"Das Perfide am Klimawandel"
Wadsak: Erderhitzung hämmert nicht nur Wein weg
Der Weinbau in Österreich steht vor einem Umbruch. Viele Rebsorten werden mit steigenden Temperaturen unbrauchbar. Doch nicht nur sie sind in Gefahr.
In den vergangenen Tagen sind lokale Hitze-Rekorde reihenweise gebrochen worden, sogar der 90 Jahre bestehende Bundesrekord für den frühesten Tag mit 30 Grad und mehr wurde haushoch unterboten!
"Bruck an der Mur hat mit exakt 30,0 Grad einen Hitzetag erreicht, so früh wie nie zuvor in der Messgeschichte unseres Landes", analysiert Meteorologe Andreas Demel. Eine dramatische Entwicklung, denn es geht nicht nur um die ominöse 30-Grad-Marke, wie Puls24-Wetterexperte Manuel Kelemen betont: "Auch 27 Grad sind für Anfang April absurd warm".
"Nachdem das noch niemand von uns so in der Art erlebt hat, würde ich es als sehr ungewöhnlich einstufen", analysierte ORF-Meteorologe Marcus Wadsak die erreichten Rekordtemperaturen in der ZIB2 Montagnacht und sprach von einem "Once-in-a-Lifetime-Event". Nachsatz: "Das es wohl aber nicht lange bleiben wird."
Diese zunehmenden klimatischen Hitzewallungen haben auch massive Auswirkungen auf die Natur – und damit auch über die Landwirtschaft auf unser aller Lebensgrundlagen. Einem Teilaspekt, wegen dessen besonders Genussmenschen zum Wein-en sein wird, widmete sich Montagnacht auch Armin Wolf. Die zunehmende Hitze und Trockenheit durch den Klimawandel hämmern hierzulande beliebte Weinsorten weg. Dazu kommt noch eine steigende Gefahr durch Spätfröste im Frühjahr.
"Verstehen, dass es so nicht weitergeht"
Mit Blick von seinen Weingärten über Wien schildert Winzer Michael Edlmoser das Leid, das bereits das Jahr 2023 für die Branche und sein Weingut brachte: "Es war einfach viel zu warm für unsere Trauben, viel zu heiß. Wir haben teilweise gar nicht die Technologie gehabt, die Trauben bei diesen Temperaturen so zu kühlen, dass sie wirklich kühl vergären können. Das wird sich verändern."
Ob die frühreifen Sorten wie Bouvier, oder eben Frühroter Veltliner jemals wiederkommen? "Ich denke nicht." Wenn es wärmer wird, werden diese Sorten in Österreich ungenießbar. Denn gleichzeitig steigt der Zucker der Trauben und damit der Alkoholgehalt des Weines: "Es bringt nichts, wenn das alles eben 15 [Prozent] plus Alkohol hat", so der Winzer.
Er fordert ein schnelles Eingreifen der Politik, die endlich auch das seit langem ausständige Klimaschutzgesetz – es scheitert laut der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler an der ÖVP – beschließen solle: "Auch wenn es dann vielleicht dem einen oder anderen Autofahrer bisschen weh tut. Verstehen müssen wir, dass es so nicht weitergeht, aber ob ich ihn jetzt ärgere, oder dann in zwei Jahren, ist doch eigentlich auch schon wurscht."
"Geringere Erträge, trotzdem ein Produkt"
Der Klosterneuburger Johannes Schmuckenschlager (VP), Präsident des Weinbauverbands und tief verwurzelt in der Politik, sieht die Zeichen ebenfalls auf Veränderung. Das Geschmacksprofil werde wohl "bisschen kräftiger, fülliger" und damit ähnlicher den aktuellen Südtiroler Tropfen.
"Wir sehen, dass wir natürlich in trockenere Phasen kommen, vor allem im Osten Österreichs", bestätigt auch der türkise Politiker den Klimawandel. Der Weinbau werde deshalb aber nicht unmöglich, sagte er mit Verweis auf extremere Anbauregionen. Für die heimischen Winzer heiße das: "geringere Erträge, aber trotzdem ein Produkt".
