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Zwangsehen in Österreich – Expertin spricht Klartext

Jedes Jahr werden Schätzungen zufolge 200 Frauen in Österreich zwangsverheiratet. Eine Expertin packt jetzt aus und räumt auch mit Gerüchten auf.

André Wilding
Zwangsheirat ist in Österreich verboten und strafbar – dennoch gibt es rund 200 Fälle jährlich.
Zwangsheirat ist in Österreich verboten und strafbar – dennoch gibt es rund 200 Fälle jährlich.
Getty Images/iStockphoto (Symbolbild)

Bereits seit 2016 – also mittlerweile schon seit sieben Jahren – ist das Verbot von Zwangsheirat in Österreich ein eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch! Allerdings gab es bislang keine gesicherten Taten darüber, wie groß die Zahl der von Zwangsehen betroffenen Menschen tatsächlich ist, wie das Ö1-Morgenjournal am Dienstag berichtet.

Das Institut für Konfliktforschung (IKF) hat im Auftrag des Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) jetzt eine Studie zu diesem Thema herausgegeben. Da Zwangsehen nur selten gemeldet, ist es aber äußerst schwierig eine genaue Fallzahl bestimmen zu können, dennoch rechnet das Institut mit rund 200 Fällen im Jahr.

"Das stimmt nicht"

Betroffen seien dabei fast ausschließlich junge Frauen und Mädchen – die Religionszugehörigkeit spielt dabei aber oft keine große Rolle, wie häufig angenommen wird, erklärt die Leiterin des IKF, Birgitt Haller, im Gespräch mit dem ORF-Radio: "Der erste Gedanke bei Zwangsheirat ist bei vielen Religion, konkret die muslimische Religion. Aber das stimmt nicht!"

Stattdessen seien Frauen aller religiöser Gruppierungen betroffen. Die Betroffenen lassen sich dabei in drei unterschiedliche Gruppen aufteilen, erklärt Haller weiter. "Das eine sind Mädchen der zweiten oder dritten Zuwanderer-Generation mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die andere Gruppen sind Mädchen, die gezielt nach Österreich geholt werden, um verheiratet zu werden und die dritte Gruppe sind Mädchen/Frauen, die nach Österreich geflüchtet sind."

"Regeln in Österreich ganz klar"

Außerdem betont Birgitt Haller, die auch die Studienleiterin ist, einmal mehr, dass sich das Thema Zwangsehen nicht auf eine eine religiöse Frage reduzieren lässt – Zwangsheirat lasse sich in allen religiösen Gruppierungen finden! Allerdings sei Religion oft eine Möglichkeit, um rechtliche Vorschriften, wie sie etwa in Österreich gelten, zu umgehen, heißt es in dem Ö1-Bericht weiter.

"Die Tatsache, dass in Österreich die gesetzlichen Regelungen zur Eheschließung bzw. zum Alter der Eheschließung ganz klar sind, ist sicher, wenn Kinder oder sehr junge Jugendliche verheiratet werden, die religiöse Heirat ein Ausweg, der dann später so zu sagen durch eine nachträgliche zivile Heirat abgesegnet wird", erklärt Haller im Ö1-Journal. Nur die wenigsten Fälle von Zwangsheirat werden dabei von jungen Frauen selbst gemeldet – meistens machen das Dritte.

Birgit Haller fordert daher in diesem Bereich massive Aufklärungsarbeit! "Das betrifft Lehr-Personen, Personen, die in Horten arbeiten, im Vereinsbereich oder auch im Sportbereich. Es braucht eine umfassende Information, die die Augen für erste Anzeichen öffnet, damit man da reagieren kann", so die Expertin im ORF-Radio.

Anzeichen von Gewalt

Angesprochen auf erste Anzeichen einer möglichen Zwangsehe erklärt Sonja Kohl, die Leiterin der Frauenförderung im Integrationsfonds am Dienstag im Ö1-Journal: "Wenn wir während Beratungssituationen aufgrund von konkreten Fragestellungen junge Frauen und Mädchen über konkrete Heiratspläne sprechen oder auch Anzeichen von körperlicher oder auch physischer Gewalt."

Durch die mehrsprachige Beratung habe man die Möglichkeit Beziehungsarbeit zu leisten, "die Frauen zu erreichen und auch ins Gespräch mit ihnen zu kommen." Man habe zudem auch immer wieder "Verdachtsmeldungen von Lehrern" erhalten – in einigen Fällen hätten sich die Betroffenen selbst an die Pädagogen gewandt.

"Mütter treibender Faktor"

Doch wer ist beim Thema Zwangsehe eigentlich der treibende Faktor? "Wir haben häufig erlebt, dass das die Mütter sind, weil sie darauf achten, dass die Mädchen in ökonomische Sicherheit kommen und dass sie wissen, dass ihre Töchter gut aufgehoben sind und dass sie sich auch nicht mehr um die Mädchen kümmern müssen – auch gerade vor dem finanziellen Hintergrund", erklärt Kohl weiter.

Man versuche daher im Frauenzentrum zu sensibilisieren, zudem stehe der Opferschutz im Vordergrund! Von Zwangsheirat seien allerdings nicht nur junge Frauen und Mädchen betroffen – sondern auch Burschen und Männer. "Allerdings wenden sich junge Männer eher selten an entsprechende Anlaufstellen", stellt Sonja Kohl weiter klar.

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