Politik

"Bringt uns nicht weiter" – VdB überrascht mit Enthüllung

Zum Nationalfeiertag wandte sich Alexander Van der Bellen an die Nation. Dabei sorgte der Bundespräsident auch für eine Überraschung.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen während der Aufzeichnung seiner TV-Ansprache zum Nationalfeiertag 2022.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen während der Aufzeichnung seiner TV-Ansprache zum Nationalfeiertag 2022.
HBF/Peter Lechner

Bei seiner traditionellen TV-Ansprache zum Nationalfeiertag – Ausstrahlung um 19.48 Uhr im ORF – sorgt der wiedergewählte Bundespräsident Alexander Van der Bellen heuer für eine Überraschung. Er enthüllte dabei Herrn und Frau Österreicher, wie es hinter seiner berühmten Tapetentür in seinem Büro aussieht. "Von vorne kennen Sie sie ja zur Genüge", scherzt das Staatsoberhaupt dazu.

Doch schon kurz darauf wird VdB wieder ernst: "Ich weiß schon, das alles ist ungewöhnlich für eine Ansprache zum Nationalfeiertag" doch sei "'ungewöhnlich' ja normal geworden für uns alle." Eigentlich sei dieser Begriff sogar noch zu milde gewählt, erinnert er an die hereingebrochenen Krisen von Ibiza-Skandal und Chat-Affäre über globalen Katastrophen wie die Pandemie, den Ukraine-Krieg und den Klimanotstand hin zu Teuerung und Energiekrise.

Van der Bellen nimmt die Zuseher mit hinter die berühmte Tapetentür.
Van der Bellen nimmt die Zuseher mit hinter die berühmte Tapetentür.
HBF/Peter Lechner

"Darum geht es jetzt"

"All diese Dinge passieren fast gleichzeitig und man fragt sich unweigerlich: 'Kann das jetzt alles bitte aufhören?' Aber ich fürchte, so einfach ist das nicht. Die Welt ist instabiler geworden. Die Zeiten stürmischer. Und die Ereignisse und die Art, wie wir ihnen begegnen können, uneindeutiger", so der Bundespräsident. Er mahnt: "Es gibt nicht die eine große, einfache Antwort, die alles löst. Aber es gibt viele. Viele kleine Handlungen, die in Summe die Antwort ergeben."

Er warnt vor "Killer-Fragen" wie "Das soll jetzt alles lösen?" und betont, dass man nur Schritt für Schritt zur Lösung finden könne. Sein Appell: "Probieren, lernen, neu denken, neue Lösungen im Konstruktiven finden. Die Uneindeutigkeit aushalten. Und uns auf die Dinge verlassen, auf denen unsere Gesellschaft gebaut ist. Darum geht es jetzt."

Zusammenhalt und Prinzipien

Gerade in solchen Krisenzeiten brauche die Gesellschaft einen "starken inneren Kompass" und Prinzipien, nach denen über politische Gesinnungen hinweg "alle gemeinsam handeln können". "Und diese Prinzipien haben wir Gott sei Dank. Unsere wunderschöne Heimat, die Republik Österreich, ist auf ihnen errichtet", erinnert der Präsident an die grundsätzlichen Menschenrechte und unsere Verfassung, die ihn (wieder einmal) ins Schwärmen bringt.

Doch gleichzeitig fordert Van der Bellen auch alle Politiker auf, integer und im Sinne des Volkes zu handeln und "niemals zum eigenen oder zum Vorteil der eigenen Seilschaften. Darauf muss sich die Bevölkerung verlassen können". Deshalb werde er nicht nachgeben, weiter strengere Gesetze und Präventionsmaßnahmen einzufordern, die genau das sicherstellen sollen.

Van der Bellen: "Nicht im Problem verharren, denn das bringt uns nicht weiter."
Van der Bellen: "Nicht im Problem verharren, denn das bringt uns nicht weiter."
HBF/Peter Lechner

Für die, die nach uns kommen

Er erinnert auch an die Neutralität Österreichs und das Prinzip der Solidarität. "Wir sind füreinander da. Wir sind solidarisch. Wir helfen jenen Menschen, die in eine Notlage geraten sind. Wir lassen als Gesellschaft niemanden zurück" – in Österreich und auch in Europa.

