Fussball

"VAR und Schiris vor Öffentlichkeit in Schutz nehmen"

VAR-Sprecher Konrad Plautz reagiert auf die haarsträubenden Fehler und teils heftige Kritik am heimischen Schiri-Wesen und VAR.

Sebastian Klein
Harald Lechner sorgte für den Fehlpfiff in Linz, wurde vom VAR im Stich gelassen.
Harald Lechner sorgte für den Fehlpfiff in Linz, wurde vom VAR im Stich gelassen.
gepa

Wattens-Abwehrchef Raffael Behounek platzte letzte Bundesliga-Runde der Kragen: "Unsere Schiris sind im Großen und Ganzen einfach schlecht." In einer Wutrede prangerte der Profi das Schiedsrichterwesen an, obwohl es beim müden 0:0 gegen Altach keine spielentscheidenden Schnitzer gab. Was Behounek derart aufregte? Auch die groben Schnitzer auf anderen Plätzen in den vorhergehenden Tagen.

Tatsächlich griffen Österreichs Referees gleich mehrfach in den höchsten Spielklassen deutlich daneben. Bei der LASK-Stadioneinweihung auf der neuen Gugl hatte der Geschenk-Elfer zum 1:0-Sieg über Lustenau bundesweit für einen Aufschrei gesorgt.

Schiri-Boss Robert Sedlacek verteidigte die Schiris bei "Heute": "Diese Aussage gehört sich nicht, die bringt niemanden weiter. Wir werden dagegen was unternehmen", sagte er über Behounek. Hier alle Aussagen von Sedlacek.

VAR-Sprecher stellt sich

Jetzt meldet sich VAR-Sprecher Konrad Plautz im Sky-Podcast "Audiobeweis" zum Thema Videobeweis zu Wort.

Konrad Plautz
Konrad Plautz
Gepa

Konrad Plautz (Sprecher der VAR-Gruppe der Bundesliga):
…über den Elferpfiff bei LASK vs. SC Austria Lustenau: "Ich habe in meiner Rolle die gleichen Bilder zur Verfügung wie der VAR und habe sofort gesehen, dass das kein Strafstoß war. Ich konnte aber nicht eingreifen. Der VAR checkt alle Bilder. Der Schiedsrichter wurde während des Checks nochmal gefragt, was er gesehen hat. Er hat gesagt, dass er einen Kontakt beim Schießen gesehen hat. Der VAR hat das bestätigt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das ganze Team gute Arbeit geliefert. In der Nachbesprechung habe ich dann aber sofort auf den Fehler hingewiesen. Wir sitzen oft im Hintergrund und es brennt uns unter den Nägeln, aber wir können nicht eingreifen. Das ist nun mal so. Wir haben den Vorfall intern aufgearbeitet."

…über das größte Problem der Schiedsrichter in der Rolle des VAR: "Wir wissen, der VAR wird nie perfekt funktionieren. Ich sehe das größte Problem darin, dass die Schiedsrichter vor dem Monitor nach wie vor schiedsrichterliches Denken haben. Das ist in manchen Situationen schlecht. Man muss wie ein Konsument darauf schauen und nicht als Schiedsrichter. Sonst versucht man den Kollegen zu unterstützen und die Entscheidung zu bestätigen. Das ist der falsche Weg."

…über den Supervisor: "Dass Supervisor bei offensichtlichen Fehlern nicht eingreifen dürfen, ist dem Protokoll geschuldet. Es gibt nicht in jedem Land einen Supervisor. In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist er im Hintergrund für Schulungen, Lernzwecke, Aufarbeitung und Vorbereitung verantwortlich. Gibt es bei der individuellen Aufarbeitung schon Fragen, besprechen wir gemeinsam, was die richtige Vorgehensweise ist, und erarbeiten eine Conclusio. Diese wird auch in der Vorbesprechung vor Spielen nochmal durchgegangen."

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    Gepa

    …der Kommunikationsablauf zwischen VAR und Schiedsrichter: "Wenn der Schiedsrichter seine Auffassung einer Szene kommuniziert und eine falsche Wahrnehmung hat, kann der VAR sagen, bist du dir sicher, dass das so vorgefallen ist. Das ist für den Schiedsrichter schon ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass er sagt, ich möchte mir die Bilder noch einmal anschauen. Umgekehrt kann der VAR, wenn er sich mit einer Entscheidung des Schiedsrichters unwohl fühlt, den Schiedsrichter zum On-Field Review schicken, damit dieser die Szene noch einmal anschauen kann."

    …über Probleme bei der Kommunikation: "Es handeln Menschen, die eine unterschiedliche Auffassung haben. Es wird immer eine subjektive Meinung bleiben. Außerdem hängt es von der Tagesverfassung ab. Nicht jeder arbeitet alles von A bis Z gleich ab. Es ist eine Empfindungssache. Der eine sieht ein Foul anders als jemand anderes. Damit müssen wir leben. Aber wir versuchen diese Fehlerquelle so klein wie möglich zu halten, indem wir bei Schulungen einen großen Teil VAR haben."

    …über die Bewertung bei einem On-Field-Review: "Die Schiedsrichter werden nicht per-se schlechter bewertet, wenn sie ein On-Field Review haben. Es hängt davon ab, was es für ein Foul ist. Der letzte Schiedsrichter wurde 2017 aufgrund von schlechten Leistungen von der Liste genommen, also verstehe ich nicht, warum die Schiedsrichter sagen, dass sie deshalb einen Druck haben. Wir brauchen eine Reihung am Ende des Jahres, das heißt aber nicht, dass jemand wegen eines On-Field Reviews die Woche danach nicht mehr pfeifen darf. Nur wenn es wirklich gravierend ist, nehmen wir sie vielleicht die Woche danach aus der Schusslinie."

