Depression, Demenz und Sucht: Themen, die auch in der Arbeitswelt immer präsenter werden. Um besser darauf reagieren zu können, schulen immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter in "Erster Hilfe für die Seele".
In den von pro mente OÖ angebotenen Seminaren lernen Angestellte oder Führungskräfte, psychische Krisen frühzeitig zu erkennen und Betroffene zu unterstützen. 1.500 Ersthelfer wurden in Oberösterreich schon ausgebildet.
Einer davon ist Thomas R. (54), Bereichsleiter bei der Lenzing AG. Das heimische Unternehmen mit Sitz in Lenzing (Bez. Vöcklabruck) implementierte das Programm schon erfolgreich im Betrieb. Der 54-Jährige zögerte nicht, als sich die Möglichkeit auftat: "Ich habe bei vorherigen Arbeitgebern schon mit starken Problemen wie Gewalt auf der Arbeit gekämpft", erzählt er im "Heute"-Gespräch.
Ein Erlebnis hatte ihn zuvor besonders geprägt: Die Begegnung mit einer Dame, die an einer manischen Depression litt. Nachts habe sie gestammelt und ihn panisch gebeten, die Rettung zu rufen. Als er zwei Minuten später zu ihr zurück kam, sei sie lachend in der Ecke gesessen.
"Ich dachte erst, 'wo sind die Kameras? Bin ich bei Verstehen Sie Spaß?'" Dass sich die Frau in einem Extremzustand befunden hatte, sei ihm "einfach nicht bewusst" gewesen. "Nach dem Seminar habe ich gemerkt, dass ich mich voll falsch verhalten habe", sagt er rückblickend über derartige Situationen.
"Man kennt viele Dinge, wie zum Beispiel Psychosen oder manische Depression, gar nicht. Man weiß nicht, wie das aussieht." Unter anderem das habe er in den Schulungen von Experten gelernt, auch anhand von Videomaterial.
"Hilfe holen, mit der Person sprechen oder einfach zuhören." All das seien kleine Dinge, die man als Ersthelfer tun kann. Derartige Krisen dürften nicht auf die leichte Schulter genommen werden, weiß der 54-Jährige: "Psychische Erkrankungen können genauso tödlich enden wie körperliche."
„Psychische Erkrankungen können genauso tödlich enden wie körperliche.“Thomas R. (54)Bereichsleiter bei der Lenzing AG
Das Wissen aus dem Seminar konnte er auch schon erfolgreich anwenden: "Wo ich früher im Stress einfach weggedrückt habe, denke ich jetzt: 'Ich hör dir einfach mal dazu'." Das helfe in den meisten Fällen schon immens.
Der 54-Jährige betont auch den wirtschaftlichen Nutzen: Fühlen sich die Mitarbeiter alle wohl, gebe es "weniger Krankenstände, weil die Arbeit einfach gut läuft. Es macht einfach Spaß, zusammenzuarbeiten."