Ukraine
NATO: "Putin bekommt Gegenteil von dem, was er wollte"
Wladimir Putin startete seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine angeblich, um eine NATO-Erweiterung zu verhindern. Das war ein Griff ins Klo.
Die Ukraine solle sich nicht der NATO annähern dürfen – das war eine der vorgeschobenen roten Linien Wladimir Putins vor und auch zu Beginn seiner Invasion des Nachbarlandes. Seit 24. Februar 2022 tobt ein heftigster Krieg, die "militärische Spezialoperation" der Russen ist von peinlichen Schlappen gekennzeichnet.
Die von Putin zum Erzfeind stilisierte, vormals bröckelnde NATO, ist durch seinen Angriffskrieg plötzlich einiger denn je und bald um einige neue Mitglieder reicher – sehr zum Missfallen des Kremls. Für den Generalsekretärs des Nordatlantik-Bündnisses, Jens Stoltenberg, ist klar: Wladimir Putin bekommt jetzt genau das Gegenteil von dem, was er wollte.
"Mit dem Beitritt Finnlands wird sich die Grenze der NATO zu Russland mit zusätzlichen 1.300 Kilometern mehr als verdoppeln", erklärte Stoltenberg am Montag laut "Focus" bei einem Treffen mit Finnlands Außenminister Pekka Haavisto und Verteidigungsminister Antti Kaikkonen. Die bevorstehende Aufnahme Finnlands in das Verteidigungsbündnis wertet der Norweger als klares Scheitern von Putins mörderischer Politik.
Stoltenberg machte gleichzeitig auch deutlich, dass er auch auf einen baldigen Beitritt Schwedens setzt: "Wir werden weiter hart arbeiten. Es wird oberste Priorität sein sicherzustellen, dass auch Schweden in naher Zukunft Vollmitglied wird". Das scheitert momentan noch am Veto des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte erst kürzlich seinen bisherigen Widerstand gegen eine Aufnahme Finnlands aufgegeben.
Russlands Lage an der Front "ist ganz mies"
Christoph Heusgen, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz in deren Rahmen auch Wladimir Putin 2007 höchstpersönlich seinen Unmut zur Welt-Lage geäußert hatte, hält die derzeitige Lage des Russen-Militärs in der Ukraine für desaströs.
Die Lage "ist ganz mies", bewertet der 68-Jährige die Situation gegenüber "n-tv": "Sie haben es nicht geschafft, die Front weiter Richtung Ukraine zu bewegen. Bei Bachmut wird seit Monaten gekämpft. Sie schaffen es nicht, einen strategisch nicht unbedingt wichtigen Ort einzunehmen."
Zudem werde sei zu beobachten, dass auch Russland mit immer größeren Probleme bei den eigenen Munitionslieferungen zu kämpfen habe: "Es wird immer wieder klar – es kommt aus Russland raus –, dass die reguläre Armee und die Söldner von Herrn Prigoschin, die Wagner-Truppe, dass die sich gegenseitig bekämpfen. Also da ist sehr viel, was in Russland nicht stimmt."
Russische Frühlings-Offensive bald verpufft
Die russische Frühjahrsoffensive im Osten der Ukraine könnte nach Einschätzung des Institute for the Study of War (ISW) jetzt ihren Höhepunkt erreichen und bald erlahmen. Die Ukraine habe dann gute Aussichten, wieder die militärische Initiative zu bekommen. Das Institut beruft sich unter anderem auf ukrainische Angaben, wonach schwere Verluste nahe der Frontstadt Wuhledar die russischen Fähigkeiten zu Angriffen in der Oblast Donezk stark geschwächt hätten.
Die laufenden Offensiven in den ersten Monaten 2023 hätten nicht mehr als einige taktische Gewinne erbracht. Russland habe mit der Teilmobilisierung im September aber 300.000 Soldaten mobilisiert.
"Wenn 300.000 Soldaten nicht in der Lage waren, Russland eine entscheidende offensive Überlegenheit in der Ukraine zu verschaffen, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Mobilisierung zusätzlicher Kräfte in diesem Jahr ein beträchtlich anderes Ergebnis liefert", schreibt die US-Denkfabrik.
EU-Milliarden für Ukraine-Munition
Währenddessen haben die EU-Staaten sich auf ein neues Maßnahmenpaket geeinigt, das verhindern soll, dass der Ukraine die Munition ausgeht. In den kommenden zwölf Monaten soll eine Million neue Artilleriegeschosse geliefert werden. Dabei geht es laut ORF insbesondere um Artilleriegeschoße im Kaliber 155 Millimeter.
Die nötigen Geldmittel in Höhe von 2 Milliarden Euro sollen aus aus dem Topf der EU-Friedensfazilität entnommen werden. Das ist jenes Finanzinstrument, das bereits für Waffen und Ausrüstung sowie die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Europa eingesetzt wird.
Eine Milliarde Euro ist dabei für Rückerstattung an jene Länder vorgesehen, die aus eigenen Beständen Geschosse an die Ukraine liefern. Die zweite soll im Rahmen eines gemeinsamen Beschaffungsplans ausgegeben werden. Auch Österreich will sich daran beteiligen, allerdings nur um die eigenen Depots aufzufüllen.
Als neutrales Land werde man keine Munition an das von Russland angegriffene Land liefern, bekräftigte Außenminister Alexander Schallenberg vor der Sitzung.
Eine rot-weiß-rote Aufrüstung sei dennoch Gebot der Stunde: "Wir haben am 24. Februar [2022] erlebt, dass die Situation sich ändern kann, dass die Welt weit gefährlicher und weit konfrontativer werden kann. Das Wunschdenken, dass man mit leeren Kasernen, leeren Munitionsbeständen in dieser Welt bestehen kann, hat sich als falsch erwiesen", warnte der Außenminister.
Alle aktuellen Entwicklungen zum Ukraine-Krieg auf einen Blick >