Gesundheit

Studie zeigt: Jede Vollnarkose verändert dein Gehirn 

Ein Mäuse-Versuch zeigt, dass die Immunzellen des Gehirns nach einer Narkose unumkehrbar die Form verändern. Was das praktisch heißt, ist noch unklar.

Sabine Primes
Mit jeder Narkose ändert sich die Form der Mikrogliazellen.
Mit jeder Narkose ändert sich die Form der Mikrogliazellen.
Getty Images/iStockphoto

Im Gehirn von Menschen und Mäusen überprüfen "Mikroglia"-Zellen mit höchst veränderlicher Form, ob alles in Ordnung ist. Mittels "algebraischer Topologie" erfassten niederösterreichische Forscher erstmals ihre verschiedensten Formen in Mäusehirnen. Sie sahen, dass Mikroglia bei Männchen und Weibchen die Alzheimer-Krankheit unterschiedlich bekämpfen und Vollnarkose sie dauerhaft verändert. Die Studie ist im Fachjournal "Nature Neuroscience" erschienen.

Mikrogliazellen sind die Immunzellen des Gehirns und kommen zahlreich im gesamten Zentralen Nervensystem vor. Sie haben im Ruhezustand verästelte Fortsätze und bilden ein Verteidigungsnetz. Bei Verletzungen oder Infektionen im Gehirn verlassen sie ihren Verbund. Sobald sie auf die Krankheitserreger treffen, geben sie Zellgifte ab, wie Sauerstoffradikale, Cytokine (Botenstoffe des Immunsystems) und Enzyme (Proteasen), um sie zu zerstören. Dieser Abwehrprozeß läuft streng kontrolliert ab: Die Stoffe werden nur minimal dosiert, um dem Hirngewebe nicht zu schaden. Sind Mikroglia-Zellen aber ständig aktiviert, geben sie zuviel Giftstoffe ab. Die Folge: Die Nervenzellen nehmen Schaden.

Ein Team um Sandra Siegert vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg analysierte die verschiedensten Mikroglia-Formen mathematisch und erstellten mit den gesammelten Daten einen "Atlas der Mikroglia-Formen".

Dramatische Auswirkungen

Für die Vollnarkose werden Mittel verwendet, die nicht nur einzelne Nervenstränge, sondern das ganze Nervensystem beeinflussen – somit auch das Gehirn. In einem Versuch untersuchte das Team um Siegert den Einfluss des Narkosemittels "Ketamin" auf die Mäusehirne. Ketamin ist ein Narkosemittel, das überwiegend in der Tiermedizin und unter bestimmten Bedingungen auch beim Menschen Anwendung findet. "Wir wussten schon aus früheren Arbeiten, dass es dramatische Auswirkungen hat", so die Forscher in einer Aussendung: "Die Mikroglia beginnen plötzlich, eine Struktur zu entfernen, die neuronale Verbindungen des Gehirns stabilisiert." 

Gehirnzellen kehren nie mehr in Ausgangszustand zurück

Mit der neuen Methode konnten die Forscher beobachten, dass diese Veränderungen von Dauer sind: "Man geht davon aus, dass eine Vollnarkose ein vollständig rückgängig zu machender Prozess ist, aber die Topologie der Mikroglia hat gezeigt, dass dies nicht der Fall ist", schrieben sie: "Die Gestalt der Mikroglia kehrt nicht in den Ausgangszustand zurück." Was dies in der Praxis bedeutet, könne man nicht sagen.

Die Dosierung bei den Versuchen war allerdings höher, als in der Klinik verwendet wird, so Sieghart: "Es braucht bei Mäusen eine ungefähr 10-fach höhere Dosierung für eine Vollnarkose, als beim Menschen." Der Grund dafür sei, dass Ketamine bei Mäusen viel schneller vom Stoffwechsel abgebaut werden.

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