Europium: Das silbrig-weiße Metall (im Bild bereits durch Luftexposition oxidiert) gehört zur Gruppe der Seltenen Erden und wird u.a. in TV-Bildschirmen und Glühbirnen verbaut.
Science Photo Library / picturedesk.com
"Warum ist der Himmel blau? Wie entstehen die Wolken?" fragte sich Marie Perrin schon als Kind. "Schon damals war ich sehr neugierig", erinnert sie sich. Ihre Neugierde sorgte nicht nur dafür, dass die Tochter zweier Wissenschaftler die Welt um sie herum von Jahr zu Jahr besser verstand. Sie könnte auch bald ein Grund sein, warum sich diese Welt verändert. Die heute 27-Jährige hat mit ihrem Team an der ETH Zürich eine Methode entwickelt, mit der sich Seltene Erden recyceln lassen.
Wichtige Ressource für die Energiewende
Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 Metallen, die in allen modernen Geräten verwendet werden: in Batterien, Smartphones und Computern, in Windturbinen und Elektroautos. Um ihre Gewinnung läuft ein geopolitischer Wettstreit.
"Sie sind überall um uns herum", sagt Perrin, "aber nur ein Prozent aller Seltenen Erden wird recycelt." Das Recycling wäre wichtig, denn durch die Energiewende werden immer mehr Seltene Erden benötigt. Ihre Gewinnung ist nicht nur teuer, sondern auch sehr umweltschädlich und setzt oft Radioaktivität frei.
Die 27-jährige ETH-Chemikerin Marie Perrin hat durch einen glücklichen Zufall ein Verfahren zum Recycling von Seltenen Erden entdeckt.
ETH Zurich/Kilian Kessler
Geopolitische China-Dominanz
Außerdem schwebt ein geopolitisches Problem über ihnen: Rund 70 Prozent der Seltenen Erden werden in China abgebaut. Was das für den Rest der Welt bedeuten kann, zeigte sich im Jahr 2010. Damals kam es zu einem Konflikt zwischen China und Japan. China stoppte informell die Exporte von Seltenen Erden nach Japan. Die Preise stiegen auf mehr als das Zehnfache und es kam zu Versorgungsengpässen in der ganzen Welt.
"Wenn man das mit Erdöl vergleicht: Dort haben die größten Exportländer einen Marktanteil von 30 bis 40 Prozent", erklärt Marie Perrin. Die China-Dominanz zeigt sich auch deutlich in Donald Trumps Interessen, die ukrainischen Vorkommen Seltener Erden für die USA auszubeuten und Grönland zu einem Teil der Vereinigten Staaten zu machen.
"Wir hatten Glück, dass wir auf diese Methode gestoßen sind", erinnert sich Perrin. Ursprünglich hatte ihre Forschung nichts mit dem Recycling von Seltenen Erden zu tun. Aber sie entdeckte, dass die Moleküle, die sie untersuchte, das Potenzial hatten, genau das zu tun.
Die Chemikerin widmete sich der Forschungsarbeit: "Ich fischte alte Energiesparlampen aus den ETH-Recycling-Mülltonnen und experimentierte mit ihnen im Labor", sagt Perrin. Bis es ihr gelang, die Seltene Erde Europium aus der Glühbirne zu trennen.
Vergleich des bisher gebräuchlichen Flüssig-Flüssig-Extraktionsverfahren (l. oben) und der Abtrennung von Europium mittels Tetrathiometallat (unten).
Nature Communications/Marie Perrin et. al., 2024; CC BY-NC-ND 4.0
Perrin vergleicht den Prozess mit dem Pizzabacken: Man stelle sich vor, man mischt eine Prise Salz in einen Pizzateig. Wie kann man das Salz zurückgewinnen, das sich nun im Teig verteilt hat? Man braucht etwas, das die Elemente des Teiges von den Elementen des Salzes unterscheiden und trennen kann. Im Fall von Marie Perrin heißt diese Zutat Tetrathiometallat.
"Mit den bekannten Methoden musste dieser Vorgang mehrmals wiederholt werden", erklärt Perrin. "Das erfordert einen enormen Aufwand an Ressourcen." Mit Perrins Verfahren kann die Seltene Erde Europium in einem einzigen Arbeitsgang in hoher Reinheit von den anderen Elementen der Glühbirne getrennt werden.
Eigeninitiative gefragt
Perrins Forschungsteam veröffentlichte die Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature Communications", meldete ein Patent an und sah sich mit der Frage konfrontiert: Was nun?
"Entweder man verkauft die Lizenz an größere Chemieunternehmen oder man entwickelt die Technologie selbst weiter", erklärt Perrin. "Für mich war klar, dass ich es selbst machen wollte." Das Risiko, dass das Potenzial des Verfahrens in einer Schublade bei einem großen Unternehmen verstaubt, war ihr zu groß – wie auch die Neugierde, herauszufinden, wohin die Technologie sie führen könnte.
Zusammen mit einer alten Schulfreundin und ihrem Doktorvater gründete Marie Perrin das Start-up REEcover. Das Ziel: das Verfahren mit den Glühbirnen in einem ersten Schritt skalierbar zu machen. In einem zweiten Schritt soll es auf andere der 16 verbleibenden Seltenen Erden ausgeweitet werden. "Ich bin Forscherin und hatte keine Erfahrung im Unternehmertum", sagt die Französin. Aber ihre Neugier treibt sie auch hier voran: "Es gibt jeden Tag etwas Neues, das macht Spaß."
Vielversprechende Zukunft
"Unser Timing ist gut", ist sich Perrin bewusst. Die Europäische Union hat 2024 ein Gesetz zu kritischen Rohstoffen verabschiedet. Eines der Ziele des Gesetzes lautet, die Abhängigkeit von Seltenen Erden aus China zu verringern. Auch deshalb gilt REEcover als eines der vielversprechendsten Start-ups an der ETH.
Darum geht's
Für die Energiewende und die Technologisierung brauchen wir immer mehr Seltene Erden. Das Problem: Ihr Abbau ist umweltschädlich und wird von China kontrolliert.
Die 27-jährige Chemikerin Marie Perrin und ihr Team haben eine Methode entwickelt, mit der die Seltene Erde Europium aus Energiesparlampen gewonnen werden kann.
Das entwickelte Verfahren hat großes Potenzial, denn es ist schneller als bisherige Verfahren und verbraucht deutlich weniger Ressourcen.
Perrin und ihr Team versuchen, das Verfahren mit dem Start-up REEcover zu skalieren und auf andere Seltene Erden auszuweiten.
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