Ukraine

Rätselraten um Putin – er verschwindet vor TV-Rede

Mit Spannung wurde eine angekündigte Rede von Wladimir Putin an das russische Volk am Dienstag erwartet. Doch er schien wie vom Erdboden verschluckt.

Russlands Präsident <strong>Wladimir Putin</strong> in der Alexander Halle des Kreml-Palasts in Moskau am 20.September 2022.
Russlands Präsident Wladimir Putin in der Alexander Halle des Kreml-Palasts in Moskau am 20.September 2022.
PAVEL BEDNYAKOV / AFP / picturedesk.com

Separatistenführer und von Moskau eingesetzte Vertreter in vier ukrainischen Gebieten haben zeitnahe Abstimmungen über einen Beitritt zu Russland angekündigt. Ab Freitag solle in den Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja darüber abgestimmt werden, ob die Territorien in Russland eingegliedert werden, hieß es am Dienstag.

Wie das Medienprojekt "Nexta" mit Berufung auf russische Medien berichtet, sollte sich Wladimir Putin am Dienstagabend mit einem "dringenden Appell" an die russische Bevölkerung richten. Auch Verteidigungsminister Schoigu sollte dabei sein. In den sozialen Medien wird deshalb bereits spekuliert, dass der Kreml-Chef am Abend gar eine Generalmobilmachung bekanntgeben könnte, wie "The Moscow Times" berichtet.

Einzig: Putin verschwand spurlos! Erst verzögerte sich die angekündigte Rede, die im übrigen vorab aufgezeichnet wurde, um zwei Stunden, dann wurde sie gleich komplett abgeblasen und sollte möglicherweise am Mittwoch nachgeholt werden. Eine neuerliche Blamage für den russischen Präsidenten: Tikhon Dzyadko, Chefredakteur des lettischen Senders TV Rain, der sich an die russische Bevölkerung richtet, erklärte laut dem ORF-Korrespondenten Paul Krisai: "Nicht ganz klar, wie Putin die UdSSR wiederherstellen wollte, wenn sogar eine Ansprache zum unlösbaren Problem wird."

Wer flieht, kommt ins Gefängnis

Die Spekulationen wurden vor allem durch eine vom russischen Unterhaus beschlossene Gesetzesänderung befeuert. Die Staatsduma beschloss am Dienstag, einzelne Gesetze für Soldaten, Reservisten und möglicherweise auch Personen aus der Zivilbevölkerung zu verschärfen. So drohen Soldaten, die sich freiwillig ergeben, bis zu zehn Jahre Haft. Auch wer während der Mobilisierung der Truppen oder im Krieg desertiert, kann bis zu zehn Jahre hinter Gitter kommen.

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    Den ukrainischen Streitkräften ist es nach eigenen Angaben gelungen, in der Region Charkiw eine neuartige russische Angriffsdrohne abzuschießen.
    Den ukrainischen Streitkräften ist es nach eigenen Angaben gelungen, in der Region Charkiw eine neuartige russische Angriffsdrohne abzuschießen.
    Ukrainisches Militär / Handout via REUTERS

    Noch höher fallen die Strafen bei Plünderungen aus – seit Beginn der Invasion sind unzählige Videos und Bilder aufgetaucht, die russische Soldaten bei Plünderungen zeigen sollen. Unter den gestohlenen Gegenständen waren von Kühlschränken über iPads bis hin zu landwirtschaftlichen Maschinen alle möglichen Dinge.

    "Mobilmachung" ins Strafgesetzbuch aufgenommen

    Wer sich dem Krieg aus Gewissensgründen verweigert, kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Der Gesetzesentwurf führt auch die Begriffe "Mobilmachung", "Kriegsrecht" und "Kriegszustand" ein, diese wurden bisher nicht im russischen Strafgesetzbuch erwähnt. Bislang bezeichnete der Kreml seine Invasion der Ukraine stets als "militärische Spezialoperation" – aufgrund der Gesetzesänderung spekulieren Beobachter nun, dass diese den Weg für eine Generalmobilmachung ebnen soll. Denn dem Kreml fehlt es an Nachschub, zuletzt mussten die russischen Truppen in der Region Charkiw durch die ukrainische Gegenoffensive herbe Verluste an Territorium und Personal einstecken.

    Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich Putin und Schoigu zu den angekündigten Referenden in von Russland besetzten Gebieten äußern wollen. So sollen in den Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja möglichst schnell Abstimmungen über einen Anschluss an Russland abgestimmt werden. Der deutsche Bundeskanzler Scholz bezeichnete die Referenden als inakzeptabel, während Kiew die Organisatoren der Abstimmungen strafrechtlich verfolgen will.