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Bundesregierung trägt Mitschuld am Ischgl-Chaos

Eine sechsköpfige Expertenkommission hat das Krisenmanagement Tirols untersucht. Auch die Bundesregierung trägt eine Mitschuld am Corona-Chaos.

Jochen Dobnik
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    Der Deutsche infizierte sich in Ischgl.
    Der Deutsche infizierte sich in Ischgl.
    picturedesk.com

    Die Tiroler Wintersporthochburg geriet im Frühjahr als Corona-Hotspot in die Schlagzeilen, weil sich hier etwa 11.000 Touristen angesteckt und das Coronavirus in ihren Heimatländern weiterverbreitet haben sollen. Seit Anfang Juni hatte eine sechsköpfige, internationale Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer, das Krisenmanagement Tirols durchleuchtet. Das Ergebnis: Die Bundesregierung trägt eine Mitschuld am Ischgl-Chaos.

    Kurz in der Kritik

    Die Kommission zeigt ein völliges Missmanagement bei der Sperre des Paznauntals im März und der Abreise von Urlaubern und Tourismuspersonal auf. Daran habe auch die türkis-grüne Bundesregierung seinen Anteil. Offenbar hat die Quarantäne-Ankündigung von Bundeskanzlers Sebastian Kurz die lokalen Behörden komplett überrascht und die angespannte Lage in Ischgl noch weiter verschärft.

    "Die Gäste sind nahezu noch mit Skischuhen in ihre Autos gesprungen" - Rohrer

    Auch die Veröffentlichung der Polizei-Checkpoints sei ein Fehler gewesen. Der Kommissionsvorsitzende spricht von einem "Kommunikationsfehler" - Kurz selbst gab in der Befragung an, er sei davon ausgegangen, das die Behörden vor Ort die entsprechenden Vorbereitungen bereits getroffen hätten.

    Veralteter Pandemieplan

    Kritik gab es auch an der "mangelnden Unterstützung" des Gesundheitsminsteriums. Dieses habe einen seit längerer Zeit überarbeiteten Epidemieplan nicht veröffentlicht. Dieser sei auch nicht auf die aktuellen Gegegebenheiten angepasst worden.

    Dennoch: Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Verantwortliche des Landes Druck von Seiten von Seilbahnbetreibern oder Touristikern ausgesetzt worden sein, bestimmte Entscheidungen nicht oder verspätet zu treffen. Die Entscheidung von Tirols Landeshautpmann Günther Platter, den Skibetrieb am 14./15. März zu beenden, sei "wichtig und richtig gewesen", so die Kommission - jedoch zu spät.

    Der Skibetrieb hätte bereits am 9. März beendet werden müssen, nachdem die ersten Infektionen von heimgekehrten isländischen Urlaubern im Ischgler In-Lokal "Kitzloch" bekannt wurden.

    53 Personen befragt

    Unter den 53 Auskunftspersonen befanden sich Touristiker, Seilbahnverantwortliche, Personen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, ein Fernsehjournalist, ein Vertreter des Verbraucherschutzvereins, Ärzte, Epidermiologen und Wissenschaftler, Vertreter der Wirtschaft und die Verantwortungsträger der Bezirke, des Landes und des Bundes. 

    Es wurden bereits Klagen gegen die Republik Österreich und das Land Tirol eingereicht, nun gibt es vier Beschuldigte im Verfahren. Laut ORF handelt es sich um den Ischgler Bürgermeister Werner Kurz, den Landecker Bezirkshauptmann Markus Maaß und zwei Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Landeck.

    Ihnen werde vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten vorgeworfen, heißt es im Bericht weiter. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es vier Beschuldigte gibt, allerdings nicht die Identitäten der Personen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.