Politik

Widerstand gegen Schulpflicht-Vorstoß

Heute Redaktion
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ÖGB-Präsident Erich Foglar will die Schulpflicht von derzeit neun auf zehn Jahre verlängern. Die Reaktionen aus Politik und Wirtschaft auf diesen Vorschlag sind großteils negativ. Die Oppositionsparteien sind bis auf die Grünen skeptisch.

Jährlich würden zwischen 6.000 und 8.000 Jugendliche nach ihrer Pflichtschulzeit keine weiterführende Ausbildung machen und deshalb aus dem Ausbildungssystem herausfallen, meinte Foglar bei einer Pressekonferenz mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied (S). In den angesprochenen Fällen greife die Ausbildungsgarantie nicht, genau diese Gruppe habe aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang wünschte sich der ÖGB-Chef auch eine Neustrukturierung der Polytechnischen Schule.

Änderungen im Berufsausbildungsgesetz verlangt Foglar bei der Anrechnung von Ausbildungszeiten. Es könne nicht sein, dass Absolventen einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) etwa in einem Reisebüro wieder als Lehrlinge anfangen müssten, denen gerade einmal ein Jahr Lehrzeit angerechnet würde. "Das ist Lohnraub." Weiters verlangt der ÖGB eine "Fachkräftemilliarde" zur Finanzierung der Lehrlingsausbildung.

Zufrieden sind die Gewerkschafter mit jenen Maßnahmen für künftige und aktuelle Arbeitnehmer, die in den vergangenen Monaten beschlossen bzw. gestartet wurden. Dazu gehören etwa das in Wien und der Steiermark als Pilotprojekt gestartete "Jugendcoaching" für Schüler im neunten Schuljahr, die von Sozialarbeitern und Psychologen in punkto Bildungsweg beraten und entsprechend begleitet werden, sowie die verpflichtende Verankerung von Berufsorientierung und Bildungsberatung im Lehrplan in den Hauptschulen, AHS-Unterstufen, Neuen Mittelschulen und Sonderschulen.

"ÖGB soll sich konstruktiv beteiligen"

Die Reaktionen auf den aktuellen Vorschlag der Gewerkschaftsspitze fallen großteils negativ bis ablehnend aus. Bis auf die Grünen sind alle Parteien skeptisch, ob die Verlängerung der Pflichtschule um ein Jahr Sinn machen würde. FPÖ-Bildungssprecher Rosenkranz sagte, man sollte eher das jetzige Pflichtschulsystem reformieren und im Polytechnikum Qualität einsetzen.

Ursula Haubner vom BZÖ sieht in der Verlängerung der Schulzeit keine Problemlösung. Man müsse früher ansetzen und den Schülern vermitteln, welche Berufschancen sie haben. Harald Walser von den Grünen kann sich ein zehntes Schuljahr zumindest vorstellen. Andere Dinge hätten aber Priorität. SPÖ-Koalitionspartner ÖVP hakt ebenfalls bei der Frage der Qualität ein. Ein bloßes Zeitabsitzen würde die Chancen der Jugendlichen nicht erhöhen. Es gehe um die Qualität von Abschlüssen.

"Der Gewerkschaftsbund macht es sich wie immer leicht. Der Ruf nach einer 'Fachkräftemilliarde' zeugt von purem Populismus und ist sachlich nicht gerechtfertigt", kritisiert Peter Haubner, Generalsekretärs des Österreichischen Wirtschaftsbundes "altbekannte ÖGB-Forderungen". Der ÖGB wähle "den Weg des geringsten Widerstandes, wenn es um die Reformierung des Bildungssystems geht. Statt ein zehntes Schuljahr zu fordern, ist der ÖGB eingeladen, sich bei der Umsetzung des Reformbedarfs der 9. Schulstufe konstruktiv zu beteiligen."

Leitl: Ausbildungspflicht statt Schulpflicht

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl erneuert angesichts der vom ÖGB geforderten Verlängerung der Schulpflicht seine Forderung nach einer "Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr". Das vom Gewerkschaftsbund geforderte zehnte Pflichtschuljahr lehnt Leitl jedoch ab. "Ich gehe davon aus, dass jene, die aussteigen, von der Schule die Nase voll haben. Die Jugendlichen noch ein weiteres Jahr in einer Klasse zu belassen, wäre kontraproduktiv", lehnt Leitl den ÖGB-Vorschlag ab.

Vielmehr sollten jugendliche Schulabgänger seiner Meinung nach zu einer dualen Ausbildung (Lehre) verpflichtet werden, so Leitl in der Kleinen Zeitung (Samstag-Ausgabe). Sozialminister Rudolf Hundstorfer hatte im Vorjahr eine Ausbildungspflicht bis 18 gefordert und will diese bis 2015 umsetzen.