Politik

"Müssen jetzt alles schließen und in Lockdown gehen"

Hans Peter Doskozil übt im "Heute"-Interview Kritik am Corona-Management der Regierung. Er fordert einen Lockdown und 2021 Rückkehr zur Normalität. 

Clemens Oistric
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Burgenlands Hauptmann Hans Peter Doskozil fordert dritten Lockdown.
Burgenlands Hauptmann Hans Peter Doskozil fordert dritten Lockdown.
apa/picturedesk ("Heute"-Montage)

"Heute": Herr Landeshauptmann, Deutschland geht ab Mittwoch wieder in einen harten Lockdown. Zieht Österreich nach?
Hans Peter Doskozil: Angesichts der Zahlen wird sich das nicht vermeiden lassen. Diese Lockdown-Phase, die wir jetzt hatten, hat nicht die Effekte gebracht, die man sich erhofft hat. Leider hat die Regierung den Vertrauens- und tatsächlichen Vorsprung aus dem März verspielt. Man hat keine Strategie entwickelt und nichts unternommen, damit die Bevölkerung den Weg mitgeht.

Wie sollte ein dritter Lockdown nun aussehen?
Schluss mit der Salami-Taktik – einmal dort ein bisschen nachgeben, dann da – wir müssen jetzt alles schließen. Geschäfte, Schulen, Gastronomie, Skilifte und mit einer Verlängerung der Ferien einmal eine wirklich sichere Basis schaffen. Wenn diese erreicht ist, braucht es eine Strategie, wie man wieder öffnet.

Warum hat man überhaupt wieder gelockert, wo viele EU-Länder im Lockdown sind?
Das war ein Kniefall vor der Wirtschaft. Nicht die Gesundheitskennzahlen oder Spitalsbelegungen haben den Ausschlag gegeben, sondern der Gedanke, wie man doch noch ein tolles Weihnachtsgeschäft machen kann. Dabei sieht man in Deutschland, die ja eine Wirtschaftsmacht sind: Die nehmen darauf keine Rücksicht. Die Gesundheit muss jetzt oberste Priorität haben.

Landeshauptleute haben zuletzt immer kritisiert, zu wenig von der Regierung eingebunden zu werden ...
Das ist der Status quo. Ich habe Sebastian Kurz auch gesagt, dass er ein Medienkanzler ist, dem die Bevölkerung herzlich egal ist. Das hat ihn nicht beeindruckt, sodass er seine Haltung geändert hätte. Mittlerweile kommt diese Kritik auch schon aus ÖVP-Ländern.

Nun ist es aber so, dass Sebastian Kurz laufend Videokonferenzen mit den Ländern abhält – und dennoch ist es nicht recht?
Es ist vergeudete Zeit. Alles, was Kurz dort sagt, konnte man davor schon Medien entnehmen. 

Werden Sie dennoch weiter teilnehmen?
Nein, für mich ist das wertlos. Am Abend dasselbe in einer Videokonferenz zu hören, was ich in der Früh schon in der Zeitung gelesen habe. Für das Burgenland wird die zuständige Beamtin teilnehmen, die unseren Standpunkt vertreten wird, aber ich kümmere mich in der Zeit lieber um die vielen Aufgaben im Land.

Hans Peter Doskozil: "Jeder, der nicht blind Kurz folgt, ist anscheinend zu blöd für die Politik."
Comeback im Büro nach Corona-Erkrankung: Burgenlands Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Gespräch mit Clemens Oistric (<em>"Heute"</em>)
Comeback im Büro nach Corona-Erkrankung: Burgenlands Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Gespräch mit Clemens Oistric ("Heute")
Denise Auer

Sie sehen auch die von der Regierung propagierten Massentests kritisch. ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior nennt Sie daher zum wiederholten Mal einen "Querulanten" – kann es nicht sein, dass er recht hat?
Es ist sehr bezeichnend, wie die Kurz-ÖVP auf inhaltliche Kritik reagiert. Er versteckt sich hinter seinem obersten Parteisekretär. Das kann man machen, eine sehr erwachsene Rhetorik ist es jedoch nicht. Ich stelle mir die Frage der Strategie hinter den Tests.

Knapp 5.000 Infizierte wurden dadurch entdeckt.
Ja, aber was bedeutet das? Und was zieht die Regierung für Konsequenzen aus dem Ergebnis? Für mich zeigt sich nur eines: Jeder, der nicht blind Kurz folgt, ist anscheinend zu blöd für die Politik. So ist auch die Ansage von Kurz zu verstehen, dass die Menschen in Österreich nicht brav genug seiner Politik folgen. Schuld und blöd sind immer alle anderen. So werden wir niemals eine Krise meistern.

Und Gesundheitsminister Rudolf Anschober, sind Sie mit seiner Performance zufrieden?
Er will alles richtig machen – das macht ihn nicht unsympathisch. Doch er will es auch allen recht machen, das geht aber nicht. Anschober ist zudem nicht sehr entscheidungsfreudig und gerät dadurch immer wieder unter die Räder von Sebastian Kurz und seiner PR-Maschinerie. Er kann sich da nicht wirklich durchsetzen.

