Politik
Eine Milliarde für Pflege – was jetzt alles neu wird
Lange hat sie auf sich warten lassen: Jetzt ist die Pflegerefom endlich da – mit 20 Maßnahmen. Das sind die Details des neuen Gesetzespakets.
Rund eine Milliarde Euro lässt Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) in die neue Pflegereform stecken. Das verkündete Rauch am Donnerstag auf einer Pressekonferenz.
Der Minister selbst spricht deshalb vom "größten Reformpaket der letzten Jahrzehnte" für die Sparte, die seit vielen Jahren für Arbeitsmarkt-Experten als Sorgenkind gilt. "Pflege geht uns alle an", betonte am Donnerstag auch ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Geht es nach Wöginger, soll durch die Reform der Bedarf von rund 76.000 bis 2030 benötigten zusätzlichen Pflegern gedeckt werden.
So sieht die Pflege zukünftig aus
Ausschlaggebend hierfür sind 20 neue Maßnahmen, die sich um die Themenbereiche Beruf, Ausbildung und Pflegebedürftige sowie pflegende Angehörige drehen. Die Instrumente der neuen Reform im detaillierten "Heute"-Überblick.
Der Bund stellt zur Attraktivierung des Pflegeberufs bis Ende 2023 insgesamt 520 Millionen Euro für die Erhöhung der Gehälter von Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Pflegeassistent:innen und Pflegefachassistent:innen zur Verfügung. Die Auszahlung erfolgt voraussichtlich als monatlicher Gehaltsbonus. Die Verteilung der Mittel werden wir gemeinsam mit den Ländern und Sozialpartnern sicherstellen. Dieser Gehaltsbonus ist zunächst auf zwei Jahre befristet, bis andere notwendige Entlastungsmaßnahmen greifen.
Als Maßnahme des Arbeitnehmer:innenschutzes erhalten Arbeitnehmer:innen in der Pflegeassistenz, der Pflegefachassistenz und im gehobenen Dienst ab dem 43. Lebensjahr eine zusätzliche Entlastungswoche. Diesen Anspruch haben alle Arbeitnehmer:innen in Pflegeberufen, unabhängig von der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit.
Alle Beschäftigten in der stationären Langzeitpflege erhalten künftig pro Nachtdienst zwei Stunden Zeitguthaben.
In Zukunft erhalten Pflegekräfte deutlich mehr Punkte für eine abgeschlossene Berufsausbildung. Das bedeutet Erleichterungen beim Zugang zur Rot-Weiß-Rot–Karte für Pflegekräfte. Gleichzeitig werden auch für 40- bis 50-Jährige Punkte in der Kategorie Alter ermöglicht
Wer eine Erstausbildung in einem Pflegeberuf macht, erhält einen Ausbildungszuschuss von zumindest 600 Euro pro Monat für Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und Fachhochschulen. Auszubildende in Sozialbetreuungsberufen und an berufsbildenden Schulen erhalten 600 Euro für ihre Praktikumszeiten. Der Bund stellt den Ländern zu diesem Zweck insgesamt 225 Millionen Euro für 3 Jahre zur Verfügung, um zwei Drittel der so entstehenden Kosten abzudecken. Das dritte Drittel haben die Länder zu tragen.
Personen, die an einer vom AMS geförderten Ausbildung zur Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz oder an einer Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege gem. § 44 ff. GUK-Gesetz (auf Grund der aktuell stattfindenden Ausbildungsreform auslaufend) teilnehmen, erhalten ab 1. September 2023 ein Pflegestipendium. Das Pflegestipendium wird zumindest 1.400 Euro pro Monat betragen.
Pflegeassistent:innen dürfen weiterhin unbefristet in Krankenanstalten tätig sein. Das in § 117 Abs. 23 GuKG vorgesehene Auslaufen der Tätigkeit ab 1.1.2025 ist aufgrund des hohen Personalbedarfs nicht zielführend. Die Bestimmung wird daher gestrichen.
Erweiterte Kompetenzen für Pflegeassistenz bzw. Pflegefachassistenz: Ab- und Anschließen laufender Infusionen - ausgenommen Zytostatika und Transfusionen mit Vollblut und/oder Blutbestandteilen - bei liegendem periphervenösen Gefäßzugang, die Aufrechterhaltung dessen Durchgängigkeit sowie gegebenenfalls die Entfernung desselben.
