Ukraine
Hinweise auf systematische Kriegsverbrechen der Russen
Das Massaker in Butscha könnte kein Einzelfall sein. Journalist Klaus Stimeder meldet Indizien auf "systematische Kriegsverbrechen" im ganzen Land.
Die ukrainische Großstadt Odessa rückt langsam in den Fokus der russischen Generalität und Admiralität. Sonntagmorgen erwachten die Bewohner zu Explosionen russischer Raketen und riesiger Rauchsäulen, die den Himmel verdunkelten. Die russische Marine hatte ein Öllager und Treibstoffdepot beschossen, das in Folge in einem Flammenmeer aufging. Die kritische Infrastruktur wurde vernichtet, Tote gab es glücklicherweise keine.
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Der österreichische Journalist Klaus Stimeder zeichnet am Dienstag im Ö1-Morgenjournal ein erschütterndes Lagebild aus der Hafenstadt Odessa. Nach vier Wochen relativer Sicherheit zu Kriegsbeginn schlage die Stimmung auch hier nun um. Viele Leute würden sich nun Waffen besorgen und in Schnellkursen den Umgang damit lernen.
Geteilte Reaktionen auf Butscha-Bilder
Die schrecklichen Bilder aus Butscha, die jetzt um die ganze Welt gehen, würden bei den Bewohnern Odessas zwei verschiedene Emotionen auslösen, erzählt Stimeder. Zum Einen würden die Menschen darauf mit einer "Mischung aus absoluter Fassungslosigkeit und Zorn" reagieren, doch auf der anderen Seite gab es vielfach nur ein "phlegmatisches Achselzucken". "So schlimm diese Bilder auch sind, so sind sie halt, die russischen Soldaten. So kennen wir sie", sei der Tenor dazu gewesen.
Der Reporter erklärt die schockierenden Hintergründe für diese anfangs bizarr wirkende Reaktion: "Man muss verstehen, dass es in Odessa mittlerweile viele Leute gibt, die in diesen fünf Wochen Krieg viele Angehörige verloren haben, viele Freunde und Verwandte, die teilweise noch ganz jung waren und jetzt tot sind."
"Systematische Kriegsverbrechen"
"Und viele von den Geschichten, die ich zu hören bekomme, von dem, was diesen Freunden und Verwandten zugestoßen ist, ähneln denen aus Butscha", so Stimeder. Auch wenn er nicht jede einzelne überprüfen könne, "häufen sich schon die Indizien, dass die russischen Landstreitkräfte systematische Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung begehen. Nicht nur in Butscha, sondern in der ganzen Ukraine."
Über die vergangenen Wochen wurde das strategisch wichtige Odessa deshalb zur Festung ausgebaut, an allen wichtigen Zufahrten stehen Panzersperren und Sandsackmauern. Die Verunsicherung sitzt tief, dass die Russen die Stadt nicht nur in Trümmer schießen, sondern auch einmarschieren. "Ich habe Angst, dass das hier zum zweiten Mariupol wird", so ein Bewohner laut "Tagesspiegel". Stimeder abschließend: "Niemand weiß, welches Ziel die Russen in Odessa wirklich verfolgen."