Er brach bei ihr ein

Wienerin in Todesangst: "Mein Ex wollte mich umbringen"

Trotz eines Betretungsverbotes trat der 37-Jährige die Türe von Lucille W. (39) ein. Sie konnte ins Schlafzimmer flüchten und die Polizei rufen.
Christine Ziechert
04.04.2025, 06:00

Am 22. März wurde eine 44-Jährige in Oberösterreich mit mehreren Messerstichen getötet. Der mutmaßliche Täter: ihr langjähriger Partner. Es war heuer bereits der vierte Femizid. Und beinahe hätte es einen fünften gegeben. Denn tags zuvor, am 21. März, entkam Lucille W. (39) nur knapp ihrem Ex-Lebensgefährten, Ralf M. (Name geändert).

Der 37-Jährige zertrümmerte um 5.30 Uhr früh mit einer Waffe (Stock oder Axt) den unteren Teil der Eingangstüre von Lucille W. und verschaffte sich – trotz eines aufrechten Betretungsverbotes – Zutritt zur gemeinsamen Wohnung in Rudolfsheim-Fünfhaus: "Er schrie: 'Du verlässt mich nicht! Ich bring' dich um'", erzählt die Wienerin, die als Künstlerin tätig ist, im Gespräch mit "Heute".

„Er hat mir büschelweise die Haare ausgerissen, mich auf den Boden gedrückt und den Fuß auf meinen Hals gepresst“
Lucille W.war in einer Gewalt-Beziehung

Zum Glück konnte die 39-Jährige mit ihren Hunden ins Schlafzimmer flüchten, verbarrikadierte sich dort und rief mit ihrem Handy die Polizei. Das bekam der 37-Jährige offenbar mit und flüchtete. Die Polizei konnte den psychisch Kranken – er hat Schizophrenie und eine Persönlichkeitsstörung – wenig später bei einem Freund festnehmen. Seitdem sitzt er in U-Haft.

Das Betretungsverbot war aufgrund eines Gewalt-Vorfalles am 8. März ausgesprochen worden: "Er ist an diesem Tag aufgestanden und hat mich aus dem Nichts heraus durch die Wohnung gezerrt. Er hat mir büschelweise die Haare ausgerissen, mich auf den Boden gedrückt und den Fuß auf meinen Hals gepresst. Ich habe gedacht, jetzt ist es vorbei", erinnert sich Lucille W.

Betretungsverbot nach Gewalt-Vorfall

Dann nahm ihr Ralf M. Handy und Wohnungsschlüssel weg und sperrte sie ein: "Er hat aber sein Handy vergessen, so konnte ich Hilfe rufen", meint die Wienerin, die eine Schädelprellung mit Bluterguss, Hautabschürfungen und Prellungen am Handgelenk sowie der Lendenwirbel- und Halswirbelsäule erlitt. Die Verletzungen ließ die 39-Jährige bei der Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene der Medizinischen Universität Wien auch dokumentieren.

Am 9. April muss sich Ralf M. für beide Taten vor dem Wiener Straflandesgericht verantworten. Dem 37-Jährigen wird Hausfriedensbruch, gefährliche Drohung und Körperverletzung vorgeworfen. Doch eigentlich beginnt die Geschichte der Gewalt-Beziehung schon vor acht Jahren, als sich Lucille W. und Ralf M. kennenlernten.

Lucille W. nach der Attacke am 8. März (l.). Ralf M. zertrümmerte auch die Türe zu ihrem Atelier.
zVg
„Neun Monate, nachdem wir zusammengekommen sind, gab es die ersten Schläge“
Lucille W.Gewalt-Opfer

"Ich war mit einem Freund in einem Gürtel-Lokal etwas trinken, da ist Ralf auf mich zugekommen und hat mich auf einen Drink eingeladen. Danach waren wir keinen einzigen Tag mehr getrennt", erzählt Lucille W.

Doch das Glück währte nicht lange: "Neun Monate, nachdem wir zusammengekommen sind, gab es die ersten Schläge. Auslöser war ein Streit über seine Mutter. Dann hat er gemeint, dass meine Freunde und meine Familie schlecht sind und hat mir verboten, auf Vernissagen zu gehen."

Häusliche Gewalt im Verborgenen

Mit der "schleichenden Manipulation" – "Du glaubst, was er sagt und zweifelst an deinem eigenen Verstand" – steigerten sich auch die Gewalt-Vorfälle: "Aus einer Watsche wurde ein Faustschlag. Aus dem Faustschlag ein Nasenbruch. Aus dem Nasenbruch ein Treppensturz mit Fersenbruch. Und aus dem Würgen wurden Bisswunden. Wenn eine gewisse Grenze überschritten ist, dann gibt es kein Halten mehr", berichtet die 39-Jährige.

Ausschnitt einer Aussage von Ralf M.
Getty Images, zVg

Immer wieder beteuerte Ralf M., dass das nie wieder passieren wird: "Und ich habe ihm geglaubt, hatte Hoffnung. Man kann ja die Jahre nicht einfach so weglöschen", meint Lucille W. Ob sie ihn noch liebt? "Nein, ich liebe ihn nicht mehr, aber ich habe Mitleid mit ihm", erklärt die 39-Jährige, die mit ihrer Geschichte aufrütteln will: "Häusliche Gewalt findet im Verborgenen statt. Es wird viel zu wenig darüber gesprochen. Dazu kommt, dass das Ganze auch mit Scham behaftet ist."

Hier finden Gewalt-Betroffene Hilfe

Frauenhelpline (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 222 555

Männernotruf (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 246 247

Rat auf Draht: 147

Autonome Frauenhäuser: 01/ 544 08 20

Gewaltschutzzentren: +43 1 585 32 88

Weisser Ring: 0800 112 112

Untersuchungsstelle für Gewaltbetroffene der MedUni Wien: 01 / 40160 - 35700

„Er hat mich fast umgebracht“
Lucille W.über Ralf M.

In den acht Jahren ihrer Beziehung hat die Malerin insgesamt siebenmal Anzeige bei der Polizei erstattet: "Doch ich habe sie jedes Mal wieder zurückgezogen – bis zum 8. März. Obwohl er danach ein Betretungs- und Annäherungsverbot hatte, hat er sich nicht daran gehalten. Er hat mich am 21. März fast umgebracht. Es ist ihm so viel Hilfe angeboten worden, aber er hat sie jedes Mal in den Wind geschlagen."

Hilfe, die benötigt nach den Attacken auch Lucille W.: "Ich habe Schlafstörungen. Bei jedem Geräusch wache ich auf. Zudem habe ich extrem abgenommen. Ich bin in therapeutischer Behandlung." Kraft gibt der Malerin nun ein kommender Termin: "Anfang Mai habe ich eine Vernissage in Berlin. Das lenkt mich im Moment ab. Die seelischen Schmerzen werden noch lange andauern, aber ich kämpfe jeden Tag und gebe mein Bestes."

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