    …über die Überlegung ab Sommer keine Benotung mehr zu geben: "Wir versuchen jeden Druck von den Schiedsrichtern zu nehmen. Das Benotungssystem ist aber vorgegeben von der UEFA in der Konvention. Wir können uns ja nicht gegen die Konvention stellen. Wir müssen anfragen, ob wir das System, das die Deutschen haben, übernehmen dürfen. Wenn uns das nicht gestattet wird, können wir die Benotung nicht abschaffen. Es ist für uns nicht wichtig, ob wir den einmal oder zehnmal zum On-Field Review holen. Wichtig ist für uns, dass das richtige Ergebnis für das Spiel rauskommt. Um das geht es uns, nicht um eine Benotung."

    …über die Aufarbeitung der Fehlentscheidung im Spiel LASK vs. SC Austria Lustenau: "Am Samstagnachmittag hat es bereits eine Stellungnahme vom VAR bzw. von mir in Richtung Medien gegeben. Wir selber gehen aber nicht auf die Medien zu, um eine Plattform zu bekommen. Die Kontaktaufnahme muss da von Seiten der Medien kommen."

    …über Transparenz in Zukunft: "In Zukunft könnte der Schiedsrichter im Stadion hörbar sein, damit die Fans auch wissen, was letztendlich entschieden wurde. Da entscheiden aber höhere Gremien wie IFAB, FIFA und UEFA, ob Bilder im Stadion gezeigt werden und ob der Audioinhalt hörbar wird. Das sind bisher aber nur Gerüchte. Momentan ist der VAR das Feindbild Nummer 1. Aber solange Menschen arbeiten, können Fehler passieren."

    …über die Einführung der Torlinientechnologie und der halbautomischen Abseitserkennung in Österreich: "Wir würden uns eine Einführung wünschen. Das entscheiden aber die Liga und die Vereine, weil das viel Geld kostet. Sie sind die Entscheidungsträger, wir sind die handelnden Personen. Derzeit müssen wir bei Abseits weiterhin mit Linien arbeiten. Bei Toren können wir nur eingreifen, wenn sie auf den Bildern, die wir haben, ganz klar sichtbar sind."

    …über die FIFA-VAR-Liste: "Der VAR muss zwei Jahre in Österreich laufen und ein Schiedsrichter 15 Spiele haben, bis man auf die Liste aufgenommen werden kann. Die Kommission in Österreich hat keinen Schiedsrichter gemeldet, weil wir laut FIFA-Vorgabe nicht durften. Das bedeutet, dass wir in der kommenden Saison einen melden können. Bei der UEFA sind wir schon mit VARs und AVARs drinnen. Es ist schlichtweg nicht richtig, dass wir „entwicklungsländermäßig“ unterwegs sind. Es ist von Seiten der ÖFB-Schiedsrichterkommission richtig gehandelt worden."

    …über das Standing der österreichischen Schiedsrichter: "Ich bin viel als Beobachter unterwegs und glaube, dass wir sehr wohl eine sehr gute Ausbildung haben. Das Standing liegt auch an den Sympathien. Der Vorsitzende der UEFA-Schiedsrichterkommission Collina war Österreich nicht gut gesinnt. Mit Roberto Rosetti sind wir wieder im Aufbau. Wir sind ständig in Verbindung und hoffen, dass wir das kontinuierlich verbessern. Ein Schiedsrichter muss mindestens zwei Saisonen durchgehend gut performen, also einen Notendurchschnitt von mindestens 1,3 bis 1,5 haben, um von einem kleinen Land wie Österreich als UEFA-Kategorie 1 Schiedsrichter anerkannt zu werden. Ich bin überzeugt, dass wir in Österreich Schiedsrichter haben, die in der Champions League pfeifen können."

    …über Professionalisierung im Schiedsrichterwesen: "Das muss auch jemand bezahlen. Wir würden es uns wünschen. Ich wurde 1996 FIFA-Schiedsrichter und hatte bis zu meinem Karriereende nicht einen Tag Urlaub und musste sogar meine Arbeitszeit kürzen, damit ich 10 Wochen Urlaub hatte und so die ganzen Spiele und Seminare unterbringen konnte. Das ist heute mehr aufgrund des VAR, ansonsten ist der Aufwand ungefähr gleich wie früher. Wenn jemand Probleme hat, gibt es Unterstützung. Bei der Frauen EM und WM war Sara Telek nominiert, der Arbeitgeber hätte sie ursprünglich nicht freistellen können. Wir haben das dann mit dem Arbeitgeber geregelt. Wir würden uns professionelle Schiedsrichter wünschen, können aber nicht garantieren, dass die Leistungen dann besser werden. Die Schiedsrichter müssen dann auch gewillt sein, das Angebot anzunehmen. Wenn sie in einem Privatjob mehr verdienen wie als Profischiedsrichter, dann muss man sich das auch sehr gut überlegen. Es geht dann auch um die Frage, wie es nach der Karriere weitergeht."

    …mit einem Fazit: "Man muss die Schiedsrichter in Schutz nehmen, man kann sie nicht die Woche danach gleich wieder in den Mittelpunkt stellen. Das würde den Schiedsrichtern nicht guttun. Man muss die Schiedsrichter und die VARs vor den Medien und der Öffentlichkeit in Schutz nehmen."

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