Ex-OMV-Generaldirektor Roiss

"Zum Ausstieg aus Russen-Gas fehlt politischer Wille"

Österreichs Abhängigkeit vom Russen-Gas war Thema bei "Im Zentrum" im ORF. Ex-OMV-General Roiss nannte das Vorgehen der Regierung "fahrlässig".

Robert Zwickelsdorfer
"Zum Ausstieg aus Russen-Gas fehlt politischer Wille"
Ex-OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss im ORF-Talk "Im Zentrum"
Screenshot ORF

Im Dezember betrug Russlands Anteil an Österreichs Gasimporten unglaubliche 98 %. Das ist Rekord – und das, obwohl Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) eine Reduktion dieser Abhängigkeit angekündigt hatte. Vergangene Woche forderte die Ministerin den Ausstieg aus Russen-Gas bis zum Jahr 2027. Zudem hat sie die Prüfung einer Auflösung des OMV-Vertrags mit Gazprom in Auftrag gegeben. Ex-OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss forderte Sonntagabend mehr Tempo beim Ausstieg aus den russischen Gasimporten. 

Ausstieg schon vor 2027 möglich

Ein solcher Ausstieg sei möglich. So habe etwa die EU das konkrete Ziel 2027 ausgegeben, Deutschland habe es schon 2023 geschafft, ohne russisches Pipeline-Gas auszukommen. Die Reaktionen der österreichischen Parteien zum Gewessler-Vorstoß stimmen Roiss allerdings wenig optimistisch. Einzig die Neos hätten sogar auf einen früheren Ausstieg gedrängt. Die ÖVP wiederum habe kein konkretes Datum genannt, die SPÖ nur gemeint, man müsse schauen, ob das machbar wäre. Und die FPÖ? "Die hat gesagt, ja, aber es darf nicht teurer werden und damit geht's nicht", so der Ex-Topmanager.

"Liebesverhältnis Österreichs mit Moskau"

Einer der Gründe sind laut Roiss Österreichs enge Verflechtungen mit Russland: "Das ist das Problem, das wir haben." Ein Beleg dafür seien die Reaktionen auf den Tod des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny gewesen. Die seien "sehr, sehr verhalten" ausgefallen. "Das zeigt auch, dass hier ein gewisses Liebesverhältnis Österreichs mit Moskau besteht." Daher ortet Roiss auch "fehlenden politischen Willen, ein konkretes Ausstiegsdatum zu nennen". 

Im Vertrag drinnen bleiben ist das Teuerste für uns, weil der Staat ist ja beteiligt an der OMV.
Gerhard Roiss
Früherer OMV-Generaldirektor

Dabei glaube er nicht, dass ein Vertragsende Österreich etwas koste. "Wenn wir nicht aussteigen, kostet das die OMV zig Milliarden bis 2040." Denn sie müsse aufgrund einer "Take-or-pay"-Klausel 98 % des Gases bezahlen, auch wenn sie es überhaupt nicht kauft. Trotzdem sei der Vertrag 2018 von fünf auf sechs Milliarden Kubikmeter Liefermenge erhöht worden. "Das brauchen wir 2040 nie", so Roiss. "Das heißt: Im Vertrag drinnen bleiben ist das Teuerste für uns, weil der Staat ist ja beteiligt an der OMV."

Experte erwartet stark sinkende Preise

Zu sagen, man will reduzieren, sei "absoluter Blödsinn". Denn die sechs Milliarden Kubikmeter würden bedeuten, dass man weiterhin mit 85 % abhängig sei. "Wie wollen Sie da reduzieren?" Laut Roiss sei heute genügend Gas auf der Welt vorhanden. "Die Preise werden auch weit nach unten gehen. Wenn wir Glück haben, kommen wir aufs Vorkriegsniveau." Zu den ausreichenden Gasreserven kämen aktuell milde Winter und ein weltweit schwaches Wirtschaftswachstum. "All das fördert, dass wir sehr tiefe Gaspreise haben. Die werden runtergehen, sodass wir uns versorgen können."

