperatur kaum noch. Liegt etwa die Außentemperatur bei 40 Grad und die Luftfeuchtigkeit bei 40 Prozent, dann sinkt die Kühlgrenztemperatur bereits bei 28 Grad.
Und hier wird es für den menschlichen Körper bereits problematisch. Damit er genügend Wärme abgeben kann, muss die Kühlgrenztemperatur deutlich unter der Hauttemperatur liegen. Eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad oder höher ist selbst für einen gesunden Menschen innert weniger Stunden tödlich. "Das Kühlgrenztemperatur-Limit ist der Punkt, an dem man überhitzen würde, selbst wenn man nackt, völlig nass und vor einem großen Ventilator im Schatten stehen würde", sagte Klimaforscher Steven Sherwood, der bereits 2010 in einer Studie die höchste für den Menschen tolerierbare Kühlgrenztemperatur ermittelte.
Noch wurde dieser Wert auf der Welt kaum je erreicht. Bisher konnten Forschende kurzfristige Überschreitungen dieses Wertes in Pakistan und Ra’s al-Chaima in den Vereinigten Arabischen Emiraten nachweisen. Experten und Expertinnen gehen jedoch davon aus, dass im Zuge des Klimawandels das Kühlgrenztemperatur-Limit künftig öfter erreicht werden könnte. Colin Raymond, Hauptautor einer Studie zu den Gefahren von Hitze und Luftfeuchtigkeit, erklärte 2020: "Frühere Studien gingen davon aus, dass es erst in mehreren Jahrzehnten soweit sein würde, doch es passiert schon jetzt."