Politik
So kann Österreich die Impfpflicht für alle durchsetzen
In Österreich gilt ab dem 1. Februar eine Impfpflicht für alle. Doch was, wenn jemand sich trotzdem nicht impfen lässt? Experten schätzen ein.
Corona-Hammer in Österreich: Als erstes europäisches Land hat Österreich eine Impfpflicht für alle beschlossen. Diese gilt ab dem 1. Februar. Zuvor geht das Land ab Montag in einen 20-tägigen Lockdown für alle.
Wie genau die Impfpflicht für alle aussehen wird, ist noch nicht im Detail festgelegt. Klar ist laut dem Immunologen Daniel Speiser aus der Schweiz, dass die Impfpflicht nicht mit einem Impfzwang gleichzusetzen ist: "Dass tatsächlich Menschen gegen ihren Willen mit Gewalt geimpft werden, ist meiner Meinung nach auszuschließen." Speiser stellt aber auch klar: "Ich kann hier nur vermuten, Situationen wie diese hat es in der Vergangenheit kaum je gegeben."
"Pflichten sind nicht immer sanktionierbar"
Andreas Glaser, Professor für Staats-, Verwaltungs- und Europarecht an der Universität Zürich, sagt: "Eine Pflicht nützt immer nur so viel, wie sie auch sanktioniert werden kann." Das relativiere den Entscheid der österreichischen Regierung ein Stück weit: "Auch in Österreich werden die Strafen bei Nichteinhaltung der Impfpflicht vermutlich im Epidemiegesetz festgehalten sein."
Denkbar wäre für Glaser, dass Stragen ausgesprochen werden, wenn jemand sich nicht an die Impfpflicht hält. Hier stelle sich aber die Frage, wie diese Personen überhaupt ausfindig gemacht werden sollen: "Viele Pflichten sind nicht in jedem Fall sanktionierbar. So ist es etwa verboten, betrunken Auto zu fahren. Doch wenn mich niemand dabei erwischt, kann ich dafür auch nicht bestraft werden."
"Verlust des Jobs könnte vor Gericht landen"
Eine weitere Möglichkeit ist laut Glaser, ungeimpfte Personen immer stärker vom öffentlichen Leben auszuschließen. "Hier ist die Kontrolle einfacher: Wer keinen Impfnachweis vorlegen kann, könnte von Veranstaltungen, öffentlichen Einrichtungen, Verkehrsmitteln oder sogar vom Arbeitsplatz ausgeschlossen werden." Es stelle sich allerdings immer die Frage nach der Verhältnismäßigkeit: "Österreich hat ein Verfassungsgericht. Wenn sich jemand etwa dagegen wehren will, dass er nicht mehr arbeiten kann und keinen Lohn mehr verdient, weil er sich nicht an die Impfpflicht gehalten hat, könnte er das einklagen und das Gericht müsste entscheiden."
Der Staatsrechtler kann sich nicht vorstellen, dass eine generelle Impfpflicht angesichts der aktuellen Lage vor einem Gericht standhalten würde: "Einen Lastwagenfahrer, der mehr oder weniger den ganzen Tag alleine in der Fahrerkabine sitzt, von seinem Job und damit seiner Lebensgrundlage fernzuhalten, kann angesichts der derzeitigen Opferzahlen kaum gerechtfertigt scheinen." Anders sei es bei Berufsgruppen, die mit vulnerablen Personen zusammenarbeiten. "Dass etwa Pflegepersonal seinen Job verlieren kann, wenn es sich nicht impfen lässt, haben wir in Frankreich gesehen."
"Impfzwang wäre Fall für Gericht"
Schwer vorstellbar ist auch für Glaser ein Impfzwang in einem Mitgliedsstaat des Europarats: "Das würde bedeuten, dass tatsächlich Menschen gegen ihren Willen mit Gewalt geimpft würden. Das würde meiner Meinung nach derzeit eine unverhältnismäßige Einschränkung der Menschenrechte bedeuten und könnte vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeklagt werden."
Glaser glaubt, dass die Ankündigung der Impfpflicht in Österreich in erster Linie eine Drohgebärde ist: "Den Menschen soll noch einmal klar gemacht werden, wie ernst die Lage ist und wie wichtig es ist, dass sie sich impfen lassen." Dass die generelle Impfpflicht aber tatsächlich in großem Maß kontrolliert und sanktioniert wird, kann er sich schwer vorstellen.
So ist der Stand der Dinge: Es kommt jetzt zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens inklusive eines Begutachtungsverfahrens zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Österreich. In Kraft treten soll diese generelle Impfpflicht für alle Personen im impfbaren Alter ebenfalls spätestens am 1. Februar 2022. Die Regierung verweist dabei auf die "Beachtung einer gebotenen verfassungsrechtlichen Frist zur operativen Umsetzung".