Wenn man mit Energiesicherheit nicht spiele, sondern diese ernst nehme, müsse man als erstes einen konkreten Zeitpunkt für den Ausstieg definieren. "Das ist für mich keine ideologische Frage. Ich bedaure, dass das eine politische Frage ist", so Roiss. Wenn es dann Konsens über den Zeitpunkt gebe, könne man die Maßnahmen definieren. Eine wichtige Frage dabei sei: Was muss ich tun, damit der Ausstieg auch möglich ist, ohne dass morgen die Preise explodieren?

"Wenn ich das nicht tue und morgen kracht irgendeine Rakete in der Ukraine in eine Verdichterstation, dann haben wir Preise mal zehn. Dann sind wir wieder bei den Milliarden, die die Haushalte zahlen müssen, die Industrie oder der kleine Bäcker", warnte der Ex-OMV-General. Wolle man das nicht, müsse man eben Zeitpunkt und Maßnahmen nennen. "Und das fehlt mir in Österreich."

Zwei Ausstiegsszenarien

Roiss sieht zwei Ausstiegsszenarien. Das erste: Der Durchleitungsvertrag der Ukraine für Russland endet Ende 2024. Und im OMV-Vertrag mit der Gazprom stehe "ganz klar: Lieferung frei Haus." Lasse Kiew nicht mehr durchleiten, könne Russland auch nicht mehr liefern: "Das ist das billigste Ausstiegsszenario." Das zweite: Im EU-Parlament werde im April ein Gesetz beschlossen, das vorsieht, dass jeder Mitgliedsstaat selbst bestimmen kann, die Importe aus Russland bis auf Null zu reduzieren. "Wenn wir dieses Gesetz haben, kann die Regierung wieder sagen: Wir gehen in drei, vier, fünf oder nur einer Rate auf Null. Aber dann brauchen wir wieder ein Datum für den Ausstieg." 

Roiss weiter: "Wir haben die Möglichkeit auszusteigen. Wir brauchen uns nicht beschäftigen, ich möchte die 50 Seiten Vertrag kennen. Wir sollen handeln. Und das ist machbar."

Pipeline als Knackpunkt

Einziger Engpass sei die Pipeline "West-Austria-Gasleitung" (WAG) in Oberösterreich. Sie soll zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden auf rund 40 Kilometern um einen zweiten Strang  erweitert werden. Hier fordert Roiss mehr Tempo, das habe er auch Gewessler schon im Mai 2023 gesagt: "Wir wissen diese Engstelle seit 2020. Wir wissen seit 2022 den Krieg in der Ukraine. Wir wissen, dass das Gas, das wir dann nicht mehr aus Russland bekommen, über Holland, Norwegen und Deutschland reinkommt."

Trotzdem seien die Planungen für diese Erweiterung bis heute nicht fertig, kritisierte Roiss: "Wenn ich gleichzeitig weiß, dass durch die Ukraine Ende 2024 kein Gas mehr fließt, dann würde ich doch annehmen, dass man das verknüpft und sagt: Wie können wir die Pipeline beschleunigen?"  Noch immer plane man, nächstes Jahr folge die UVP, dann der Bau. "Da sind wir 2027. Das ist an der Grenze zur Fahrlässigkeit," so Roiss.

Ex-OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss kritisiert Energieministerin Leonore Gewessler: "Wir diskutieren, was nicht geht."
Ex-OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss kritisiert Energieministerin Leonore Gewessler: "Wir diskutieren, was nicht geht."
Picturedesk, Helmut Graf - Montage "Heute"

In Sachen WAG gebe es aus seiner Sicht drei Player: Einer sei der Verbund, der sich auf regulatorische Probleme berufe. Der zweite sei Gewessler, die auf fehlendes Budget verweise. Und der dritte sei Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP). Der wiederum sage, dass Brüssel bei der Entscheidung mitspreche. "Wir diskutieren, wie es nicht geht. Es geht um Risikomanagement. Dass nicht dann, wenn kein Gas mehr kommt, sich die Preise wieder verzehnfachen. Wenn ich die Leitung habe, passiert das nämlich nicht", so Roiss. Also müsse sich ein Übereinkommen doch "sehr leicht" zustande bringen lassen.

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