"Vielleicht muss die Ukraine"

Selenski denkt über Gebietsabtretung an Russland nach

Die Forderungen beider Seiten liegen weit auseinander – doch der ukrainische Präsident Selenski lässt mit einer Äußerung aufhorchen.

Selenski denkt über Gebietsabtretung an Russland nach
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski
REUTERS/Valentyn Ogirenko

Nach 1.000 Tagen Krieg in der Ukraine ist kein Ende in Sicht. Nun hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski Raum für eine zeitweilige russische Kontrolle über ukrainische Gebiete gelassen.

"Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben, um ihre Ziele zu erreichen und das gesamte Staatsgebiet wieder herzustellen", sagte Selenski mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin (72) im Parlament. Dort stellte er einen Plan vor, wie sein Land dem russischen Druck besser standhalten kann. Damit deutete Selenski an, den Status quo unter Umständen so lange aufrecht zu erhalten, bis sich grundlegende Dinge auf russischer Seite geändert haben.

Spekulationen über Gebietsabtretungen

In internationalen Medien wird seit längerer Zeit darüber spekuliert, dass der Krieg in der Ukraine entlang der Frontlinie eingefroren werden könnte, ohne dass Kiew juristisch Gebiete an Russland abtritt. Dennoch lehnte Selenski formaljuristische Gebietsabtretungen kategorisch ab. "Wir verzichten nicht auf die Rechte der Ukraine auf ihr Territorium", unterstrich der Staatschef.

Später räumte er in einem Interview des US-Senders Fox News ein, dass die Ukraine den Krieg verlieren könne, wenn die bisherige massive Unterstützung der USA beim Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus versiege. "Wenn sie (die Hilfe) beenden, glaube ich, werden wir verlieren", sagte Selenski. Aber dennoch werde die Ukraine den Kampf fortsetzen. Die Ukraine habe zwar ihre eigene Rüstungsindustrie, doch genüge deren Produktion nicht. "Es wird nicht genug sein, um zu überleben."

Die Ukraine befürchtet, dass Trump – wie im Wahlkampf angekündigt – die bisherige militärische Unterstützung der USA zurückfahren oder ganz einstellen könnte. Dennoch hoffe er, dass Trump den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer Beendigung des Kriegs bewegen könnte. "Er ist stärker, die USA sind stärker, die Wirtschaft ist stärker, und die USA haben großen Einfluss", begründete er seine Überzeugung.

BILDER: So zerstört ist Ukraine-Frontstadt Wuhledar

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    Eines der letzten verfügbaren Satellitenbilder vor dem Fall: Die Frontstadt <strong>Wuhledar</strong> in der Oblast Donezk am 29. September 2024.
    Eines der letzten verfügbaren Satellitenbilder vor dem Fall: Die Frontstadt Wuhledar in der Oblast Donezk am 29. September 2024.
    Planet Labs Inc. via REUTERS

    Lage an der Front bleibt kompliziert

    Dabei ist das ukrainische Militär an der Front nach wie vor in der Defensive. Der Generalstab in Kiew vermeldete in seinem abendlichen Lagebericht 130 Zusammenstöße im Tagesverlauf. Die meisten Angriffe lancierten die russischen Truppen dabei an der Front im Südosten des Landes. In diesem Abschnitt ist die Front seit Jahresbeginn am stärksten in Bewegung geraten. Etwa 40 Kilometer konnten die Russen seit der Eroberung der ukrainischen Festung Awdijiwka bei Donezk vorrücken. Eine der Ursachen für die Probleme der Ukrainer an der Front waren die lange Zeit stagnierenden Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen.

    Washington will Minen liefern

    Nach der Freigabe an Kiew zum Einsatz von weitreichenden Waffen gegen Ziele in Russland ordnete US-Präsident Joe Biden nach einem Medienbericht nun auch die Lieferung von Schützenminen an die Ukraine an. Der Einsatz dieser Schützenminen, auch als Antipersonenminen bekannt, werde jedoch auf den Osten der Ukraine beschränkt. Das russische Militär hat am Rande der besetzten Gebiete in der Ukraine dichte Minenfelder ausgelegt und damit eine ukrainische Offensive zum Scheitern gebracht.

    Nach Angaben des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat die EU nun immerhin ihren Plan zur Lieferung von Artilleriegeschossen an die Ukraine erfüllt – wenn auch mit Verspätung. "Wir haben das Ziel von einer Million Schuss Artilleriemunition erreicht", sagte EU-Chefdiplomat Josep Borrell nach einem Treffen der EU-Verteidigungsminister in Brüssel. Die Munition sei an die Ukraine geliefert worden, "einige Monate später als erwartet".

    Ursprünglich hatte die EU die Marke von einer Million Schuss bereits bis Ende März erreichen wollen, lieferte bis dahin aber nur etwas mehr als die Hälfte. Während die Ukraine sich auf immer weniger Waffenhilfe verlassen kann, hat Nordkorea Russland im November 2024 erstmals auch mit Soldaten, Artillerie und Raketenwerfern versorgt.

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      Auf den Punkt gebracht

      • Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat angedeutet, dass eine zeitweilige russische Kontrolle über ukrainische Gebiete möglich sein könnte, um den Krieg zu beenden, lehnt jedoch formale Gebietsabtretungen ab.
      • Gleichzeitig äußerte er Bedenken, dass die Ukraine den Krieg verlieren könnte, falls die Unterstützung der USA unter einer möglichen Präsidentschaft von Donald Trump endet, und betonte die Notwendigkeit fortgesetzter westlicher Waffenlieferungen, während die Lage an der Front weiterhin angespannt bleibt.
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