Politik

Wie man als alter Freund Kanzler Kern portraitiert

Heute Redaktion
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Der Journalist und Sachbuchautor Robert Misik hat ein "politisches Portrait" von Bundeskanzler Christian Kern im Residenz Verlag veröffentlicht.

Heute: Wie lange haben Sie an dem Buch über Christian Kern gearbeitet, was war Ihre Motivation?



Robert Misik: Als Kern vor einem Jahr ins Amt kam, war das für viele eine Befreiung. Endlich ein Politiker, der anders ist, anders spricht, der auch ausstrahlt, dass es ihm um die Sache geht. Schon sehr früh hatte da der Residenz Verlag die Idee, ein Buch über Kern zu machen. Insofern habe ich schon das ganze Jahr an dem Buch gearbeitet, aber natürlich intensiv halt ein paar Monate dann zwischen Dezember und Mai.

Heute: Welche Quellen standen Ihnen zur Verfügung?

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Misik: Erstens hatte ich an vielen Stellen Zugang, wo sich normalerweise die Türen für Journalisten schließen. Ich konnte daher aus der Nähe eigene Eindrücke gewinnen. Zweitens habe ich mit Kern sehr, sehr viele lange Gespräche extra für das Buch geführt - sicher zwanzig, dreißig Stunden. Und dann habe ich mit vielen Wegbegleitern, Freunden, Verwandten des Kanzlers gesprochen.

Heute: Wie beschreiben Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Kanzler Christian Kern?



Misik: Wir kennen uns seit 30 Jahren und sind befreundet, ganz klar. Aber ich empfinde das beim Schreiben als Vorteil: Man muss sein Gegenüber gut verstehen, um ihn beschreiben zu können. Als Autor musst du dann aber bei aller Freundschaft doch wahrhaftig bleiben, das bist Du nicht nur Dir und Deinen Lesern schuldig - alles andere wäre ja auch sinnlos. Unglaubwürdiges Lobhudeln spüren die Leser ja sofort. Dann muss man auch kritische Punkte ansprechen. Feigheit vor dem Freund ist für Autoren verboten! Wir haben ja auch sehr viel gestritten bei der Arbeit und in unseren Gesprächen.

Heute: Die Privatperson Kern und seine Familie nimmt in Ihrem Buch eher wenig Platz ein, es menschelt kaum. War das Absicht?



Misik: Ich finde, dass Kerns Kindheit und Jugend in Simmering, als Kind aus der Arbeiterklasse, aus kleinsten Verhältnissen stammend, einen wichtigen Platz einnimmt. Die Schwierigkeiten etwa, von der Volksschule den Sprung aufs Gymnasium zu schaffen und einen Bildungsaufstieg zu machen. Auch die Tatsache, dass er früh Vater wurde und einige Jahre als Alleinerzieher Job, Studium und Kind schaukelte, ist wichtig - nicht nur für das Buch, für die Person Kern selbst. Oder die Zeit mit Frau und Kind als Mittzwanziger im Gemeindebau in Favoriten. Dieses Leben mit ganz normalen Problemen auch. Aber es stimmt, Intimes kommt nicht vor, und auch was die emotionalen Verhältnisse, etwa zu seinen Kindern betrifft. Aber erstens ist das alles bei Kern ja nicht anders als bei Millionen anderen normalen Menschen auch, und das wirklich Private soll dann doch privat bleiben. Mir war sicher wichtig, dass das Private vorkommt, aber nicht überhand nimmt.

Heute: Wie würden Sie Christian Kern einem Fremden vorstellen und beschreiben?



Misik: Er ist extrem belesen und extrem fleißig. Eine Arbeitsmaschine. Zugleich hat er eine sehr sympathische Art, wozu auch die Fähigkeit zur Selbstironie gehört und auch die Fähigkeit, Kritik anzunehmen. Das ist in der Spitzenpolitik ja eher selten, in der Alphatiere verbreitet sind, die nur Ich-Ich-Ich sagen.

Heute: Fürchten Sie nicht, dass Sie Ihr Buch im Herbst neu titeln müssen? In "Kern, er war kurz Kanzler" vielleicht?

Misik: ÖVP-Chef Sebastian Kurz ist jung und dominierte den Machtpoker in seiner Partei sehr geschickt, noch dazu für sein Alter, das muss man ihm durchaus lassen. Da braucht man gar nicht dran rummäkeln. Ich habe aber den Verdacht, dass Kern am Ende der ist, den sich die Leute in der Kanzler-Rolle vorstellen können. Aber man wird das sehen. Nüchtern betrachtet haben jetzt sowohl die SPÖ als auch die ÖVP Spitzenleute, die auf ihre Weise gut sind. Soll einem Land Schlimmeres passieren.

(gp)