Ukraine
Sohn von Putin-Sprecher drückt sich vor Einberufung
300.000 Reservisten sollen nun die desaströse Lage im Ukraine-Krieg für Wladimir Putin geradebiegen. Die Moskauer Elite hat aber keine Lust.
Der russische Präsident Wladimir Wladimirowitsch Putin dreht die Eskalationsspirale ein ganzes Stück weiter: Er lässt seine Propagandamaschinerie die "Spezialoperation" zum großen Verteidigungskrieg nicht nur gegen angebliche ukrainische Nazis, sondern gleich gegen die NATO und den ganzen Westen allgemein umdeuten.
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Am Mittwoch erließ Putin dazu noch die sofortige Teilmobilmachung seiner Streitkräfte, 300.000 Reservisten sollen nun zu den Waffen greifen und an die Front in der Ukraine geschickt werden. Die Scheinreferenden, die wohl in wenigen Tagen den Anschluss der besetzten Gebiete "offiziell" machen werden, sollen dann alles legitimieren. Putin kann dann vor seinen Bürgern plötzlich behaupten, das eigene Staatsgebiet "mit allen Mitteln" gegen Aggressoren zu verteidigen...
Die Teilmobilmachung, die der offensichtlich unter Zugzwang geratene Kreml-Despot nun aber erlassen hat, kommt bei seiner eigenen Bevölkerung gar nicht gut an. "Bei den Reservisten und ihren Familien herrscht seitdem Panik", sagt Polina Sommer (39) vom Verein Russland der Zukunft. "Russen, die sich weigern, eingezogen zu werden oder versuchen, das Land zu verlassen, droht Gefängnis".
In den großen Städten des Landes kam es noch am Abend zu großen Protestaktionen – die von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurden. Es gab über 1.300 Festnahmen.
Scherzanruf enthüllt "politische Nuancen"
Die Moskauer Elite und deren gut betuchte Junioren haben offenbar genauso wenig Lust an die Front zu ziehen, doch sie richten es sich auf andere Weise, wie nun das Beispiel von Nikolai Peskow, Sohn des Kreml-Sprechers Dmitri Peskow, zeigt. Dieser war dem Nawalny-Vertrauten Dmitri Nisowzew während eines Livestreams auf dem YouTube-Kanal "Popular Politics" auf den Leim gegangen.
Nisowzew hatte sich laut "Bild" als russischer Rekrutierungsoffizier ausgegeben, um dem 32-Jährigen dessen Einberufung zu übermitteln: "Wir haben Ihnen, Herr Peskow, heute auch auf elektronischem Wege eine Einberufung geschickt, aber Sie haben noch nicht geantwortet", sagte der Russe und machte deutlich, dass er schon am nächsten Tag im Militärbüro zu erscheinen habe.
Die Reaktion von Peskow Junior war eindeutig: Er erklärte, dass er an höchster Stelle Fäden ziehen werde, um diesen Einberufungsbefehl nichtig zu machen. "Natürlich werde ich um 10 Uhr nicht da sein. Sie müssen verstehen, dass ich Herr Peskow bin. Es ist nicht ganz richtig, dass ich überhaupt dorthin kommen soll", stellte er klar und gab dem vermeintlichen Armee-Offizier zu verstehen, dass es "politische Nuancen" bei Einberufungen gebe.
Wahl aus Krieg, Gefängnis oder Flucht
Der 32-Jährige erklärte, er wolle sich erst informieren, "was vor sich geht und welche Rechte ich habe". Nur um Konsequenzen für den falschen Militärangehörigen anzudeuten: "Dass sie mich morgen einziehen – glauben Sie mir, das brauchen weder Sie noch ich." Peskow, der als Wehrpflichtiger bei den Atomraketenstreitkräften gedient hatte, erklärte, nur in den Krieg zu ziehen, "wenn Wladimir Wladimirowitsch sagt, ich muss dorthin gehen".
Das Gespräch zeigt klar, dass die Söhne der russischen Elite nicht damit rechnen, an die Front geschickt zu werden. Eine Sicherheit, die 300.000 andere Russen aus einfacheren Verhältnissen nicht haben. Diese können sich nicht auf ihre mächtigen Eltern berufen und herauswinden. Ihnen bleibt dann nur noch die Wahl: Krieg, Gefängnis oder Flucht aus Russland.