Punkto Klimaschutz steht er allerdings auf der Bremse, fürchtet, dass durch falsche Maßnahmen heimische Produktion ins Ausland abwandern und dann einfach dort weiter CO₂ ausstoßen könnte.
Rot gegen Weiß – einer zieht den Kürzeren
"Derzeit ist der Anbau von kräftigen Rotweinen erleichtert und die Produktion fruchtig-frischer Weißweine erschwert", bestätigte auch Reinhard Eder bereits in einem früheren Dialog mit "Heute". Er ist Direktor der HBLA für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg (NÖ) und steht somit direkt am Brennpunkt der aktuellen Entwicklungen. Schon jetzt gelten ihm zufolge wärmere Weinbau-Lagen hierzulande aufgrund der Klimaerwärmung als "eher problematisch", kühlere und höhere Regionen avancieren derweil zu den neuen "Gunstlagen".
Den Weinbau in Österreich in seiner Gesamtheit sah auch er aber nicht in Gefahr. Es gebe eine "sehr große Anpassungsmöglichkeit" durch die Wahl der Sorten, Unterlagen, Erziehungssysteme und natürlich auch der Anbaugebiete.
Auch Eder stellte klar, dass es einen Wandel geben wird müssen: "Jede langsam oder rasch kommende Klimaveränderung erfordert innovative und flexible Anpassungen und wird sich im Spiegel der Rebsorten, Weinstyle sowie angebauten Obstarten reflektieren." Er blickte positiv der Zukunft entgegen: "Ich denke, dass mit gut angewandter Weinforschung und dynamischen Betrieben die Anpassungen und Umstellungen in Österreich schaffbar sind."
Das hat ein junger Erwachsener noch nie erlebt
Doch wenn es jetzt schon 30 Grad hat, wie wird dann erst der Sommer? Meteorologe Wadsak war in seinem Ausblick zurückhaltend: "Das kann man nicht sagen. Wir können in Österreich Prognosen für eine, maximal zwei Wochen machen. Wie der Sommer wird, wissen wir, wenn er kommt."
Die Baseline für die Temperatur rutscht Jahr um Jahr nach oben: "Durch den menschengemachten Klimawandel ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Sommer und das ganze Jahr in Österreich überdurchschnittlich warm sein wird. Das erleben wir seit 2000 durchgehend", so der 53-jährige Wetterexperte.
Seinem Gegenüber Armin Wolf (Jahrgang 1966) und damit den TV-Zusehern machte er klar: "Sie müssen sich vorstellen, ein junger Erwachsener in Österreich hat noch nie ein Wetterjahr hier erlebt, das in unserer beiden Jugend vielleicht noch als normal gegolten hat."
Die erlebten Hitzeperioden zu Ostern (28,5 Grad in Wien) und am Wochenende (30 Grad, Bruck/Mur) seien nicht nur statistische Ausreißer: "Es ist diese Häufung von extremen Wettereignissen, die eindeutig auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist. Wir kennen diese Wetterlagen, nur waren sie früher nicht in der Lage, uns solche Temperaturen zu bringen. Da sind alle anderen Gründe ausgeschlossen."
"Das Perfide an diesem Klimawandel"
Zurückblickend auf den Weinbau sah auch Wadsak die Veränderung kommen: "Der Grüne Veltliner wird in absehbarer Zeit ein guter süddeutscher Wein sein, dafür sehen wir jetzt schon im Burgenland und in der südlichen Steiermark italienische Rotweine, die da jetzt angebaut werden."
Von der Neuanlage eines Weingartens bis zum Vollertrag dauert es aber. Vielleicht zu lange: "Das Perfide an diesem Klimawandel ist das Tempo", so der Meteorologe abschließend. "Der geht so rasant mit seiner Erwärmung, dass sich viele Arten nicht anpassen werden können – übrigens auch einige Menschen nicht."