Gesundheit

Welche Folgen Kopfschmerzen bei Kindern haben

Kopfschmerz bei Kindern wird vermehrt übersehen oder verharmlost. Dass dies aber Folgen im Erwachsenenalter haben kann, wird oft vergessen.

Sabine Primes
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"Aua!" - Kopfschmerzen sind auch bei Kindern ein Thema.
"Aua!" - Kopfschmerzen sind auch bei Kindern ein Thema.
Getty Images/iStockphoto

In Sachen Schmerz gibt es ein bisher kaum wahrgenommenes Problem: Fast 70 Prozent der Kinder haben laut aktuellen und auch aus Österreich stammenden Studiendaten Kopfschmerzen. Bei häufigen Attacken von Migräne oder Spannungskopfschmerz fallen zum Beispiel Schultage aus. Es gibt auch ein hohes Risiko für zusätzliche psychiatrische Erkrankungen im Erwachsenenalter, stellte jetzt die Deutsche Schmerzgesellschaft fest.

"Mehr als zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler haben Studien zufolge regelmäßig Kopfschmerzen. Rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen verpassen dadurch wiederholt den Unterricht. Oft sind Leistungsdruck, emotionaler Stress, zu viel Zeit am Bildschirm und zu wenig Bewegung die Ursache - der monatelange Lockdown hat all diese Faktoren noch einmal deutlich verstärkt. Dennoch werden Kopfschmerzen bei Kindern häufig nicht ernst genommen, und sie werden keinem Arzt oder Ärztin vorgestellt - obwohl oft einfache therapeutische Maßnahmen die Schmerzen lindern könnten", schrieb die Deutsche Schmerzgesellschaft aus Anlass ihres bevorstehenden Jahreskongresses (19. bis 23. Oktober).

Studie aus Österreich

Eine der aktuellsten Studien über die Häufigkeit von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen kommt aus Österreich. "Fängt man mit Europa an, hat eine erst vor kurzem erschienene Untersuchung aus Österreich mit 3.386 Schülern zwischen 10 und 18 Jahren eine Häufigkeit von Kopfschmerzen innerhalb eines Jahres von 75,7 Prozent (Mädchen: 82,1 Prozent; Buben 67,7 Prozent) ergeben. Diese Studie zeigte weiters (...) eine Häufigkeit von Migräne von 24,2 Prozent, von 21,6 Prozent für Spannungskopfschmerz und chronische Kopfschmerzen bei drei Prozent (mehr als 15 Tage im Monat)", zitierten die Autoren einer Übersichtsarbeit in "Current Pain and Headache Reports) Ende August 2020 eine Arbeit von Julia Philipp und Co-Autoren von der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Wien (AKH/MedUni) im Journal of Headache Pain vom November 2019.

Kopfschmerzen ernst nehmen

"Eltern sollten Kopfschmerzen nicht bagatellisieren. Kopfschmerzen können den Alltag und die Zukunft junger Menschen stark beeinträchtigen", sagte Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz im Interdisziplinären Universitätsschmerzzentrum am Universitätsklinikum Dresden und Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021.

Zu seltene Diagnosen

Im Grunde genommen gilt diese Häufigkeit in etwa europaweit. Immer wieder Kopfschmerzen haben an die 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen. Je älter sie sind, desto öfter. "In einer Querschnittsstudie in Dresden, mit über 2.700 befragten Schülerinnen und Schülern, gaben mehr als zwei Drittel aller Befragten an, regelmäßig an Kopfschmerzen zu leiden. Mehr als ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen mit mehr als zwei Kopfschmerztagen im Monat fehlten dadurch regelmäßig in der Schule", stellte die Deutsche Schmerzgesellschaft fest.

Ein klares Problem liegt sowohl in der Diagnose als auch in der nachfolgenden Behandlung dieser Symptome bzw. Erkrankungen. "Eine ärztliche Diagnose und Therapie der Kopfschmerzen erhalten nur die Wenigsten", sagte Großau. "Dabei sind Migräne und Spannungskopfschmerz die häufigsten eigenständigen Schmerzdiagnosen bei Kindern und Jugendlichen." Alarmierend sei, dass Kopfschmerzen stattdessen häufig in Eigenregie mit frei verkäuflichen Medikamenten (OTC-Präparate; Anm.) bekämpft werden. "Schmerzmittel sollten Kinder aber nur einnehmen, wenn sie vom Arzt oder der Ärztin in geeigneter Dosierung verordnet wurden", so die Expertin weiter.

Psychische Folgen von Migräne

Die Folgen nicht diagnostizierter Kopfschmerz-Leiden von Kindern und Jugendlichen haben erst vor kurzem Lucia Gerstl vom Hauner-Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität und ihre Co-Autoren in der Zeitschrift der Internationalen Kopfschmerz-Gesellschaft (Cephalgia) in einer Vergleichsstudie dargestellt. Sie verglichen die Versicherungsdaten von 56.597 Jugendlichen ab dem Alter von 15 Jahren mit und ohne Migräne über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg.

Die Ergebnisse sind beachtenswert und sollten zu deutlich mehr Bewusstseinsbildung und Bemühungen zum Erkennen verdächtiger Symptome bzw. zum Handeln für Diagnose und Therapie führen:

● 88 Prozent der jugendlichen Migräniker entwickelten eine zusätzliche psychiatrische Störung oder andere Schmerzproblematik innerhalb des folgenden Jahrzehnts.

● Jugendlichen Migräne-Betroffenen hatten ein um 30 Prozent erhöhtes Risiko für zusätzliche chronische Beschwerden.

● Die Häufigkeit von Stress-bedingten und psychosomatischen Störungen war um 80 Prozent erhöht.