Zusätzliche Kompetenzerweiterungen für Pflegefachassistenz: Legen, Wechsel und Entfernung von subkutanen und periphervenösen Verweilkanülen sowie die Verabreichung von subkutanen Injektionen und subkutanen Infusionen.
Neben einer schulischen Ausbildung im Bereich Pflege wird es – vorerst als Modellversuch – in ganz Österreich eine Pflegelehre geben. Die Lehre wird 4 bzw. 3 Jahre dauern und mit einem Lehrabschluss als Pflegefachassistenz oder Pflegeassistenz enden. Er ermöglicht auch den Zugang zur Ausbildung zum diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger:in an einer Fachhochschule. Im vierten Lehrjahr wird es eine Lehrlingsentschädigung von etwa 1.500 Euro geben.
Im Rahmen eines Schulversuchs an 15 Standorten werden an dreijährigen berufsbildenden mittleren Schulen und fünfjährigen berufsbildenden höheren Schulen seit 2020/21 österreichweit insgesamt rund 600 Schüler:innen ausgebildet. Ab dem Schuljahr 2023/24 wird der Start dieser neuen Ausbildungsform regulär ermöglicht und ein nahtloser Übergang sichergestellt.
Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungen wird deutlich vereinfacht, beschleunigt und entbürokratisiert. Die hohen Qualitätsstandards bleiben sichergestellt. Pflegekräfte erhalten die Möglichkeit, als Pflegeassistenz oder Pflegefachassistenz tätig zu werden, bis die Nostrifikation abgeschlossen ist.
Es wird ein bedingter Rechtsanspruch auf Weiterbildung im Berufsleben geschaffen. Menschen in der Pflege können zukünftig in der Arbeitszeit eine weiterführende und/oder kompetenzerweiternde Ausbildung absolvieren.
Künftig wird ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz von 3 Monaten bestehen, sofern eine solche Vereinbarung in Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen Berücksichtigung findet. Die Antragsfrist auf Pflegekarenzgeld wird auf einen Monat verlängert, auch wenn die Maßnahme bereits beendet wurde. Zusätzlich wird die Frist zur Antragstellung bei noch laufender Pflegekarenz auf bis zu zwei Monate verlängert.
Für pflegende Angehörige gibt es künftig bereits nach drei Tagen Anspruch auf finanzielle Unterstützung für Ersatzpflege, wenn sie aufgrund von Krankheit, Kur, Urlaub oder sonstigen Gründen vorübergehend an der Pflege verhindert sind. Bisher war dies in der Regel erst nach sieben Tagen der Fall.
Es werden Zuwendungen zu den Kosten von Pflegekursen für pflegende Angehörige aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung ermöglicht.
Künftig erfolgt eine erneute Ausweitung des kostenlosen Angehörigengesprächs auf fünf Gesprächstermine.
Als wesentliche Verbesserung für Pflegegeldbezieher:innen und zur Unterstützung der Angehörigenpflege wird die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe künftig entfallen. Von dieser Maßnahme profitieren rund 45.000 Personen, die 60 Euro pro Monat mehr erhalten.
Für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen oder Demenz wird der Wert des Erschwerniszuschlages von 25 auf 45 Stunden pro Monat erhöht. Damit stehen 20 Stunden zusätzlich pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung.
Ab Pflegestufe 4 erhalten selbst- oder weiterversicherte pflegende Angehörige eine jährliche Pflegegeld-Sonderzuwendung 1.500 Euro ab dem Jahr 2023 erfolgen. Das gilt für die Person, die den größten Teil der Pflege zuhause leistet.
Durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedingungen soll eine Attraktivierung der unselbstständigen Beschäftigung der 24h-Betreuung geschafft werden. Die selbstständige 24h-Betreuung ist davon unberührt und bleibt zusätzlich bestehen
Ein konkretes Modell wird gemeinsam mit Sozialpartner:innen und Stakeholder:innen erarbeitet und soll im Herbst 2022 umgesetzt werden.