Gesundheit

Was überfüllte Spitäler bedeuten – ein Arzt twittert

Was es heißt, mit Patienten jonglieren zu müssen, weil die Kapazitäten nicht reichen, beschreibt ein Arzt auf Twitter und appelliert an uns.

Sabine Primes
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Das Spitalspersonal sind die wahren Helden der Pandemie.
Das Spitalspersonal sind die wahren Helden der Pandemie.
Getty Images

Im Laufe der mittlerweile fast zwei Jahre andauernden Pandemie standen die Kapazitäten der heimischen Krankenhäuser mehr als einmal auf der Kippe. Das Landeskrankenhaus Salzburg brachte sogar eine Überlastungsanzeige ein. Es drohte eine Notstandssituation einzutreten, in der intensivmedizinische Triagen vorgenommen werden müssen. Die Folge: Es wird ausschließlich nach Dringlichkeit behandelt. 

Twitter-User Lämêth ist nach eigenen Angaben Herzchirurg und Intensivmediziner. Auf seinem Account berichtete der Mediziner vor Kurzem in mehreren Posts über einen seiner Arbeitstage in in einem deutschen Krankenhaus und und macht damit die Situation deutlich.

Wer sich nicht durch die Tweets lesen möchte, hier der Text im Ganzen:

"Ich breche nun zwei meiner Twitter regeln. Ich erzähle keine aktuellen Ereignisse aus der Klinik und werde nicht konkret, damit ich meine Anonymität wahren kann. Es gibt aber Gründe, die am Ende klar werden.
Morgens habe ich erfahren, dass die Kollegen des letzten Tages die ganze Nacht durchoperiert haben und noch am OP-Tisch stehen und ich eine Ablösung organisieren soll. Drei Leute wollen nach Hause, drei Kollegen sind zusätzlich krank. Es sitzt eine ziemlich kleine Gruppe in der Frühbesprechung.
Ich gehe selber in den Saal und löse die Kollegen mit einem frischen Team ab. Ich erfahre bei der Übergabe, dass dieser Patient aus einer anderen Uniklinik zu uns verlegt wurde, weil diese Klinik auf absehbare Zeit kein Intensivbett bekommen hätte, um ihn zu versorgen. D.h. der Patient wurde in akuter Lebensgefahr über 1 Stunde von der einen in die andere Uniklinik gefahren. Der junge Mann hätte auf während des Transports gut und gerne sterben können. Ich bin etwas irritiert.
Dann übergibt mir der Kollege, dass sie in der Nacht noch eine weitere Anfrage aus einer weiteren Uniklinik hatten, die ihrerseits einen bei ihnen liegenden Patienten in akuter Lebensgefahr nicht versorgen konnte und gebeten hat, dass wir übernehmen. Die Kollegen mussten diesen weiteren (das wäre die 3. OP in der Nacht gewesen) ablehnen. D.h. wir und die beiden nächsten Unikliniken waren in den Stunden nicht mehr handlungsfähig.
Während ich an den Tisch gehe, wird ein weiterer Notfall aus der Notaufnahme angemeldet. Ich delegiere das an einen Kollegen und dieser neue Patient geht in den Nebensaal. Unsere OP, die in der Nacht angefangen hat, dauert bis ca. 15 Uhr. Wir können nicht alle Probleme lösen. Wir entscheiden, ins CT zu fahren, während der OP-Saal für uns reserviert bleibt, da wir wieder kommen wollen, um weiter zu machen.
Während der Kollege aus der Anästhesie den Patienten ins CT bringt, biege ich kurz ab, um aus der Kantine Brötchen zu kaufen. Es ist fast 16, Uhr als ich vor dem CT das erste Mal an diesem Tag etwas esse, während die Kollegen den Patienten für die Untersuchung vorbereiten. Ich sitze alleine in dem Gang vor dem CT.
Da biegt ein Team aus der Notaufnahme um die Ecke. Ein kritischer Patient wird in das zweite CT gebracht. Der Kollege, der dabei ist, lacht, als er mich da sitzen und essen sieht. Er sagt: "Was tust du denn hier? Ich habe dich noch gar nicht anrufen können. Dieser Patient ist ein Notfall für die Herzchirurgie." Ich: "Mach keine Witze. Mir ist nicht zum Lachen. Wir operieren schon einen Notfall und ich muss mit einem Patienten im CT nochmals zurück in den Saal." Er: "Das ist kein Witz. Der muss sofort in euren Saal" Ich: "Das kann nicht sein. Wer hat den Patienten angenommen? Wir haben keinen Saal. Keinen weiteres Team. Nichts." Er: "Die Neurologen. Er wurde als Schlaganfall angekündigt. Ist aber nicht. Wir müssen die Diagnose gleich im CT bestätigen. Dann müsst ihr ihn versorgen." Wir gehen rein.
Beide Patienten werden parallel untersucht. Ja. Der frische Patient ist ein Notfall. Für uns. JETZT. Nicht in 2 Minuten. JETZT. Er kann auch nicht mehr verlegt werden. Ich entscheide, den anderen Patienten, für den eigentlich der OP-Saal reserviert war, auf die Intensivstation zu fahren. Damit ich den freien Saal für den Neuen bekomme…
Die Entscheidung war richtig. Es geht dennoch für den Patienten nicht gut aus. Wir können ihn nicht retten. Er stirbt in unseren Händen. Telefonat mit den Angehörigen und wir müssen ihn abhaken. Der nächste Notfall, der eigentlich schon längst operiert werden hätte sollen, wartet nun auf der ITS auf uns. Keine Zeit, nachzudenken. Keine Zeit, zu realisieren, was passiert ist. Waren wir empathisch zu den Angehörigen? Ich glaube schon. Aber so richtig weiß ich es nicht. Der Kopf ist bei dem noch Lebenden, den wir noch versuchen wollen, zu retten. Immerhin. Die Geschichte geht gut aus.
Ich habe jetzt gar nicht von den Patienten geredet, die an dem Tag nicht operiert werden konnten, weil wir keine Zeit für sie hatten, obwohl sie einen OP-Termin hatten. Jetzt addieren wir im Kopf die Omikron-Welle zu diesem Geschehen… Mir fehlt dafür die Fantasie.
Nun stelle ich mir Fragen: Gehört so eine Geschichte in die Öffentlichkeit? Verbreite ich damit unnötig Panik? Wer liest das? Wen interessiert es? Hat es überhaupt Sinn, das zu erzählen? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Sagt ihr es mir."

Die Regeln für Weihnachten

Dass die Corona-Maßnahmen für die Weihnachtsfeiertage und Silvester gelockert wurden, verwundert viele Experten. Infektiologe Richard Greil etwa rät zu einem privaten Lockdown über die Feiertage.

Laut Regierung wird aber der Lockdown für Ungeimpfte von 24. bis 26. Dezember, sowie am 31. Dezember ausgesetzt. Treffen von bis zu zehn Personen ohne 2G-Nachweis sind im privaten Bereich erlaubt.

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