"Diese Solidarität muss auch für jene gelten, die noch nicht auf der Welt sind, sondern nach uns kommen. Auch an sie, unsere Kinder und deren Kinder, müssen wir denken und ihnen einen Planeten hinterlassen, der uns allen weiterhin eine Heimat sein kann", betont der gebürtige Kaunertaler die Wichtigkeit des Klimaschutzes.

"Bringt uns nicht weiter"

"Niemand von uns ist perfekt, aber wir können an uns arbeiten. [...] Und lassen Sie uns bei allem, was wir tun, konstruktiv bleiben. Auch in der Wahl unserer Worte. Und nach vorne schauen. Den Blick auf die Lösung richten. Und nicht im Problem verharren, denn das bringt uns nicht weiter."

Van der Bellen schließt mit folgenden Worten an die Bürger: "Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich will hier nicht predigen, ich will Ihnen am heutigen Nationalfeiertag nur sagen, dass ich fest daran glaube: Wenn wir diese Prinzipien hochhalten und uns daran orientieren. Wenn wir alle gemeinsam uns an diese Prinzipien halten, dann sind wir als Gemeinschaft widerstandsfähig und können alles schaffen."

Van der Bellens Rede zum Nationalfeiertag 2022 im Wortlaut:
Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in Österreich leben:

Kommen Sie einmal mit. Ich möchte Ihnen am heutigen Nationalfeiertag ein wenig zeigen, wie es hinter der Tapetentür aussieht. Von vorne kennen Sie sie ja zur Genüge.

Ich weiß schon, das alles ist ungewöhnlich für eine Ansprache zum Nationalfeiertag. Aber erstens schadet Transparenz nie und diese Räumlichkeiten hier sind vor allem auch Ihre Räumlichkeiten.

Und zweitens ist "ungewöhnlich" ja normal geworden für uns alle. Denken Sie nur daran, was wir als Gesellschaft in den letzten Jahren alles an Ungewöhnlichkeiten erlebt haben. Und dieser Ausdruck ist eigentlich zu milde. Denn es handelt sich um ernste Herausforderungen, denen wir uns zu stellen haben und die unser Leben berühren, ob wir wollen oder nicht.

Einerseits krisenhafte innenpolitische Ereignisse wie der Ibiza-Skandal oder die unrühmliche Chat-Affäre. Andererseits globale Katastrophen wie die Pandemie, der schreckliche Krieg in der Ukraine und leider der Klimanotstand. Dann, als ob das alles nicht genug wäre, die Teuerung und die Energiekrise, in der wir stecken.

All diese Dinge passieren fast gleichzeitig und man fragt sich unweigerlich: "Kann das jetzt alles bitte aufhören?" Aber ich fürchte, so einfach ist das nicht. Die Welt ist instabiler geworden. Die Zeiten stürmischer. Und die Ereignisse und die Art, wie wir ihnen begegnen können, uneindeutiger.

Nehmen Sie als Beispiel nur die Klimakrise. Es gibt nicht die eine große, einfache Antwort, die alles löst. Aber es gibt viele. Viele kleine Handlungen, die in Summe die Antwort ergeben.

Deswegen ist es auch kontraproduktiv, bei notwendigen Entscheidungen "Killer-Fragen" zu stellen wie: "Das soll jetzt alles lösen?". Nein, es wird nicht "alles" lösen. Aber es kann ein Schritt zur Lösung sein, dem weitere folgen müssen.

Probieren, lernen, neu denken, neue Lösungen im Konstruktiven finden. Die Uneindeutigkeit aushalten. Und uns auf die Dinge verlassen, auf denen unsere Gesellschaft gebaut ist. Darum geht es jetzt.

Wenn das Äußere immer unberechenbarer und unvorhersehbarer scheint, brauchen wir einen starken inneren Kompass. Prinzipien, nach denen wir handeln können und die in unserer Gesellschaft außer Streit stehen. Prinzipien, nach denen wir alle gemeinsam handeln können, egal, wie wir zu dem einen oder anderen Thema im Detail stehen.

