Fashion and Beauty
Schneesturm, Müllsäcke, Tränen – Balenciaga im Krieg
Trotz laufendem Modezirkus wird der derzeit herrschende Ukraine-Krieg weitestgehend in der Modewelt ignoriert. Nicht jedoch bei Balenciaga.
Für die Modebranche hagelte es in den vergangenen Tagen viel Kritik. Allerdings nicht wegen der zuletzt in Mailand und nun in Paris präsentierten Kollektionen für den nächsten Winter, sondern wegen des fehlenden politischen Engagements in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Lediglich Giorgio Armani hatte während der Mailänder Modewoche ein Zeichen gesetzt. Jetzt ließ jedoch das französische Luxushaus Balenciaga aufhorchen und vor allem aufschauen.
Kreativdirektor Demna Gvasalia stammt aus Georgien und weiß, was Krieg und Gewalt in einem ehemaligen Sowjetstaat bedeuten können. Mit zwölf Jahren musste er dem Bürgerkrieg in seiner Heimat fliehen. Somit war es dem Modeschöpfer wohl ein besonderes Anliegen, seine Show so zu inszenieren, dass sie direkt unter die Haut ging.
Eisiger Schneesturm und Müllsäcke
Eine Message, die schon bei der Einladung begann, denn statt Blumen, ein parfümiertes Päckchen oder eine hübsch gestaltete Einladungskarte, gab es dieses Mal ein Handy mit zersprungenem Display. Der Schaden war allerdings nicht "künstlich herbeigeführt", so das Begleitschreiben, sondern stammte von jahrelangem wirklichem Gebrauch. Der Anfang einer emotionalen Tal- und Bergfahrt, die dem Publikum in einer riesigen Halle am Flughafen Le Bourget geboten wurde.
Dort nahm man vor einer Glasscheibe Platz, dahinter: Models, die gegen einen eisigen Wind samt Schneesturm ankämpften. Ein schwieriges Unterfangen leicht bekleidet, in Stiefeln mit Pfennigabsätzen und mit schwarzen Müllsäcken, in denen sich wohl das letzte Hab und Gut befinden soll.
"Ich habe geweint"
Ein Szenario, das wohl selbst den hartgesottensten Modefan an die Bilder aus der Ukraine und die Flüchtlinge erinnerte. "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich in einer Modenschau geweint. Es hat mich sehr bewegt. Es hat mich nicht nur nachdenklich gemacht, sondern man fühlt Mitleid mit den Menschen. Und gleichzeitig war es doch auch poetisch. Sehr viel für eine Modenschau", erklärte Schauspielerin Salma Hayek, die Frau des Kering-Vorstandsvorsitzenden François-Henri Pinault, im Anschluss.
Die Kollektion selbst: Fantastisch, originell und voller Erinnerungen des Chefdesigners. Zwischen viel Schwarz und fliegenden Schleppen stachen eine Umhängetasche aus zwei zusammengenähten Stiefeln, ein Oberteil aus einer Jeans und Ganzkörperanzüge aus Klebeband heraus.
Gvasalia Vergangenheit als Modenschau
Aber darf man Modeteile im Wert von mehreren Tausend Euro überhaupt mit dem Krieg in der Ukraine in Verbindung bringen? "Für mich war es wie eine Reise 30 Jahre zurück, als ich in einem Obdach war, wie nun andere Jungen und Mädchen mit ihren Eltern", so Demna Gvasalia nach der Schau. "Wenn ich meine Vergangenheit visuell darstellen müsste, dann wären es eben genau diese halbnackten Leute, die durch den Wind gehen." Und noch eine andere Thematik bringt er ins Spiel: "Als ich ein kleiner schwuler, georgischer Junge war, habe ich mir Vorhänge umgehängt und die Stiefel meiner Mutter angezogen – und wurde dafür bestraft. Das war jetzt sozusagen meine Revanche." Eine Kollektion, die damit mehr als gelungen zeigt, dass Mode nur dann ausgelebt werden kann, wenn Freiheit herrscht.
Nur ein Thema
Und noch etwas: Die Social-Media-Kanäle hat das Modehaus Balenciaga komplett geleert. Stattdessen ist darauf ein Spendenaufruf für das World Food Programme zu finden. In den nächsten Tagen soll die Reichweite, auf Instagram immerhin 12,7 Millionen Follower, rein der Berichterstattung rund um die Situation in der Ukraine zur Verfügung stehen. Aktuell ist dort bis jetzt die neue Kollektion mit Kriegshintergrund zu sehen.