Wildtiere
Rache – Orcas attackierten erneut Schiff im Mittelmeer
Vor Gibraltar kam es jetzt zu einer äußerst aggressiven Attacke von Walen auf ein Segelschiff. Forscher haben dazu eine verrückte Theorie aufgestellt.
Die Schwertwale hatten die Mustique immer wieder in einer kontinuierlichen Attacke gerammt, brachen dabei das Ruder des Segelschiffs und durchbohrten dessen Rumpf. Die Britin April Boyes hat die Attacke in mehreren Videos dokumentiert, die sie auf Instagram veröffentlichte. In einem zusätzlichen Blog beschreibt sie den Angriff detailliert.
Orcas ließen sich nicht ablenken
Demnach war die Gruppe erfahrenerer Segler auf dem Weg von den Azoren nach Gibraltar, als sie gegen 21:30 Uhr auf eine Gruppe Orcas trafen. In der Hoffnung, die Tiere würden weiterziehen, stellten sie den Motor ab. Doch die Meeresbewohner hatten es sofort auf das Ruder abgesehen. Auch Ablenkungsmanöver mit Seilen und Sand halfen nicht, schreibt die junge Frau.
Zwei Stunden lang ließen die Orcas nicht von dem Schiff ab. Als Wasser durch ein Loch im Rumpf auch in den Maschinenraum drang und die Pumpe am Schiff nicht mehr ausreichte, setzte die Crew schließlich einen Notruf ab. Nach kurzer Zeit erreichten ein spanisches Rettungsschiff und ein Helikopter mit einer neuen Pumpe die Briten.
Wale folgten dem Schiff
Die Crew wurde auf ihrem 20 Meter langen Schiff in den Hafen von Barbate abgeschleppt. "Die Orcas folgten dem Boot weiter, bis wir an Land kamen", schreibt Boyes. Zum Schluss möchte sie noch festhalten, dass die Besatzung sich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt habe und von dem Vorfall auch nicht traumatisiert sei. Ganz im Gegenteil: "Es ist zwar erschreckend, aber ich bin ein für den Schutz der Ozeane und damit der Orcas, die auf keinen Fall dämonisiert werden sollten."
21 Vorfälle in diesem Jahr
Es war die jüngste Episode eines verwirrenden Trends im Verhalten von Orcas an der Atlantikküste der Iberischen Halbinsel. Nach Angaben der spanischen Forschungsgruppe GTOA handelt es sich allein in diesem Jahr um den 21. Vorfall zwischen kleinen Segelschiffen und Orcas vor der Küste Gibraltars. Im Jahr 2022 gab es 207 gemeldete Zusammenstöße.
Die koordinierten Attacken der Schwertwale verblüffen die Meeresforscher und -forscherinnen. Die Tiere greifen aus dem Hinterhalt an und führen in den meisten Fällen zu schweren Schäden an den Segelschiffen. Anfang Mai wurden sogar drei Schiffe versenkt.
Das Spiel mit der Rache
Alfredo López Fernández, Meeresbiologe an der Universität von Aveiro in Portugal, hat das Phänomen untersucht. Er erklärt in der Fachzeitschrift "Marine Mammal Science", dass das Motiv für die Angriffe entweder ein Spiel oder Rache sein könnte.
Zurückführen lassen sich die Ramm-Attacken demnach auf eine kleine Gruppe von etwa 15 Orcas, die im Jahr 2020 mit ihrem ungewöhnlichen Verhalten begannen. Auffällig ist, dass es sich dabei fast durchwegs um junge Orcas handelt und nur zwei "Erwachsene" der Gruppe angehören. Doch "in keinem der Fälle, die wir auf Videos sehen konnten, haben wir ein Verhalten beobachtet, das als aggressiv angesehen werden könnte", erklärte Lopez gegenüber Medien. "Sie wirken ruhig, ganz und gar nicht wie auf der Jagd."
Dies und die große Zahl an jungen Orcas lege nahe, dass es sich um ein Spiel handelt. Die Anwesenheit der beiden ausgewachsenen Wale stütze hingegen die Theorie, dass es sich um Rache handelt - zurückzuführen auf ein traumatisches Erlebnis des Schwertwalweibchens White Gladis mit einem Schiff.
Diese schlechte Erfahrung soll das Tier nun dazu veranlassen, alle Boote anzugreifen und das Verhalten anderen Ocars beigebracht zu haben – deren Nachwuchs die Attacken nun ebenfalls imitieren. Das zeige laut Fernández einmal mehr, dass Wale soziale Tiere seien.
In jedem Fall, sagte er, zeigten die Wale einmal mehr, dass sie soziale Tiere seien. "Orcas sind Tiere mit einer eigenen Kultur. Sie übermitteln einander Informationen."
Was tun, wenn man einem Killerwal begegnet?
Richtlinien der spanischen Behörden raten Schiffsbesatzungen, eine Veränderung im Verhalten der Schwertwale wie etwa plötzliche Richtungs- oder Geschwindigkeitsänderungen zu beobachten. In solchen Fällen sollten die Menschen das Gebiet so schnell wie möglich verlassen. Jede Begegnung zwischen einem Schiff und einem Killerwal muss zudem den Behörden gemeldet werden.