Gesundheit
Ursache für Corona-bedingten Geruchsverlust geklärt
Die überbordende Immunreaktion betrifft Stützzellen und behindert die Funktion der benachbarten Nervenzellen erst als Konsequenz davon.
Störungen des Geruchssinnes sind in vielen Fällen die Leitsymptome einer SARS-CoV-2-Infektion – vor allem bei den Varianten, die vor Omikron grassierten. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass die Ursache eine Schädigung der Neuronen in der Epithelzellschicht der oberen Atemwege ist. Laut US-Wissenschaftlern zeigen Experimente im Labor mit Gewebeproben von Covid-19-Patienten und infizierten Hamstern aber ein anderes Bild: Die Defekte betreffen Stützzellen und behindern die Funktion der Nervenzellen erst als Konsequenz davon.
"SARS-CoV-2 infiziert weniger als ein Prozent der Zellen des menschlichen Körpers. Trotzdem kann es schwere Schäden in einer ganzen Reihe von Organen verursachen. (...) Neurologische und kognitive Schädigungen gehören zu den bisher am wenigsten verstandenen Symptomen von Covid-19-Patienten. Unter ihnen sind Störungen der Geruchsempfindung am häufigsten", schrieben Marianna Zazhytska (Columbia University/New York) und ihre Co-Autoren in der Fachzeitschrift "Cell".
Die Wissenschaftler führten Untersuchungen an Riech-Epithel-Proben von SARS-CoV-2-Patienten und mit dem Virus infizierten Hamstern durch. "Demnach setzte bei den Hamstern als Folge der Infektion eine heftige Immunreaktion ein, die zur lokalen Entzündung führte und Geruchsrezeptoren sowie Proteine auf der Oberfläche der Nervenzellen in der Nase zerstörte, die Informationen über Gerüche erkennen und weiterleiten. Etwa zehn Tage nach der Infektion wurde diese massive Störung wieder korrigiert", schrieb dazu die deutsche Pharmazeutische Zeitung (online).
Indirekter Folgeschaden
Die Ursache für die Störungen von Geruchs- und Geschmackssinn sind jedenfalls komplizierter als ursprünglich angenommen. An erster Stelle wurden laut den US-Wissenschaftlern nämlich Stützzellen der Deck- und Drüsenzellschicht (Epithel) der oberen Atemwege durch die Covid-19-Erreger infiziert. Einen Verlust von Neuronen, welche die Geruchs-Informationen aufnehmen bzw. weiterleiten, konnten die Experten nicht nachweisen. Es handelt sich beim Verlust des Geruchssinns offenbar um einen indirekten Folgeschaden.
"Offensichtlich reichte eine Infektion benachbarter Zellen aus, um die Funktion der nahe gelegenen Nervenzellen zu verändern. Die Effekte entfalteten sich über eine signifikante Herunterregulierung von Geruchsrezeptor-Genen und anderen Schlüsselgenen des Geruchsrezeptor-Signalwegs. Dies bestätigte sich anhand der Analyse der Riechepithelien von 23 Covid-19 Patienten", schrieb die deutsche Apothekerzeitschrift.
Entzündungsreaktion als Hauptproblem
Mit den Ergebnissen der Laborstudien der US-Neurologen bestätigt sich offenbar einmal mehr, dass längerfristig die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Entzündungsreaktion das Hauptproblem von Covid-19 nach der akuten "viralen" Phase der Erkrankung ist. Es handelt sich beim Geruchs- und Geschmacksverlust offenbar um einen "Kollateralschaden", der durch eine Überreaktion des Immunsystems auftritt. Dies führt zu einer exzessiven körpereigenen Produktion von entzündungsfördernden Botenstoffen. Die Folge sind dann Schädigungen an Gewebe bzw. Organen.
"Möglicherweise können solche indirekten Mechanismen auch einen Teil der Long-Covid-Erscheinungen erklären, die Wochen oder Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion anhalten können", hieß es in der deutschen "Pharmazeutischen Zeitung". Gegenüber der "New York Times" sprach Erstautorin Marianna Zazhytska deshalb auch von einer Hoffnung, wonach sich die Geruchsneuronen nach überstandener Covid-19-Erkrankung auch wieder erholen könnten.