Und diese Prinzipien haben wir Gott sei Dank. Unsere wunderschöne Heimat, die Republik Österreich, ist auf ihnen errichtet:

Zentral ist der Artikel 1 der Menschenrechte. Jeder Mensch ist gleich an Rechten. Egal, was sein gesellschaftlicher Hintergrund ist. Egal, wen er liebt. Egal, ob reich oder arm. Egal, ob Mann oder Frau. Wir alle haben die gleichen Rechte.

Darauf fußen unsere liberale Demokratie und unsere demokratischen Grundsätze. Und unsere Bundesverfassung regelt klar, wie das politische Zusammenspiel in unserer Republik funktioniert. Und wie unsere demokratischen Institutionen funktionieren. Wie unser Rechtsstaat funktioniert.

Und damit unsere Demokratie und unser Rechtsstaat intakt bleiben, brauchen sie integre Politikerinnen und Politiker. Diese müssen immer zum Vorteil der Bevölkerung handeln, niemals zum eigenen oder zum Vorteil der eigenen Seilschaften.

Darauf muss sich die Bevölkerung verlassen können. Dafür braucht die Bevölkerung Garantien. Gesetze und Regeln, die das strengst möglich sicherstellen. Wir werden auch mehr Präventionsmaßnahmen brauchen. Und ich werde nicht müde werden, diese einzufordern.

Meine Damen und Herren, am heutigen Nationalfeiertag möchte ich auch unsere immerwährende militärische Neutralität als eines jener Prinzipien erwähnen, die uns Orientierung geben.

Ebenso wie das Prinzip der Solidarität. Der Zusammenhalt in unserem Österreich. Und der Zusammenhalt in ganz Europa, in der Europäischen Union, die als Projekt des Friedens gegründet wurde. Wir sind füreinander da. Wir sind solidarisch. Wir helfen jenen Menschen, die in eine Notlage geraten sind. Wir lassen als Gesellschaft niemanden zurück.

Diese Solidarität muss auch für jene gelten, die noch nicht auf der Welt sind, sondern nach uns kommen. Auch an sie, unsere Kinder und deren Kinder, müssen wir denken und ihnen einen Planeten hinterlassen, der uns allen weiterhin eine Heimat sein kann. Und deswegen müssen wir die entsprechenden Klimaschutzmaßnahmen auch wirklich treffen!

Meine Damen und Herren, Wir sollten uns mehr an unseren Kindern orientieren und so wie sie nicht aufhören, dazu zu lernen. Niemand von uns ist perfekt, aber wir können an uns arbeiten. Wenn wir bereit sind, dazu zu lernen und alte Erkenntnisse durch neuere zu ergänzen.

Und lassen Sie uns bei allem, was wir tun, konstruktiv bleiben. Auch in der Wahl unserer Worte. Und nach vorne schauen. Den Blick auf die Lösung richten. Und nicht im Problem verharren, denn das bringt uns nicht weiter.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher, ich will hier nicht predigen, ich will Ihnen am heutigen Nationalfeiertag nur sagen, dass ich fest daran glaube: Wenn wir diese Prinzipien hochhalten und uns daran orientieren. Wenn wir alle gemeinsam uns an diese Prinzipien halten, dann sind wir als Gemeinschaft widerstandsfähig und können alles schaffen.

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend.

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>26.12.2024: Dompfarrer über VdB-Entscheidung zu Kickl "verwundert".</strong> Toni Faber (62) äußert sich in "Heute" über den Bundespräsidenten, der Kickl nicht den Regierungsauftrag erteilt hatte. "Es hat mich verwundert". <strong><a data-li-document-ref="120079447" href="https://www.heute.at/s/dompfarrer-ueber-vdb-entscheidung-zu-kickl-verwundert-120079447">Weiterlesen &gt;&gt;</a></strong>
    26.12.2024: Dompfarrer über VdB-Entscheidung zu Kickl "verwundert". Toni Faber (62) äußert sich in "Heute" über den Bundespräsidenten, der Kickl nicht den Regierungsauftrag erteilt hatte. "Es hat mich verwundert". Weiterlesen >>
    Sabine Hertel