Österreich

Sittenwächter – "Mädchen sind Schande für unser Volk"

Prozess-Auftakt gegen fünf Tschetschenen, die "unsittliche" Mädchen via Social Media bloßgestellt und zu Gewalt gegen sie aufgerufen haben sollen.

Christian Tomsits
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Die von Florian Kreiner (hinten stehend) und Alexander Philipp (hinten sitzend) verteidigten Sittenwächter vor Gericht
Die von Florian Kreiner (hinten stehend) und Alexander Philipp (hinten sitzend) verteidigten Sittenwächter vor Gericht
Denise Auer

"Wir Tschetschenen haben eigene Traditionen und wollen Misch-Ehen vermeiden", nahm sich Mubarik A. am Mittwoch auch im Gerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts kein Blatt vor den Mund.

Seit Sommer 2020 soll sich er und vier weitere selbsternannte Sittenwächter zwischen 19 und 40 Jahren in geheimen Telegram-Gruppen organisiert haben. User wurden angehalten Instagram-Bilder von tschetschenischen Mädchen, die sich mit Nicht-Tschetschenen trafen oder nicht traditionell gekleidet posierten, zu melden. Dann wurden die Adressen der Betroffenen ausgeforscht und unangekündigten Besuche geplant ("Warum bricht nicht jemand ihr die ganzen Zähne?"). Über 100 Frauen in Wien und Linz sollen von den Sittenwächtern "belehrt" und teilweise massiv eingeschüchtert worden sein. In Wien kam es zu mehreren brutalen Prügel-Attacken, "Heute" berichtete.

"Diese Mädchen sind eine Schande für unser Volk. Sie sammeln Krankheiten und machen unseren Ruf kaputt."

Der Staatsanwaltschaft vorliegende Chat-Protokolle zeigen die volle Skrupellosigkeit der mutmaßlichen Täter: "Diese Mädchen sind eine Schande für unser Volk. Sie sammeln Krankheiten und machen unseren Ruf kaputt", heißt es etwa – "Wir müssen einmal raus und und sie richtig schlagen. Weder Polizei noch sonst wer würde sich trauen, uns was zu sagen", schrieb einer der Angeklagten großspurig. Falsch gedacht: Verdeckte Ermittler kamen den kriminellen Machenschaften der Tschetschenen auf die Schliche. Festnahmen gegen die Administratoren, die sich hinter klingenden Decknamen wie "King of the Night", "Santa Claus" oder "Heinrich Himmler" versteckten, folgten. In ihren Wohnungen fand man jede Menge Gas- und Schreckschusswaffen. Bald darauf wurde die Anklage vorgelegt. Der schwerwiegende Vorwurf: Bildung einer kriminellen  Vereinigung.

Video vom Prozess-Auftakt

Anklage auf "Mafia-Paragraf"

Es würden alle Vorraussetzungen für den sogenannten "Mafia-Paragrafen" vorliegen, so die Staatsanwältin am Mittwoch: Aufrufe zur schweren Nötigung, Drohungen der Vernichtung des gesellschaftlichen Stellung in der Community, Drohungen mit dem Tod, sowie unmittelbare Gewalt wie das Abpassen und Zusammenschlagen von Opfern. Ein Manifest dokumentiert den perfiden Kodex der fünf Chat-Administratoren: "Wenn wir eine Person finden, deren Benehmen und Erscheinung nicht unseren Sitten entspricht, dann werden wir einschreiten", heißt es darin sinngemäß.

Florian Kreiner verteidigte 19-Jährigen

Der von Alexander Philipp vertretene Hauptangeklagte Shaid N. (40) zeigte sich umfassend geständig. Florian Kreiners Mandant Mubarik A. (19) plädierte überraschenderweise auf nicht schuldig. "Er war nie Administrator einer der besagten Gruppen, sondern wurde selbst Opfer der Sittenwächter, als ein Bild von ihm beim Shisha-Rauchen in den Chats auftauchte. Für einen Kulturverein sollte er die Gruppe anhalten, mit ihrem Projekt aufzuhören", so der in der tschetschenischen Community sehr geschätzte Anwalt. Ein Urteil gab es am Mittwoch nur gegen Shaid N., – er fasste 15 Monate teilbedingte Haft (nicht rechtskräftig) aus. Da er seit Sommer in U-Haft saß und ihm diese angerechnet wurde, ging er am späten Nachmittag bereits frei. Vor einem Urteil für die anderen, werden weitere Zeugen werden angehört. Daher wurde der Prozess vertagt. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

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    <strong>21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist.</strong> Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, <a data-li-document-ref="120079782" href="https://www.heute.at/s/magdeburg-terrorist-war-bekannter-anti-islam-aktivist-120079782">die aus Saudi-Arabien flüchteten.</a>
    21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
    REUTERS