Was bräuchte es jetzt beim Pandemie-Management?
Ein klares Konzept, das hätte es aber schon im Frühjahr gebraucht. In gewissen Lebenssituationen muss 2021 wieder Normalität einkehren und ich glaube nicht, dass die Impfung so bald Entspannung liefert. Ich denke: Der Schlüssel wird sein, ob man sich freitesten kann.

Freitesten wofür?
Für das Leben. Also einen Wirtshausbesuch, eine Hochzeit, ein Thermenurlaub – das muss mit einem Antigen-Schnelltest möglich sein.

Also Schnitzel nur mit Zertifikat?
Ja, oder eine Feier mit mehr Menschen. Das ist weniger einschränkend als permanente Lockdowns durch desaströse Zahlen. 

Sie haben selbst eine Corona-Erkrankung hinter sich und waren drei Wochen weg. Haben Sie die Krankheit unterschätzt?
Ich habe sie sicherlich nicht in dieser Heftigkeit erwartet, da haben Sie recht. Obwohl ich schon nach einer Woche wieder negativ war, musste ich mich danach mit wirklich starken Grippesymptomen auseinandersetzen. Und dazu kommt diese unglaubliche Müdigkeit, ich habe fast nur geschlafen und merke auch jetzt noch, dass die Leistungsfähigkeit noch nicht wieder bei 100 Prozent liegt.

Was waren die heftigsten Symptome, die Sie verspürten?
Permanentes migräneartiges Kopfweh.

Haben Sie jemanden in Ihrem Umfeld angesteckt?
Ja, meine Lebenspartnerin. Bei ihr war es zwar nicht so heftig, aber auch äußerst unangenehm.

Man lernt sich ziemlich gut kennen in einer dreiwöchigen Quarantäne, oder?
Es steht die Zeit ... (lacht)

"Der Schlüssel wird sein, ob man sich 2021 mit einem Antigen-Schnelltest freitesten kann."
Hans Peter Doskozil (SPÖ) war mit seiner Verlobten Julia in Quarantäne.
Hans Peter Doskozil (SPÖ) war mit seiner Verlobten Julia in Quarantäne.
Denise Auer

Wie haben Sie die stillstehende Zeit verbracht?
Viel geschlafen, viel von zuhause gearbeitet und viel Netflix geschaut... "Walking Dead" – das passt auf tragische Weise irgendwie auch zur Pandemie.

Sie haben sicherlich auch Zeit gehabt, die Nachrichten zu verfolgen. Verstehen Sie, warum die SPÖ in der Coronakrise so zurückhaltend auftritt, obwohl die Vorsitzende Ärztin und Virologin ist?
Pamela Rendi-Wagner bemüht sich, das muss man ihr zugutehalten. 

Aber ...?
Es ist schwierig, derzeit durchzudringen. Auf der anderen Seite würde ich mir schon ganz klare Konzepte von der SPÖ erwarten – beim Testen, beim Impfen, bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit in der Krise.

Das war ja meine Frage: Warum ist die SPÖ bei ehemaligen Leibthemen so zurückhaltend?
Es ist wohl eine Mischung aus defensiver Oppositionsarbeit – und dann gibt es die Gerüchte in der Medienlandschaft, dass die SPÖ partout nicht abgeneigt ist, die ÖVP bei einem fliegenden Koalitionswechsel zu unterstützen.

Würden Sie das begrüßen?
Ich würde das ganz massiv ablehnen, für die SPÖ wäre es ein Signal der Schwäche.

"Pamela Rendi-Wagner bemüht sich. Aber ich würde ich mir jetzt schon ganz klare Konzepte von der SPÖ erwarten."
Doskozil sprach über die Gerüchte um einen fliegenden Koalitionswechsel.
Doskozil sprach über die Gerüchte um einen fliegenden Koalitionswechsel.
Denise Auer

Hielten Sie Pamela Rendi-Wagner nicht für eine gute Gesundheitsministerin?
Zweifellos bringt sie eine große Expertise in diesem Bereich mit. Der Preis ist aber viel zu hoch – ich lehne eine Unterstützung der Kurz-ÖVP völlig ab.

Doris Bures hat vor Kurzem anklingen lassen, dass die SPÖ auf einen Gegenkandidaten zu Alexander Van der Bellen verzichten sollte. Sehen Sie das auch so?
Ich bin da sehr skeptisch und weiß auch nicht, warum sie da vorgeprescht ist. Es ist ihre Meinung, es ist auch legitim, diese zu äußern. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum sich die SPÖ selbst zwei Jahre vor der Wahl dem Wettstreit der Ideen entzieht. Wenn man sieht, dass Van der Bellen wieder antritt und kein SPÖ-Kandidat in Umfragen reelle Chancen hat, kann man aus Kostengründen noch immer absagen.

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