Ukraine

Schlacht am Himmel über Kiew "erst der Anfang"

In der Nacht kam es wieder zu einem schweren Luftangriff über Kiew. Dabei suchen Russlands Raketen gezielt nach etwas ganz Bestimmtem.

Die Explosion einer Rakete über Kiew am 18. Mai 2023.
Die Explosion einer Rakete über Kiew am 18. Mai 2023.
REUTERS

Es war die zweite Nacht diese Woche, dass Russland und die Ukraine sich gegen vier Uhr im Himmel über Kiew eine explosive Schlacht lieferten: Angriffe von Marschflugkörpern und Drohnen, die vom Land, vom Meer und aus der Luft abgefeuert wurden, Abwehr wohl vor allem durch das vom Westen gelieferte Flugabwehrsystem Patriot.

Die ukrainische Armee spricht von einer erneuten "beispiellosen" Welle von russischen Luftangriffen auf die Hauptstadt Kiew und andere Regionen. Dabei hätten Luftabwehreinheiten 29 der 30 abgefeuerten Marschflugkörper zerstört und vier Drohnen abgeschossen. Es war der neunte russische Luftangriff auf Kiew in diesem Monat.

Russland sucht gezielt nach Patriots

Dabei hat Russland nicht die ukrainische Hauptstadt, ihre Bewohner oder harte oder kritische Ziele wie militärische Einrichtungen, Regierungsgebäude oder Elektrizitätswerke im Visier.

Vielmehr sind sich Luftverteidigungsexperten in Russland und im Westen einig: Russland ist gezielt auf der Suche nach Schwächen in der ukrainischen Luftverteidigung – und hat es auf die Zerstörung der Patriot-Abwehrbatterien im Raum Kiew abgesehen.

Nur noch eine Frage der Zeit

Es scheint, da sind sich die Experten ebenfalls einig, nur noch eine Frage der Zeit, bis das gelingt. Bereits beim ersten Angriff vom frühen Dienstagmorgen wurde ein Patriot-Abwehrsystem getroffen: "Zerstört" laut Moskau, "beschädigt" laut Washington, von wo es später hieß, dass die Batterie weiter einsatzfähig sei und nicht zur Reparatur außer Landes gebracht werden müsse.

Dass Russland das Patriot-System ausschalten will, kann nicht überraschen. Moskau hat dies auch ganz offiziell verlauten lassen, als klar war, dass man der Ukraine Patriots geliefert habe.

Leicht zu lokalisieren

Die Systeme sind auch leicht zu finden: "Ihre Radare senden eine massive elektromagnetische Signatur aus, die nicht schwer zu erkennen und zu lokalisieren ist", schreibt das Militärtechnik-Magazin "The Drive".

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    Die Langstreckenrakete "Storm Shadow" wurde laut Angaben Russlands das erste Mal von der Ukraine eingesetzt.
    Die Langstreckenrakete "Storm Shadow" wurde laut Angaben Russlands das erste Mal von der Ukraine eingesetzt.
    Wikipedia commons/Geoff Lee/0

    Kommt dazu, dass das System nicht mobil ist beziehungsweise man Zeit braucht, um es zu einem anderen Standort zu bringen. Kein Wunder: Eine ganze Batterie erstreckt sich auf einen ganzen Quadratkilometer und es braucht bis zu 30 Soldaten, um Abschussrampen, Kontrollsysteme und Radare zu bedienen.

    "Absolute Raketen-Magneten»"

    "Es gab keinen Zweifel daran, dass diese Batterien zu absoluten Raketen-Magneten werden würden", schreibt "The Drive". Dies nicht nur wegen ihrer enormen Luftabwehrfähigkeiten, sondern auch wegen ihres symbolischen Wertes, den die Patriots darstellten: die Unterstützung der USA und ihrer Verbündeten für die Ukraine durch die Spenden moderner Waffen.

    Immerhin: Jede Rakete, die auf die Patriot-Batterie abgefeuert wird, ist eine weniger gegen andere ukrainische Ziele. Und doch ist davon auszugehen, dass die schweren russischen Luftangriffe gegen Kiew mit seiner Patriot-Luftabwehr "erst der Anfang" sind, wie "The Drive" weiter schreibt. "Wir sollten darauf vorbereitet sein, dass eine Patriot-Batterie beschädigt oder Teile davon zerstört werden." Denn Russland habe jahrzehntelang daran gearbeitet, genau dieses System zu besiegen.

    Nato-Bestand umfasst Tausende Patriots

    Dabei sind die Patriot-Abwehr und die Männer, die sie bedienen, für Kiew und andere ukrainische Grossstädte von entscheidender Bedeutung – erst recht jetzt, wo die Munition für die ukrainischen Abwehrsysteme aus der Sowjet-Ära zur Neige geht. Gleichzeitig dürfte auch Moskau bewusst sein: Die Patriot-Batterien stehen an den am stärksten verteidigten Standorten Kiews. Um die Luftabwehrsysteme also nicht nur zu beschädigen, sondern tatsächlich dauerhaft auszuschalten, muss Russland erhebliche Mengen seiner modernsten und teuersten Raketen einsetzen.

    Allen voran die Kinschals, von denen es nur eine stark limitierte Anzahl geben soll (das legen Angaben zum Produktionsdatum nahe, die auf Trümmern gefunden wurden). Und selbst wenn es zu Verlusten bei den Patriot-Abfängern kommt – sie könnten relativ leicht ersetzt werden, zumal der kollektive Nato-Bestand Tausende von ihnen umfasst.

    Neben Kiew auch andere Regionen angegriffen

    Die jüngsten russischen Luftangriffe richteten sich nicht nur gegen Kiew. In der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer wurde in der Nacht auf Donnerstag bei einem Angriff auf ein Industriegelände ein Mensch getötet. Zwei weitere Personen wurden verletzt, wie die Militärverwaltung in der Region mitteilte.

    Nach Angaben der Armee gab es zudem Angriffe mit Marschflugkörpern in der Region Winnyzja im Landesinneren. Örtliche Medien berichteten zudem über Explosionen in Chmelnyzkyj etwa hundert Kilometer weiter westlich.