Seit den frühen Morgenstunden stehen bundesweit mehr als 400 Polizisten unter Federführung steirischer Ermittlungsbehörden im Einsatz. Hintergrund der kriminalpolizeilichen Aktion samt Beteiligung der Cobra und WEGA sind schwere Straftaten in Zusammenhang mit Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung der Opfer. Es kam zu 15 Festnahmen und 23 Hausdurchsuchungen in insgesamt sieben Bundesländern.
Erst bei einer Pressekonferenz gegen 11 Uhr gaben die verantwortlichen Ermittler einen Einblick in die erschütternde Operation "Venator", ihre Schilderungen offenbarten tiefe menschliche Abgründe.
Die Ermittler gehen aktuell von einer weit höheren Dunkelziffer und weiteren Straftaten aus. Dies vor allem deshalb, weil einige Opfer oft aus Scham keine Anzeigen erstatten und vorurteilsmotivierte Straftaten meist schwere (psychische) Folgen auf gesamte Personengruppen haben. Betroffene derartiger Straftaten werden ersucht, sich beim LKA Steiermark unter der Nummer +43 59133 60 3333 zu melden.
Bereits seit einem Überfall auf einen Mann südlich von Graz im Juli 2024 ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft gegen eine brutale Tätergruppe, die im Verdacht steht, ihre späteren Opfer aufgrund deren Homosexualität brutal überfallen, gedemütigt und teils schwer verletzt zu haben.
Dabei lockten sie ihre überwiegend männlichen Opfer unter Angabe falscher Tatsachen sowie über "Fake-Profile" auf Dating-Plattformen zu grundsätzlich nicht strafbaren Treffen an unterschiedliche öffentliche Orte. Dort lauerten dann "vier bis acht" Maskierte den späteren Opfern auf und misshandelten auf immer schlimmere Art und Weise.
"Die Täter wurden von Tat zu Tat immer brutaler. Die Verletzungen wurden immer schlimmer und die Erniedrigung nahm ein Ausmaß an, das so nicht zu akzeptieren ist", schildert Brigadier Michael Lohnegger vom Landeskriminalamt Steiermark. Videos derartiger Tathandlungen landeten oft im Netz oder in einschlägigen Foren, auch wegen eines Mordversuchs wird ermittelt. Der Kriminalist spricht von einem "dringend erforderlichen Schlag" gegen Hasskriminalität.
Insgesamt konnten bisher 17 Fälle dieser hinterhältigen Form der "Selbstjustiz" in ganz Österreich feststellen werden. Die Täter stilisierten sich selbst zu Rächern hoch, ordneten sich der "Pedo Hunter"-Szene zu. Allerdings ist keines (!) ihrer Opfer auch wirklich pädophil. Das betonte die Polizei mehrfach in aller Deutlichkeit.
Die Ausführungen des Kriminalisten schocken: "Die Täter sind sich sehr wohl bewusst, dass die Opfer nicht pädophil sind. Sie reden sich die Taten schön, um diese vor sich selbst verantworten zu können."
Bei dem Großeinsatz am Freitag hat es 15 Festnahmen und 23 Hausdurchsuchungen gegeben, so die Polizei. Bei den Festgenommenen handelt es sich um zwölf Männer und drei Frauen im Alter zwischen 14 und 26 Jahren. Darunter befinden sich elf österreichische, ein deutscher, ein kroatischer, ein rumänischer sowie ein slowakischer Staatsbürger.
Auch zahlreiche Beweismittel wurden sichergestellt, welche in der Folge kriminaltechnisch ausgewertet bzw. untersucht werden. Berichte, wonach Nazi-Devotionalien bei den Verdächtigen gefunden wurden, wollte die steirische Polizei auf "Heute"-Anfrage weder bestätigen noch dementieren.
Unter "Hate Crime" (auf Deutsch: Hasskriminalität) versteht man vorurteilsmotivierte Straftaten, die – neben dem kriminellen Motiv – vor allem aus Hass oder Vorurteilen gegenüber bestimmten Personengruppen begangen werden. So beispielsweise wegen der Ablehnung einer bestimmten Herkunft, Religion, Hautfarbe, dem Geschlecht oder eben auch wegen der sexuellen Orientierung.
Seit November 2020 werden Vorurteilsmotive in Österreich systematisch von der Polizei erfasst. Im Jahr 2023 wurden 5.668 solche vorurteilsmotivierten Straftaten in ganz Österreich verzeichnet. Weitere Informationen dazu finden Sie im "Hate Crime"-Jahresbericht des Bundeskriminalamtes.
Erschüttert reagiert Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) auf die Vorfälle. "Dass Menschen in Österreich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, erniedrigt, angegriffen oder verletzt werden, dürfen wir niemals hinnehmen. Die Angriffe zeigen auf schlimmste Weise, wie notwendig es ist, auch im Jahr 2025 jeden einzelnen Tag gegen Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung auzufstehen."
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien äußert sich gegenüber "profil" mit Entsetzen: "Für queere Menschen waren Hass und Gewalt immer schon ein Teil der Lebensrealität. Aber dass es ein österreichweites Netzwerk mit Verbindungen bis in die Slowakei gibt, nur mit dem Zweck, unschuldigen Menschen Gewalt anzutun, ist eine neue Stufe des Hasses. Sowas ist kein Einzelfall mehr."